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Rede von Harald Petzold zu Protokoll gegeben am 23.03.2017

Rede von Harald Petzold,

Wir diskutieren heute hier abschließend über einen Gesetzentwurf zur Änderung von Vorschriften im Bereich des internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts. Die Linke wird – das kann ich vorab schon zusichern – diesem Gesetz ihre Zustimmung geben. Auch wenn wir im Detail durchaus Kritik haben, bedeuten die Änderungen, Präzisierungen und Ergänzungen von Vorschriften des internationalen Zivilverfahrensrechts für die Bürgerinnen und Bürger Verbesserungen, zu ihrem guten Recht kommen zu können.

Zwei Beispiele dafür: Stellen Sie sich vor, Sie verkaufen über ein Onlineverkaufsportal eine Ware an einen Interessenten aus Dänemark, Holland, Schweden. Sie werden sich über das Internet einig. Sie versenden die Ware, erhalten aber kein Geld. Auf Ihre mahnenden E‑Mails gibt es keine Antwort. Sie müssen sich an ein Gericht wenden, um Ihr Geld einzuklagen.

Dies war bisher ein umständliches und für viele Verbraucherinnen und Verbraucher schwer nachvollziehbares Verfahren. Oft musste man zum Landgericht gehen – für viele mit weiten Wegen verbunden. Ein Richter konnte entscheiden, dass er nicht zuständig ist, sondern ein anderer Richter – eine sogenannte gewillkürte Stellvertretung.

Dies wird jetzt geändert und für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbarer gestaltet, indem Gerichte bereits auf der Ebene von Amtsgerichten – also in meinem Wahlkreis wäre das zum Beispiel in Oranienburg möglich – zu zuständigen Gerichten erklärt werden. Durch die Möglichkeit, ein Amtsgericht mehrerer Amtsgerichtsbezirke zum zuständigen Gericht zu erklären, hat dieses die Möglichkeit, sich auf das jeweilige Rechtsgebiet zu spezialisieren und damit wirkungsvoll, schneller und effizienter im Sinne von Verbraucherinnen und Verbrauchern Recht zu sprechen.

Zweites Beispiel: Ein Paar – sie Deutsche, er US-Amerikaner – haben ein gemeinsames Kind. Sie sind aber nicht verheiratet. Es kommt zu Konflikten, sie wollen das Kind aber nicht darunter leiden lassen und einigen sich auf Umgangsmöglichkeiten für die einzelnen Elternteile. Plötzlich fällt dem Vater ein: Ich fahre mit dem Kind in die Staaten und bleibe dort dauerhaft; soll doch die Mutter sehen, wie sie künftig zu ihrem Umgangsrecht kommt.

Die USA sind ein weites Land und haben Regionen, die hin und wieder auch mal ohne Internet sind. Der gewöhnliche Aufenthaltsort des Kindes kann sich verlaufen.

Die Mutter wartet und wartet, sie schreibt eine E‑Mail nach der anderen – keine Reaktion von ihrem ehemaligen Lebensgefährten. Ihr bleibt nur der Rechtsweg. Bisher ein sehr kompliziertes Verfahren, zu dem sie in die Staaten fahren musste, dort einen Anwalt nehmen, Übersetzungsleistungen beibringen usw.

Jetzt wird das Internationale Familienrechtsverfahrensgesetz so geändert, dass die zentrale Behörde im automatisierten Abrufverfahren Daten abrufen kann, wie zum Beispiel derzeitige Staatsangehörigkeiten, frühere Anschriften, gekennzeichnet nach Haupt- und Nebenwohnungen, sowie das Einzugs- und Auszugsdatum. Dadurch könnte die Mutter von Deutschland aus und deutlich schneller und unkomplizierter als bisher an Informationen über den gewöhnlichen Aufenthaltsort ihres Kindes herankommen.

Ich weiß, dies ändert alles noch gar nichts an einer ganzen Reihe von Rechtsproblemen, mit denen Bürgerinnen und Bürger ebenfalls konfrontiert sein können. Und die Regelungen betreffen, wie gesagt, nur den Bereich des internationalen Privat- und Zivilrechts. Aber es sind Schritte in die richtige Richtung. Außerdem werden Lücken im internationalen Privatrecht geschlossen. Auch im internationalen Zivilverfahrensrecht gab es in mehrfacher Hinsicht Klarstellungs- und Änderungsbedarf, einschließlich der Rechtshilfe und des internationalen Familienverfahrensrechts.

Darüber hinaus hat die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Rechtsunsicherheiten für die Rechtspraxis geführt. Der bestehende Rechtshilfeverkehr mit den USA ist um weitere Möglichkeiten ergänzt worden. All dies ist im Sinne der Bürgerinnen und Bürger und wird von der Linken unterstützt.

Allerdings können wir der Bundesregierung eine wichtige Kritik nicht ersparen: Im ursprünglichen Gesetzentwurf haben Sie ohne Not das im deutschen Zivilverfahrensrecht geltende Ausforschungsverbot im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr, insbesondere im Verhältnis zu den USA, aufgegeben, ohne dass dem greifbare Vorteile gegenübergestanden hätten. Es bedurfte erst wieder erheblichen Protestes aus der Zivilgesellschaft und eines Änderungsantrages im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens, um diese Absicht zu vereiteln. Dies ermöglicht uns die Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf in geänderter Fassung.