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Rede von Jan van Aken am 28.06.2017

Rede von Jan van Aken,

Frau Präsidentin, ehe die Uhr anfängt, zu laufen, habe ich eine Frage: Darf Herr Jung eigentlich hier sitzen? Ist es mit der Geschäftsordnung vereinbar, dass jemand, der in seinem neuen Job Aufsichtsrat in der Rüstungsschmiede ist, an einer Debatte teilnehmen kann, bei der es um Rüstungsexporte geht? Ich kenne mich mit der Geschäftsordnung nicht so genau aus.

Ich finde es falsch, aber dann ist es so. – Ich finde es auch deswegen falsch, weil mir in den letzten Tagen immer ein Bild vor Augen kommt, das mich überhaupt nicht mehr loslässt: Ich stelle mir vor, dass, wenn der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Katar weiter eskaliert, es tatsächlich zum Krieg kommt, und dass es dann deutsche Kampfbomber sind, die deutsche Leopard-Panzer bombardieren.

Ja.

Herr van Aken, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Kollege Jung erst nach Ende seines Mandates eine neue Beschäftigung annehmen wird? Sind Sie vielleicht so freundlich – Sie hören ja auch auf –, uns zu sagen, bei wem Sie jetzt anfangen zu arbeiten, damit wir überprüfen können, ob auch Sie vielleicht irgendwelche Interessenkonflikte haben?

Ich habe das, glaube ich, sehr präzise ausgedrückt: Sein neuer Job ist Aufsichtsrat bei Rheinmetall. Das ist eine Waffenschmiede, der größte deutsche Rüstungshersteller. Ich habe nicht gesagt, dass er da schon angefangen hat. Aber er weiß, dass er diesen Job schon hat. Er weiß, dass er mit den deutschen Waffenexporten sehr viel Geld verdienen wird. Trotzdem setzt er sich hierhin und hat die Chuzpe, an so einer Debatte teilzunehmen. Ich finde das einfach falsch.

Zu meinem Job kann ich Ihnen sagen: Ich werde ein Jahr als freier Mitarbeiter für NGOs arbeiten.

(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Was für eine NGO denn?)

Ich hoffe, dass mir eine Organisation, zum Beispiel Greenpeace, oder eine Stiftung im nächsten Jahr den einen oder anderen Job gibt. Das habe ich vorher auch gemacht; ich war drei Jahre bei Greenpeace International. Deswegen kann ich Ihnen schon an dieser Stelle sagen: Ich bin vielleicht das letzte Mal im Bundestag, aber Sie sind mich nicht los.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um zurückzukommen zu Saudi-Arabien und Katar: Es waren deutsche Waffenschmieden, die beide Seiten gleichzeitig bis an die Zähne bewaffnet haben. In den letzten Jahren wurden Waffenexporte in diese beiden Länder in Höhe von 6 Milliarden Euro genehmigt. Wenn Sie von der CDU/CSU oder auch von der SPD jetzt sagen, das hätten Sie doch nicht ahnen können, als Sie das genehmigt haben, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das hätten Sie nicht nur ahnen können, Sie hätten es wissen können. Denn Waffen werden gekauft, um Kriege zu führen, aus keinem anderen Grund.

(Beifall bei der LINKEN)

Wissen Sie, ich sitze jetzt seit acht Jahren im Bundestag und habe mir von Anfang an vorgenommen, die Folgen der deutschen Waffenexporte zu dokumentieren. Seit acht Jahren schauen wir immer, wenn irgendwo auf der Welt geschossen wird, ob nicht auch deutsche Waffen mit dabei sind. Wir schauen uns die verwackelten Al-Jazeera-Videos, die Medienberichte und die Fotos an, und in fast jedem einzelnen Fall sind wir fündig geworden. In fast jedem einzelnen Fall waren deutsche Waffen mit dabei.

