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Rechtstaatlickeit ist wichtiger als Kabinettsdisziplin

Rede von Roland Claus,

Rede von Roland Claus, Haushaltspolitischer Sprecher und Ostkoordinator der Fraktion DIE LINKE, in der Debatte zum Haushalt des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz am 25. November 2014

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Bundesminister Maas, unsere Kritik am Justizetat fällt traditionell maßvoll aus, aber sie fällt natürlich nicht gänzlich aus. Wesentlich kritischer sehen wir dann schon den Bereich Verbraucherschutz. Dem Haushalt für das Bundesverfassungsgericht werden wir zustimmen.

Herr Minister, Sie strahlen es ja ganz deutlich aus, dass für Sie die Koalition so etwas wie eine Zwangsehe ist. Wir nehmen natürlich wahr, dass Sie mit sehr viel konservativem Justiz- und Rechtsverständnis umgehen müssen. Deswegen begleitet Sie hin und wieder auch unser Respekt; aber wir meinen, da ist noch sehr viel Luft nach oben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Jahr Große Koalition ist nun um. Ihre Probezeit, Herr Minister, ist also längst vorüber. Deshalb sagen wir: mehr Justizcourage an den Tag legen, aber immer in dem Sinne, den Leuten Mut und nicht Angst zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sagen wir auch: Rechtsstaatlichkeit ist uns wichtiger als Kabinettsdisziplin.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Dezember dieses Jahres soll Edward Snowden der Alternative Nobelpreis verliehen werden; das ist gut so. Seine nach Stuttgart übertragene Rede vom Sonntag ist, glaube ich, für uns alle ein Lehrstück in Sachen Rechtsverständnis.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Seine Story, der Film Citizenfour, läuft zeitweilig im Kino. Zeitlos verläuft weiterhin die Beobachtung durch die amerikanische Sicherheitsagentur, auch während dieser Debatte, meine Damen und Herren. Ich sehe hier zahlreiches technisches Gerät, und mit Ausnahme der Bundeskanzlerin sind wir ja alle Gegenstand dieser Observierung. Und wie verhält sich die Regierung? Wie in dem berühmten Bild: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. - Wir sagen Ihnen dazu: Unterwürfigkeit hat in einer Partnerschaft noch nie Nutzen gebracht. Das muss beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, Sie haben einen Gesetzentwurf mit dem Ziel vorgelegt, die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ rechtlich umzusetzen. Für die Linke hat meine Kollegin Martina Renner den Gesetzentwurf in der Debatte als eine „gefährliche Symbolpolitik“ charakterisiert, also als sehr unzureichend. Gegenüber dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ haben bekanntlich viele versagt; aber es war auch ein gigantisches Justizversagen. Wir müssen daraus endlich Schlussfolgerungen ziehen. Den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses, Herr Minister, haben Sie allenfalls buchstabengerecht, nicht aber dem Geiste nach entsprochen.

(Beifall bei der LINKEN)

Jüngste Umfragen zum Jahrestag des Mauerfalls haben übrigens eines ergeben, nämlich dass das Vertrauen in das Funktionieren des Rechtsstaates besonders im Osten unserer Republik erschüttert ist. Das muss uns allen doch zu denken geben. Ich glaube, wir alle wollen die Idee vom Rechtsstaat bewahren. Ich glaube aber auch: Wer die Idee vom Rechtsstaat bewahren will, muss diese Idee neu denken.

(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak (DIE LINKE))

Es bedarf daher endlich einer Justizreform, die diesen Namen auch verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will zum Abschluss einen Vorgang beschreiben, der zeigt, wie eine wundersame parlamentarische Arbeitsteilung zwischen Koalition und Opposition in Einzelfällen funktionieren kann.

Zu dem Etat des Justizministers gehört auch das Patentamt mit seinem Hauptstandort in München und einem kleineren Standort in Jena. Ich habe hier in der ersten Lesung den Vorschlag unterbreitet, für das Patentamt mehr Mittel in den Haushalt einzustellen, ihm mehr Geld zu geben, damit es mehr Leistungen erbringen kann, was letztendlich wiederum zu mehr Einnahmen führt. Ich fand das ausgesprochen plausibel.

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Wir auch!)

Die Reaktion der Koalition war, wie ich sie schon erwartete: Alles Mist, was die Opposition hier erzählt!

(Dennis Rohde (SPD): Wir haben das Gleiche gesagt wie Sie!)

Danach ist die Koalition intern aber ins Grübeln gekommen und hat vielleicht festgestellt: Es war ja nicht alles schlecht, was die Opposition da gesagt hat. ‑ Was konnte sie jetzt tun? Sie konnte natürlich nicht den Antrag der Linken eins zu eins übernehmen.

(Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Ernsthaft? Oder ist das eine Märchenstunde?)

‑ Das ist ernsthaft passiert. Das ist eine ernsthafte Beschreibung eines parlamentarischen Vorgangs. Sie müssen es jetzt aushalten, dass ich Ihnen das erkläre.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Koalition hat also ihren ganzen Mut zusammengenommen und sogar noch mehr Mittel, als die Linke gefordert hat, eingestellt. Darüber freuen wir uns.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Fazit ist doch einfach toll: Dem Ministerium wurde geholfen, die Koalition hat ihr Gesicht gewahrt, die Linke ist hochzufrieden, aber nicht aufgrund von Rechthaberei, sondern wegen der Wirkung; denn die Gewinnerinnen und Gewinner dieser Entscheidung sind junge Erfinder, Start-up-Unternehmen, kleine und mittelständische Unternehmen, weil ihr Patent schneller und sicherer zur Vermarktung kommt.

Ich stelle deshalb nicht ganz selbstlos fest: Innovation, Mittelstand, kleine und mittelständische Unternehmer und Linke passen gut zusammen. Wenn sich das herumspricht, meine Damen und Herren - aber dann!

(Beifall bei der LINKEN ‑ Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Meinen Sie das wirklich?)