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Rede von Herbert Behrens am 27.04.2017

Rede von Herbert Behrens,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dobrindt, es geht nicht um Regelungen in der Zukunft, und es geht auch nicht darum, was in Europa entschieden wird und manchmal nicht entschieden worden ist.

(Alexander Dobrindt, Bundesminister: Natürlich geht es darum!)

Es geht auch darum, dass denjenigen, die unter den Abgasemissionen leiden – das sind Allergiker, schwache und alte Menschen –, bereits heute die zugesicherten und real existierenden Grenzwerte zugebilligt werden. Sie wollen geschützt werden, und zwar dadurch, dass aktuelle Grenzwerte tatsächlich eingehalten werden und sie sich nicht als völlig fehlerhaft darstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Menschen haben sich darauf verlassen, dass Euro-6-Fahrzeuge saubere Fahrzeuge sind. Da sie die neueste Technologie enthalten, musste man davon ausgehen, dass sie die Grenzwerte einhalten. Es geht schließlich darum, dass die Menschen vor den lebensgefährlichen Stickoxiden, die die alten Dreckschleudern ausgestoßen haben, geschützt werden wollen und sollen. Es geht auch darum, dass es eine vernünftige und wirksame Durchsetzung der Gesetze gibt, die zwar der Gesetze, die heute bestehen, und nicht der, die morgen erst verabschiedet werden müssen.

Mit einem Mal bekommt der Begriff „Euro 6“ eine ganz andere Bedeutung. Die UBA-Studie stellt fest, dass Euro-6-Fahrzeuge mit neuester Technologie – seit dem Jahr 2014 gültig – offenbar sechsmal mehr Schadstoffe ausstoßen, als sie ausstoßen dürfen.

(Kirsten Lühmann [SPD]: „Sollten“!)

Die Motoren verfügen über die neuesten Bauarten,

(Kirsten Lühmann [SPD]: Leider ist es legal, was da passiert!)

aber die Fahrzeuge stoßen sechsmal mehr aus, als die Automobilkonzerne bei der Typgenehmigung angegeben haben. Das ist nicht nur eine grobe Missachtung geltender Vorschriften, und das ist keine Ordnungswidrigkeit mehr; vielmehr kommt das einem Abgasbetrug gleich.

(Beifall bei der LINKEN)

Betrogen werden die Behörden, die für die Zulassung der Motoren zuständig sind. Betrogen werden die Bürgerinnen und Bürger, die erwarten können, dass ihre Gesundheit geschützt wird; das hat einen wichtigen Stellenwert für uns. Betrogen werden die Autofahrerinnen und Autofahrer, die ein vermeintlich sauberes Auto fahren wollen, wenn sie denn auf ein Auto angewiesen sind. Auf dieses Handeln der Automobilkonzerne muss doch sofort reagiert werden, und zwar nicht, indem man darauf hinweist, was morgen in Europa geregelt werden muss. Es muss Tacheles geredet werden. Ein Ende muss her bei diesen Betrügereien.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch was unternehmen Sie, Herr Dobrindt, als verantwortlicher Verkehrsminister? Wieder einmal antworten Sie – ich bleibe dabei – mit Nichtstun. Beim Nichtstun sind Sie, Herr Dobrindt, eindeutig ein Wiederholungstäter.

(Alexander Dobrindt, Bundesminister: Das ist falsch!)

Wenn Sie, Herr Dobrindt, angesichts dieser Untersuchungsergebnisse des UBA nicht sofort und angemessen scharf reagieren, dann gefährden Sie nicht nur die Gesundheit der Menschen, Sie zerstören auch das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Werte, die ihnen immer vorgetragen werden. Sie gefährden damit auch Arbeitsplätze von Zehntausenden von Kolleginnen und Kollegen in der Automobilindustrie. Beenden Sie Ihr Nichtstun! Handeln Sie jetzt!

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist zu tun? Die Automobilkonzerne müssen klar und deutlich nachweisen, ob sie die Abgaswerte, die sie angegeben haben, bei der Motorenprüfung einhalten können. Können sie das nicht nachweisen, dann sind diese Motoren unter Umständen aus dem Verkehr zu ziehen, dann darf es sie nicht geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach Nachrüstungen sind Messungen zu machen, und diese sind zu kontrollieren. Die Ergebnisse der Nachmessungen müssen offengelegt werden und dürfen nicht weiterhin verheimlicht werden, wie wir auf unsere Nachfragen in der Fragestunde gestern gehört haben.

Abgasbetrüger unter den Automobilkonzernen müssen Strafen zahlen, weil sie sich nicht an geltendes Recht halten. Das ist nicht nur nötig, sondern auch möglich. Auf europäischer Ebene ist verabredet, dass Sanktionen gegenüber den Herstellern verhängt werden können und müssen, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind. So steht es geschrieben.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht zuletzt müssen Verbraucherinnen und Verbraucher, die durch diesen Betrug einen wirtschaftlichen Schaden erleiden, Anspruch auf Entschädigung haben.

Das alles muss, wie schon gesagt, sofort passieren, weil wir die Gesundheit der Menschen schützen wollen, weil wir den Beschäftigten der Automobilindustrie Sicherheit geben wollen. Sie wollen wissen, wohin die Reise in Sachen Antriebstechnologie geht. Wir müssen uns als Gesetzgeber ernst nehmen und dürfen uns nicht zum Büttel der Konzerne machen, die uns bei der Angabe von Grenzwerten offenbar an der Nase herumführen. Jeder Bürger und jede Bürgerin muss sich an geltendes Recht halten. Das gilt genauso für die wirtschaftlich Mächtigen in unserem Land.

(Beifall bei der LINKEN – Kirsten Lühmann [SPD]: Die halten sich aber an geltendes Recht! Das ist das Problem!)

Die Verkehrsminister der Länder beraten zurzeit in Hamburg darüber, wie die Gesundheitsgefährdung durch einen niedrigeren Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub verringert werden kann. Sie behandeln auch die UBA-Studie. Das sind die Themen, die auf den Tisch gehören, die jetzt einer Lösung zugeführt werden müssen. Die Schadstoffausstöße müssen real gesenkt werden. Es darf nicht immer auf das Recht verwiesen werden, das so etwas vermeintlich nicht möglich macht. Wir sind der Meinung, diese rechtlichen Grundlagen sind vorhanden; denn die Motoren sind nach Euro 6 genehmigt, die diese Grenzwerte reißen. Von daher sind wir gehalten, sofort zu handeln. Ich fordere die SPD auf, in dieser Frage zumindest selber ihre Umweltministerin ernst zu nehmen. Fordern Sie Frau Hendricks auf, dem untätigen Verkehrsminister auf die Füße zu steigen,

(Ulli Nissen [SPD]: Wir sind nicht gewalttätig!)

damit es zu einem Ende beim Abgasbetrug kommt und es keine Fortsetzung des Abgasbetruges in weiteren Ländern gibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)