Ich habe fünf Beispiele mitgebracht:

In Mexiko schießen staatliche Sicherheitskräfte mit deutschen G36-Sturmgewehren auf Studierende. Sie alle erinnern noch den Fall der verschwundenen 43 Studierenden, die brutal ermordet worden sind.

Nehmen wir Syrien. Ich selbst habe im Norden Syriens das Abschussrohr einer MILAN-Rakete gefunden, die zur Hälfte in Deutschland produziert wird. Damit haben die Menschenfeinde vom sogenannten „Islamischen Staat“ gekämpft – mit deutschen Waffen auf syrischem Boden. Ich jedenfalls finde diese Vorstellung grauenvoll.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nehmen wir die Türkei. Wir alle haben die Bilder gesehen, wie die Türkei in Syrien einmarschiert ist, eine ganze Kolonne von deutschen Leopard-Panzern fuhr mit. Und dann gab es diese Bilder – Herr Jung, Leopard ist doch Ihr Modell –, wie islamistische Kämpfer von Ahrar al-Scham vor den deutschen Panzern posieren. Ahrar al-Scham gilt hier in Deutschland als Terrororganisation. Die Türkei kämpft mit denen gemeinsam gegen die Kurden in Syrien mit deutschen Panzern. Ich finde das falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Nehmen wir Saudi-Arabien; dazu ist eben schon viel gesagt worden. Saudi-Arabien bombardiert den Jemen gerade zurück in die Steinzeit. Das tun sie auch mit deutschen Kampfflugzeugen, und das tun sie auch mit Bomben, die von der deutschen Waffenschmiede Rheinmetall in Italien produziert worden sind. Die werden in Sanaa, in der Hauptstadt, gefunden, und wenn sie nicht explodieren, dann kann man sehen: direkt aus der Rheinmetall-Fabrik auf Sardinien nach Saudi-Arabien geliefert und im Krieg im Jemen eingesetzt. Das ist ein schmutziges Geschäft, das Sie zu verantworten haben, Herr Jung.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann gibt es natürlich noch die Waffenlieferungen an die Peschmerga im Nordirak. Die Waffen wurden den Peschmerga geschenkt, damit sie die Jesiden beschützen. Jetzt sehen wir die Bilder, wie genau diese Peschmerga mit genau diesen deutschen Waffen die Jesiden angreifen, statt sie zu verteidigen.

Ich sage Ihnen: Waffenlieferungen gehen immer nach hinten los.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das waren nur ein paar Beispiele; ich könnte Ihnen noch Dutzende weitere aufzählen und Ihnen viele Bilder zeigen. Denn seit Jahrzehnten exportiert Deutschland Waffen in alle Welt, und seit Jahrzehnten wird überall auf der Welt mit diesen Waffen getötet.

Wenn ich in die Reihen von SPD und Union schaue, frage ich mich eigentlich jedes Mal, wenn ich hier stehe, ob irgendwer von Ihnen eigentlich ein schlechtes Gewissen hat.

(Dr. Nina Scheer [SPD]: Gucken Sie doch bitte auf die andere Seite!)

– Nein, Sie beide saßen in all den Jahren an den Hebeln der Macht. – Es sind Ihre Exporte, die Sie zu verantworten haben. Aber die gute Nachricht ist: Sie können sie auch stoppen. Wer auch immer im September die Wahl gewinnt, wer auch immer in der nächsten Legislaturperiode die Koalition stellt, hat die Möglichkeit, endlich das zu machen, was 83 Prozent der Menschen in Deutschland wollen: Stoppen Sie endlich die Waffenexporte!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Dringendste – das wissen Sie auch, und damit komme ich zum Schluss – ist natürlich das Verbot von Kleinwaffenexporten ohne jede Ausnahme. Das sind einfach die mörderischsten aller Waffen. Ich verstehe bis heute nicht, warum Sie sich bisher dazu nicht durchringen können.

Das habe ich gerade gesagt, und das tue ich jetzt auch. – Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland überhaupt keine Waffen exportieren sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Und wissen Sie was? Das werden wir auch gewinnen – einfach weil es richtig ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])