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Landwirtschaftsetat kapituliert vor agrarpolitischen Herausforderungen

Rede von Ina Latendorf,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon am 24. März bei der Einbringung des Haushaltes habe ich die Kürzungen im Einzelplan 10 zum Vorjahr scharf kritisiert. Nichts, aber auch gar nichts Grundsätzliches hat sich seither bewegt. 7,1 Milliarden Euro sind immer noch 7,1 Milliarden. Minimale 1,43 Prozent des Gesamthaushaltes stehen für die Transformation der Landwirtschaft, die Sicherung der Ernährung, den Verbraucherschutz, die ländlichen Räume, die Fischerei und die Forsten zur Verfügung. Zu wenig, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Ankündigungen des Ministers zur Agrarwende: Heiße Luft? Zwischen den Herausforderungen in der Agrarpolitik und den dürftigen Mitteln in diesem Haushalt gibt es ein krasses Missverhältnis. Es ist seit Monaten nicht einmal der Versuch unternommen worden, die vollmundigen Erklärungen der Regierung über die bevorstehende Zusammenarbeit zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium mit Planungen oder gar Taten zu versehen. Wo ist Ihr Green Team?

Irgendetwas in Richtung sozial-ökologischer Umbau der Gesellschaft? Fehlanzeige. Wirksame Maßnahmen gegen Ernährungsspekulation und Preistreiberei? Fehlanzeige. Begrenzung der Marktmacht von Lebensmittelkonzernen, die dringend notwendig wäre, um die Landwirtinnen und Landwirte genauso wie die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten? Auch Fehlanzeige. Das alles regeln Sie in diesem Haushalt nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weder die schon sichtbaren Folgen des Klimawandels noch die absehbaren Kriegsfolgen haben bisher – außer Lippenbekenntnissen – ein sichtbares Handlungsbewusstsein erkennen lassen. Sie haben keinen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der die Probleme an der Wurzel packt. Da bewilligt die EU-Kommission der Bundesregierung 60 Millionen Euro Anpassungshilfe für Erzeuger auf dem Agrarsektor. Die Regierung legt noch einmal 120 Millionen Euro dazu. Das klingt sehr gut. Nur, wo finden wir diese Summe? Im Einzelplan 60 des Finanzministeriums. – Und Sie, Herr Minister, sind dann Bittsteller? Was soll das?

(Beifall bei der LINKEN)

Und dann ist noch nicht einmal klar, wer das Geld bekommen soll, wie viel und vor allem, wann endlich. Einmalzahlungen würden die Strukturdefizite in der Landwirtschaft nicht beheben. Ich sage: Es bedarf einer gezielten Unterstützung für die Landwirtschaft beim Umbau und bei den Strukturanpassungen. Ohne diese werden viele Landwirte aufgeben müssen. Das darf nicht sein!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Gleiche gilt im Prinzip für die Fischereihilfen. Beihilfen und Strukturmaßnahmen für die Seefischerei werden neu eingerichtet, ist angekündigt worden; wir haben es gerade gehört. Insgesamt sind es 11,5 Millionen Euro. Und auch hier muss die Frage erlaubt sein, wo das Geld hingeht, wie es eingesetzt wird und wann es kommt.

(Frank Schäffler [FDP]: Darauf haben wir schon geantwortet!)

Auf Antworten darauf wartet die Fischereiwirtschaft auch in meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern schon seit Langem. Mit weiterem Zögern der Regierung wird die Fischerei, insbesondere die Küstenfischerei, bald ein Fall für das Heimatmuseum. Und bei aller berechtigten Kritik am Raubbau und an der Überfischung: Das kann doch nicht das Ziel sein.

Meine Damen und Herren, nun sprechen wir im Einzelplan 10 auch über Ernährung, und zwar über gesunde Ernährung. Seit Jahren gibt es in Deutschland eine nachgewiesene Ernährungsarmut. Gerade aktuell befördert die Preistreiberei der Konzerne im Handel diese Armut weiter. Laut ARD-Recherche fällt es 38 Prozent der Menschen in Deutschland zunehmend schwerer, die Dinge des täglichen Lebens bezahlen zu können. Armutsbedingte Fehl- und Mangelernährung und sogar Hunger in einer Gesellschaft, die so wohlhabend ist wie Deutschland – das ist für mich und meine Fraktion inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor vier Monaten habe ich gesagt: Im Biomarkt bleibt der Korb leer, weil das Geld nicht reicht. – Nun trifft das auch für den Supermarkt zu. 12,5 Millionen Menschen in Deutschland leben unter der Armutsgefährdungsgrenze, und schon vor der derzeitigen Preisexplosion bei Lebensmitteln war für diese Menschen frisches Obst und Gemüse ein Luxus. Das ist eine Schande für dieses reiche Land!

(Beifall bei der LINKEN)

Dass eine gesunde Ernährung gerade für die Jugend am besten über öffentliche Angebote wie die Schulverpflegung erreicht werden kann, besagte schon 2020 eine Studie des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz im BMEL. Die zentrale Empfehlung des Beirates lautet, eine beitragsfreie, qualitativ hochwertige Kita- und Schulverpflegung schrittweise in ganz Deutschland zu etablieren. Das ist auch aus meiner Sicht eine der wichtigsten, drängendsten und nicht zuletzt auch wirksamsten Maßnahmen, um eine gesunde Ernährung zu erreichen. Leider ist Deutschland davon weit entfernt.

(Zuruf des Abg. Karlheinz Busen [FDP])

Dass dies möglich sein kann, zeigt Finnland. Dort gibt es sie: eine kostenfreie, hochwertige und nachhaltige Verpflegung für alle Kinder und Jugendlichen in Schulen und Kindertageseinrichtungen. Man muss es nur wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine gezielte Unterstützung des Bundes für die Kommunen wäre notwendig und möglich. Wir haben dies beantragt; aber eine Finanzierung in diesem Haushalt wurde abgelehnt. Sie können sicher sein, dass Die Linke dafür so lange Mittel im Haushalt fordern wird, bis Sie das endlich aufgreifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für mich und meine Fraktion ist dieser Haushalt alles in allem ein Armutszeugnis. Agrar- und Ernährungspolitik für die Zukunft sieht anders aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)