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Dokumentationszentrum Zweiter Weltkrieg dringend nötig

Rede von Jan Korte,

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich für die Fraktion Die Linke feststellen, dass ich den vorliegenden Realisierungsvorschlag sehr gut finde. Der ist übrigens auch auf der Höhe des wissenschaftlichen Diskurses. Ich will mich auch namens meiner Fraktion bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern herzlich bedanken. Das ist eine sehr gute Grundlage zur weiteren Diskussion.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte zum Zweiten feststellen, dass es allerdings dort einige Leerstellen gibt, die wir unbedingt weiter diskutieren müssen, auch hier im Bundestag. Es gibt geschichtspolitische Komponenten. Da ist zunächst einmal die Frage der juristischen Aufarbeitung insbesondere der Taten und der Umgang mit den Tätern. Da ist eine große Leerstelle; denn hier wird zu pauschal gesagt, dass die juristische Aufarbeitung in der Bundesrepublik, der DDR und Österreich vergleichbar ist. Das ist dezidiert nicht der Fall; denn in der DDR gab es bekanntermaßen eine deutlich intensivere Entnazifizierung, wenn man so will, als in der damaligen Bundesrepublik,

(Jörn König [AfD]: Das ist eine Lebenslüge der DDR! Eine Lebenslüge! – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

wo die ganzen alten SS- und Reichssicherheitshauptamtleute nämlich wieder in Amt und Würden gekommen sind und es deswegen eben keine vorbildliche Aufarbeitung gegeben hat. Das muss man hier so feststellen, sonst hat man keine Ahnung von Geschichte.

(Beifall bei der LINKEN – Jörn König [AfD]: Ihr Chef des Ältestenrates war auch in der NSDAP! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Die DDR war ein faschistischer Staat!)

Das Dritte, was ich schon noch mal feststellen will – und das ist ja in Ansätzen dort auch wirklich vorhanden –, ist eine Einordnung des völlig entgrenzten Vernichtungskrieges gegen den Osten damals. Das ist doch zu wenig spezifiziert. Denn der ist ja gerade nicht nur durch die Suspendierung aller Rechtsregeln gekennzeichnet gewesen, die es bis dahin gab, in der Kriegsführung beispielsweise, sondern vor allem dadurch gekennzeichnet gewesen, dass er alle bis dahin gekannten Zivilisationsregeln aufgehoben hat.

Das will ich an Zahlen deutlich machen. Die Sterblichkeitsrate bei Kriegsgefangenen der Roten Armee lag bei 60 Prozent; das sind 3,3 Millionen Leute. Sie sind vor allem in Wehrmachtslagern schlicht verhungert. Wenn wir uns dagegen die Sterblichkeitsrate bei westlichen alliierten Kriegsgefangenen angucken, sehen wir: Sie lag bei 3,5 Prozent. Daran können wir erkennen, dass wir es hier mit etwas anderem zu tun haben.

Ich möchte dazu, warum dieses Dokumentationszentrum wirklich dringend notwendig ist, noch auf die aktuelle Debatte und bestimmte Töne dabei eingehen. So leid es mir tut, ich will noch mal Jürgen Trittin hier direkt ansprechen; denn insbesondere Sie von den Grünen sind hier auffällig geworden.

Jürgen Trittin sagte in einem aktuellen Interview – ich darf zitieren –:

"Jetzt erleben wir die Rückkehr des imperialen Eroberungskrieges. Und der ähnelt in vielen Orten dem Vernichtungskrieg von SS und Wehrmacht gegen die Sowjetunion."

Es gab mehrere Vergleiche von Ihnen dort in dieser Hinsicht. Ich möchte das in aller Form zurückweisen. Das ist nichts anderes als eine Relativierung der Verbrechen des deutschen Faschismus, um das in aller Klarheit zu sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch in den Medien, wo von einem Vernichtungskrieg von Russland gegen die Ukraine gesprochen wird, wollen wir, bitte schön, historisch korrekt bleiben. Es ist ein verbrecherischer Angriffskrieg. Es ist kein Vernichtungskrieg. Was ein Vernichtungskrieg ist, möchte ich zum Abschluss kurz zitieren:

"Im Morgengrauen des 29. September sperrten Angehörige der Polizeibataillone die Umgebung der am Stadtrand von Kiew gelegenen Schlucht Babi Yar und die Straßen, auf denen die Opfer von der Stadt kommen sollten. In langen Kolonnen zogen jüdische Männer, Frauen und Kinder zu dem befohlenen Platz. Von dort trieb sie die SS weiter zur Schlucht von Babi Yar. In der Nähe des Eingangs zur Schlucht registrierten SS-Männer die Opfer, sie mussten ihre Wertsachen abgeben und die Kleider ablegen. In der Schlucht erschossen die Angehörigen des Sonderkommandos 4a im Laufe des 29. September und des nächsten Tages über 33 000 Menschen."

Das ist der Vernichtungskrieg gewesen. Der Begriff des Vernichtungskrieges ist in geschichtspolitischen Auseinandersetzungen von der Wissenschaft bitter erkämpft worden, und er ist mit nichts anderem zu vergleichen. Deswegen weise ich das zurück und lade auch insbesondere einige von Ihnen herzlich zur Eröffnungsausstellung in dieses notwendige Dokumentationszentrum ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)