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Mehr Mittel für die Bekämpfung von Hassrede!

Rede von Clara Bünger,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Liebe Gäste auf den Tribünen! „Dieses verdammte Drecksgesindel“, „Baseballkeule raus und so lange draufhauen, bis sich nichts, aber gar nichts mehr rührt“, „Man sollte dich vergewaltigen“, „Ich werde mir eine Knarre anschaffen“, „Einfach abknallen“ – das sind alles Zitate aus dem Internet, wie wir sie tagtäglich finden können.

Wissen Sie, was genau vor drei Jahren passiert ist? Walter Lübcke wurde von einem Neonazi mit einem Kopfschuss ermordet. Ein Video, in dem er sich für einen solidarischen Umgang mit Geflüchteten ausgesprochen hatte, ging viral und führte über Jahre zu zahlreichen Todesdrohungen im Internet. Am 2. Juni 2019, also heute vor genau drei Jahren, wurde er dann ermordet.

Hass im Internet ist gefährlich

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

und kann zu tödlicher Gewalt in der realen Welt führen. Tagtäglich werden Menschen in den sozialen Medien mit menschenverachtenden Aussagen konfrontiert. Einer Umfrage zufolge erlebten mehr als drei Viertel der in Deutschland lebenden Menschen schon einmal Hass im Netz. Sie werden beschimpft, beleidigt, verächtlich gemacht und sogar mit dem Tode bedroht. Sehr häufig richtet sich Hassrede gegen marginalisierte Gruppen mit dem Ziel, diese herabzuwürdigen und einzuschüchtern.

(Zuruf von der AfD)

Besonders betroffen sind – wenig überraschend – Frauen, die zusätzlich noch vermehrt sexistischen Beleidigungen ausgesetzt sind. Wie häufig musste ich unter Tweets Kommentare mit Aufrufen zur Vergewaltigung lesen!

Natascha Strobl und Jasmina Kuhnke sind Beispiele für einflussreiche Frauen, die sich aus dem Internet zeitweilig zurückziehen mussten oder sogar ihren Wohnort ändern mussten, weil sie und ihre Familien bedroht wurden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen, die so wichtige Arbeit leisten, angegriffen werden und so versucht wird, sie aus dem öffentlichen Diskurs zu verdrängen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was sollte sich also ändern? Es ist nicht zeitgemäß, dass auf Hassreden immer noch keine ausreichenden Konsequenzen folgen. Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität bzw. die Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ist nahezu wirkungslos, wenn die Umsetzung nicht funktioniert. Es beginnt damit, dass Gewalt im digitalen Raum vielfach nicht ernst genommen wird und Ermittlungen gegen Straftaten im Netz gar nicht erst aufgenommen werden – oder unendlich verschleppt werden. Die Täter können oft unerkannt und ohne jegliche Konsequenzen ihren Hass verbreiten. Sie sehen das Internet als rechtsfreien Raum an, in dem sie sich – vermeintlich – ungestraft austoben. Zwar ist das Internet kein rechtsfreier Raum, aber leider viel zu oft ein rechtsdurchsetzungsfreier Raum. Das bedeutet, dass solche Straftaten nicht ausreichend verfolgt werden.

Straftaten, die sich im Internet abspielen, sind nicht an ein Bundesland gebunden. Der Tatort ist das Internet selbst, was in jedem Bundesland das gleiche Internet ist. Es kann nicht sein, dass Täter in einem Bundesland mit einer Straftat davonkommen und in einem anderen für dieselbe Straftat verurteilt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es bedarf hier einer bundesweiten Antwort. Das wurde durch die Sendung des „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann vergangene Woche auch in der breiten Öffentlichkeit bekannt. Dass jetzt auch noch gegen Polizisten wegen Strafvereitelung ermittelt wird, macht die ganze Misere noch mal deutlich und zeigt: Hier muss viel mehr passieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Internet ist eben kein Neuland mehr, und das sollte auch für die Justiz und für die Polizeibehörden langsam klar sein. Hasskommentare dürfen weder verharmlost noch länger hingenommen werden, geschweige denn als Kavaliersdelikt abgetan werden.

Es müssen dringend mehr Mittel für Schulungen zur Verfügung gestellt werden, um den Hass und die Straftaten im Internet effektiv zu bekämpfen,

(Beifall bei der LINKEN)

so wie es auch die Kollegin von der SPD gerade angedeutet hat. Die Möglichkeiten für Onlineanzeigen müssen ausgebaut und besser zugänglich gemacht werden. Es muss möglich sein, auch anonym Anzeige zu erstatten. Opferberatungsstellen fordern das alles übrigens schon sehr lange. Hasskommentare im Internet müssen von der Polizei und der Justiz genauso als reale Bedrohungen wahrgenommen werden wie Beleidigungen und Bedrohungen in der realen Welt.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darüber hinaus müssen die Opfer von Hassrede viel besser geschützt werden. Es braucht eine bessere finanzielle Ausstattung der Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt. Außerdem kann es nicht sein, dass die Betroffenen auf der Polizeiwache ein zweites Mal – –

(Martin Reichardt [AfD]: Wie ist das eigentlich mit Ihrer Forderung, Reiche zu erschießen? Ist die eigentlich schon vom Tisch, oder ist die noch aktuell? – Gegenruf der Abg. Amira Mohamed Ali [DIE LINKE])

– Ja, Sie fühlen sich angesprochen, und das ist richtig so.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie sind der Grund, dass wir häufig Taten auch in der realen Welt erleben.

(Martin Reichardt [AfD]: Sie wollen doch Reiche erschießen! Ist doch so!)

Viele Täter rechter, rassistischer, antisemitischer und sexistischer Beleidigungen im Internet sind viel zu lange verschont geblieben. Daran muss sich dringend etwas ändern.

(Robert Farle [AfD]: Stimmt doch überhaupt nicht! – Enrico Komning [AfD]: Sie wollen doch Reiche erschießen! Sie wollen Reiche erschießen! – Weiterer Zuruf von der AfD: Dürfen Reiche erschossen werden? Das wollen Sie doch! – Gegenruf der Abg. Amira Mohamed Ali [DIE LINKE])

– Gut, dass Sie sich angesprochen fühlen! – Ihr Verhalten darf nicht länger straflos sein, und dafür braucht es effektiveren Schutz und mehr Mittel auch im Bundeshaushalt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: 1 Prozent der Reichen erschießen!)