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Keine Agrarwende mit diesem Haushalt!

Rede von Ina Latendorf,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir sprechen über Ernährung und Landwirtschaft, und gerade Ernährung betrifft alle Menschen. Doch die Bundesregierung nimmt für diesen Bereich aus meiner Sicht nach wie vor nicht genügend Mittel in die Hand. Die meisten Änderungen im Vergleich zum Vorjahr und zum ersten Entwurf des Einzelplans des BMEL sind kosmetischer und verwaltungstechnischer Natur.

Ich frage Sie von der Koalition: Was denken Sie, wie das bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt, die über verteuerte Lebensmittel und spürbare Auswirkungen des Klimawandels in Natur, Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft klagen?

(Beifall bei der LINKEN)

„Nicht gut“, würden Sie sagen, und dem schließe ich mich als Linke an.

Für all die über 900 000 Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, für 18,7 Millionen Menschen, die im ländlichen Raum leben, für alle Menschen, die zu Recht gesunde und bezahlbare Lebensmittel fordern, ist der Haushalt für Ernährung und Landwirtschaft einfach ernüchternd. Die Berichte aus den landwirtschaftlichen und verarbeitenden Betrieben, deren Zukunft und Existenz auf der Kippe steht, sind verheerend. Die Sorgen von Verbraucherinnen und Verbrauchern über die Preisentwicklung sind real und erschütternd. Da ist keine Luft mehr! Heute ist der 24. des Monats, und da ist bei vielen Rentnerinnen und Rentnern, bei Alleinerziehenden, bei Menschen mit Minijob das Portemonnaie leer.

Wo bleibt die aktive Umgestaltung und damit die Sicherung der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion? Mit diesem Haushalt bleibt sie auf der Strecke.

(Beifall bei der LINKEN)

Die 7,175 Milliarden Euro im Etat 2023 sind weniger als 2 Prozent des Gesamthaushaltes, während sich die Rüstungsspirale weiterdreht. Nach Abzug der im Einzelplan versteckten Sozialleistungen in Höhe von 3 Milliarden Euro bleiben etwa 0,9 Prozent des Gesamthaushaltes für den Umbau der Landwirtschaft entsprechend sozialökologischen Standards, für Ernährungssicherheit, für Verbraucherschutz, für die Entwicklung der ländlichen Räume, für die Fischerei und für den Wald, dessen Umbau, wie wir eben gehört haben, so dringend notwendig ist.

Ja, ich will auch die positiven Änderungen nennen. Lassen Sie mich drei aufzählen: Die Betriebsbeihilfen für die Fischerei wurden geschaffen, die Hilfe im Zusammenhang mit dem Brexit festgeschrieben, und die Rücknahme der zunächst geplanten Kürzungen bei den Bundesmitteln für die Welternährungsorganisation FAO war dringend fällig und ist richtig. Aber was fehlt? Eine vernünftige Politik, die der jetzigen Preistreiberei Einhalt gebietet. Schon lange wären wirksame Maßnahmen gegen Nahrungsmittelspekulationen und Preisexplosion notwendig gewesen. Und hier? Untätigkeit!

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion Die Linke unternimmt in jedem Haushaltsjahr den Versuch, eine für soziale Gerechtigkeit zentrale Forderung umzusetzen. Dabei geht es um ein Bundesprogramm Kita- und Schulverpflegung mit Mitteln in Höhe von 2 Milliarden Euro. Sie haben morgen noch einmal die Chance, unserem Entschließungsantrag dazu zuzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und ehe Sie mir wieder mit Länderzuständigkeiten kommen: Schauen Sie ins Grundgesetz! Nach den Artikeln 104b und 104c Grundgesetz ist das möglich. Schul- und Kitaverpflegung ist Sozial-, Umwelt-, Ernährungs- und Gesundheitspolitik gleichermaßen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schulen und Kitas sind Orte, wo alle Kinder und Jugendliche gleichermaßen erreicht werden können. Bund und Länder müssen hier an einem Strang ziehen. Und das bislang übliche Ressortdenken – nicht nur zwischen den Ministerien, sondern auch zwischen Bund und Ländern – muss endlich aufhören.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir folgen mit unserer Forderung dem Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz des BMEL. Die zentrale Empfehlung lautete, eine „beitragsfreie, qualitativ hochwertige Kita- und Schulverpflegung“ schrittweise in ganz Deutschland zu etablieren, um eine gesunde Ernährung gerade für die Jugendlichen zu erreichen.

Die soziale Komponente ist nicht zu vergessen. Bedenken Sie die aktuelle Situation: Die Inflation bei Lebensmitteln und Energie verteuert das Angebot in den Schulen erheblich. Eltern melden ihre Kinder von der Schulverpflegung ab. Die Kinder essen dann ihr mitgebrachtes Brot oder im schlimmsten Fall nichts, während andere eine warme Mahlzeit bekommen. Die dadurch erlebte Diskriminierung können Sie sich wohl ausmalen.

Ich habe die Bundesregierung zum Thema Ernährungsarmut befragt. Die Antwort war: Bei „informiertem, preisbewusstem Einkauf“ könne man sich heutzutage mit 5,09 Euro pro Person am Tag eine gesunderhaltende Ernährung ermöglichen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja ein Witz!)

Wo leben Sie eigentlich? Das ist reinster Hohn!

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben die vollmundig angekündigte Agrarwende gerade untergepflügt, die gesunde Ernährung ist in irgendeiner Schublade versenkt worden, und die Verbraucherinnen und Verbraucher stehen im Regen. Das können wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)