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Rede von Jörn Wunderlich am 29.09.2016

Rede von Jörn Wunderlich,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Partizipation und Selbstbestimmung älterer Menschen stärken“ – welch schöner Titel! Bekenntnisse zur Verbesserung der Lebenssituation von Seniorinnen und Senioren erklingen insbesondere vor Wahlkämpfen häufig laut und vernehmbar. Danach sind sie kaum mehr zu hören. Zu Unrecht, sage ich. Denn Seniorenpolitik ist angesichts der demografischen und auch sozialen Entwicklung unserer Gesellschaft ein dringendes und wichtiges Thema.

Als seniorenpolitischer Sprecher meiner Fraktion konnte ich mich in vielen Gesprächen auf Bundes-, aber auch auf Landesebene und besonders in meinem Wahlkreis davon überzeugen, wie sehr die Lebensbedingungen vor Ort in den Kommunen und Städten die Qualität des Lebens im Alter beeinflussen.

Jetzt fordern die Grünen in ihrem Antrag erstens, altersfreundliche Kultur und intergenerationelle Solidarität zu fördern, zweitens, diskriminierende Altersgrenzen abzuschaffen, drittens, altersgerechtes und barrierefreies Wohnen stärker als bisher zu fördern, viertens, älteren Menschen selbstbestimmte Mobilität zu ermöglichen

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön, dass Sie das alles noch mal vorlesen! Das ist alles gut und richtig!)

– hör erst mal zu! –,

(Petra Crone [SPD]: Das hat sie aber schon gehört! – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe das aufgeschrieben!)

fünftens, es Pflegebedürftigen zu erleichtern, länger in den eigenen vier Wänden zu leben. Mit diesen inhaltlichen Forderungen liegen die Grünen ja voll auf linker Linie; das sind ja die Forderungen, die wir schon immer hatten. Schön, dass sich die Grünen nun dazu durchgerungen haben, das auch mal zu dokumentieren. Denn in der vorletzten Legislaturperiode, zum Beispiel auf dem Deutschen Seniorentag in Leipzig, gab es noch nichts Schriftliches. Und auf der letzten Seniorenmesse in München wurde die Tatsache, dass es keine Leitlinien gab, damit entschuldigt, dass die Senioren keine Wählergruppe der Grünen seien. Na ja, Schwamm drüber!

Die jetzt dargelegten Forderungen sind ja ganz gut. Und es tut auch immer mal wieder not, die Bundesregierung auf die mangelnde Seniorenpolitik hinzuweisen; denn dort ist sie ja auch nicht so das Thema. Wenn man sich die Tagesordnungen der letzten Legislaturperioden mal anschaut,

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn die Initiativen der Linken?)

dann sieht man, dass nur zweimal richtige Seniorenthemen Gegenstand der Debatten waren, nämlich – das ist vorhin schon angesprochen worden – der fünfte und der sechste Altenbericht.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Linken-Antrag!)

Ansonsten werden hier im Hause Senioren in aller Regel mit Rente, Pflege und Gesundheit abgetan,

(Michaela Noll [CDU/CSU]: „Abgetan“? Das sind wichtige Themen!)

wobei in Erklärungen immer wieder dargelegt wird, dass mehr Potenziale des Alters als Defizite vorhanden sind – Potenziale nutzen, wie es so schön heißt.

Letztlich ist auch der Umgang mit dem siebten Altenbericht Indiz dafür, wie Seniorenpolitik behandelt wird. Jetzt bin ich ja richtig gespannt; denn beim siebten Altenbericht lautet der Auftrag, das Thema „Sorge und Mitverantwortung in der Kommune“ zu bearbeiten. Er liegt der Regierung seit Dezember 2015 vor, dem Parlament allerdings immer noch nicht; eine Stellungnahme gibt es noch nicht, wurde dem Parlament noch nicht zugeleitet. Immerhin – das wissen wir aus den Vorbemerkungen zu diesem Auftrag – geht es im siebten Altenbericht darum, dass Seniorenpolitik primär in den Kommunen stattfindet. Aufgrund der Vielfalt und der mannigfaltigen Unterschiede in Deutschland kann ich mir nicht vorstellen, dass es vom Bund eine Blaupause oder ein Muster, eine allgemeine Regelung für die Seniorenpolitik geben kann.

Im Antrag der Grünen gibt es unter den Punkten 6 und 7 den mutigen Vorstoß, Forschungsvorhaben zu unterstützen und auf die Länder entsprechend einzuwirken, dass ältere Menschen mehr beteiligt werden. Doch wir brauchen im Grunde keine weitere Forschung, wir brauchen keine Sachverständigengutachten, wir brauchen keine Kongresse.

(Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir brauchen nur die Linke, die uns sagt, wie es geht!)

Wir wissen doch, was zu machen ist. Wir müssen endlich einmal anfangen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn ihr fordert, auf die Länder einzuwirken, dann muss ich euch, liebe Grüne, daran erinnern: Ihr seid – wenn ich mich nicht verzählt habe – in elf Ländern an der Regierung beteiligt; in einem Land stellt ihr den Ministerpräsidenten.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr auch!)

Ja warum macht ihr denn nichts in den Ländern,

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das schwach!)

zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen?

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Könnte man nicht mal was Inhaltliches sagen?)

– Ja. – Ich habe hier ein Papier mit dem Titel „Ziele und Möglichkeiten kommunaler Seniorenpolitik“ aus Nordrhein-Westfalen. Das ist so alt; es ist aus dem letzten Jahrhundert. Da wird noch von einem Durchschnittseinkommen in D-Mark gesprochen. Da sind eure Forderungen drin. Es ist vom Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen. Alles, was da steht, wurde bislang nicht gemacht.

Die Seniorenpolitischen Leitlinien der Fraktion Die Linke, die seniorenpolitischen Standpunkte meiner Partei und der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, die Forderungen der BAGSO und die Ergebnisse der Bertelsmann-Stiftung – all das ist deckungsgleich mit dem, was ihr jetzt aufgeschrieben habt.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen wir jetzt mal was zu dem Thema machen?)

Fangt mit der Umsetzung eurer Forderungen an, und dann könnt ihr nächstes Jahr auch punkten.

Aber eins muss ich noch im Zusammenhang mit den Potenzialen des Alters sagen: Wir müssen aufpassen, dass ehrenamtliches Engagement bei allem Respekt – das möchte ich an dieser Stelle betonen; ich möchte da nicht falsch verstanden werden – nicht als Ausfallbürge für angeblich nicht mehr finanzierbare staatliche Aufgaben herhalten muss und letztlich Seniorinnen und Senioren für den Ausgleich klammer kommunaler Kassen sorgen sollen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Aber warten wir es ab. Vielleicht können wir ja einen entsprechenden Antrag gemeinsam mit dem siebten Altenbericht beraten. So, wie es angekündigt worden ist, soll er im Oktober beraten werden; letzte Gerüchte besagen, dass es im November so weit ist. Schauen wir mal, ob es in diesem Jahr noch etwas wird. Ich bin da nicht sonderlich guter Hoffnung; aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)