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Foto: Rico Prauss

Rede von Dietmar Bartsch am 14.12.2016

Rede von Dietmar Bartsch,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Fraktion Die Linke verurteile ich die Terroranschläge vom vergangenen Wochenende in Kairo, in Istanbul und an anderen Orten auf das Schärfste.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie sind durch nichts, durch gar nichts zu rechtfertigen. Sie sind auch durch nichts, durch gar nichts zu relativieren.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist gut, dass die Parteien der Großen Koalition die Herausforderungen für die internationale Politik nach diesen Terroranschlägen hier in einer Aktuellen Stunde debattieren lassen. Ich sehe es allerdings als problematisch an, dass nach dem Willen der Koalition die Lage in der syrischen Stadt Aleppo in dieser Aktuellen Stunde keine Rolle spielen soll. Ich glaube, wir sind am heutigen Tag gefordert, auch dazu ein paar Sätze zu sagen; das ist angesichts der dramatischen Situation notwendig.

Auch hier will ich ausdrücklich klarstellen, dass meine Fraktion die Waffenstillstandsvereinbarung ausdrücklich begrüßt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Es ist ein denkbar schlechtes Zeichen, dass die Kämpfe jetzt wieder aufflammen, weil sich Milizen weigern, sich an die Vereinbarung zu halten, und stattdessen Stadtteile in Westaleppo beschießen. Wir hätten uns gewünscht, dass der UN-Plan zur Evakuierung der Zivilisten und zum Abzug der islamistischen Terrormilizen vonseiten der Bundesregierung frühzeitig unterstützt worden wäre. Wir möchten uns zugleich – auch wenn er nicht da ist – bei Bundesaußenminister Steinmeier für seine diplomatischen Bemühungen ausdrücklich bedanken. Es bleibt aber festzuhalten, dass diese Bemühungen des Bundesaußenministers im Gegensatz zu Teilen der Union stehen, denen, wie Herrn Röttgen, nichts anderes einfällt als Säbelrasseln und Sanktionsdrohungen gegenüber Russland. Wir wissen, dass das niemandem in Aleppo wirklich helfen kann.

Ich will noch einmal kurz auf die beiden Attentate eingehen. Es ist barbarisch, ein Fußballspiel für ein Attentat zu nutzen; das macht einen nahezu sprachlos. Als jemand, der selbst häufig in Fußballstadien ist, von diesem Anschlag liest und dann unscharfe Bilder sieht, kann ich die sehr, sehr unterschiedlichen Reaktionen von Menschen in der Türkei, in Deutschland und auch in Europa nachvollziehen. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten und müssen dabei bleiben: Trotz dieses Wahnsinns dürfen wir unsere offene Gesellschaft nicht kaputtmachen lassen; ansonsten würden die Terroristen gewinnen. Auch deshalb muss im Übrigen völlig klar sein, dass bei der Aufklärung dieser furchtbaren Taten die Grundsätze von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten gewahrt bleiben müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sehe ich, ganz vorsichtig gesagt, gefährdet. Herr Erdogan instrumentalisiert diese nach den Terroranschlägen, um seine Macht weiter auszubauen; ich bin hier voll bei Michelle Müntefering. Das können wir nicht akzeptieren. Hier erwarte ich auch von der Bundesregierung klare Positionen. Es ist gut, dass Parlamentarier aller Fraktionen – von der Union über die Grünen und die Sozialdemokraten bis zu den Linken – auch gestern noch einmal ihre Solidarität mit inhaftierten HDP-Abgeordneten gezeigt haben. Das ist ein richtiges Zeichen aus diesem Haus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Auch das Attentat in Kairo mit vielen toten koptischen Christinnen und Christen – darunter Frauen und Kinder – macht uns vermutlich alle sprachlos. Der IS hat sich dazu bekannt und war es vielleicht auch. Das sagt ein weiteres Mal einiges über diese Wahnsinnigen. Ja, man muss alles tun, um denen das Handwerk zu legen. Vor allen Dingen müssen wir dafür sorgen, dass die Unterstützung der sunnitischen Stämme und anderer Sympathisanten schwindet. Dazu zählt aber auch, dass man mit Geistesverwandten nicht kooperiert. Deswegen kritisieren wir die Sympathiereise der Verteidigungsministerin in die Diktaturen am Golf.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit Ländern, die den islamistischen Terror exportieren, wie Saudi-Arabien und Katar, soll jetzt enger kooperiert werden. Das passt mit dem Bedauern über die Toten in der Kirche nicht zusammen.

(Beifall bei der LINKEN)

Niemand versteht, dass die Bundesregierung Waffen an Staaten liefern lässt und aufs Engste sicherheitspolitisch mit ihnen kooperiert, die auch hier in Deutschland radikal-islamistische, salafistische, antidemokratische Ideologien fördern. Damit gefährden Sie die Sicherheit der Bevölkerung in Deutschland.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen hier eine veränderte Außenpolitik; das ist eben schon gesagt worden. Europa muss ein glaubwürdiger, friedlicher Akteur in der Außenpolitik sein. Wir müssen die Unterstützung der Förderer des islamistischen Terrors stoppen. Das ist das Mindeste, was Sie für die Sicherheit der Bevölkerung in der Region und auch hier in Deutschland tun können. Das ist eine riesige Herausforderung für die Diplomatie; aber sie darf nicht im Interesse von Rüstungsunternehmen konterkariert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht zuletzt: Deutschland sollte seine Chance nutzen, die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats dazu zu bringen, die Verantwortung in der Region in anderer Weise wahrzunehmen. Vielleicht eröffnet das neue Jahr dafür Chancen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)