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Rechtsstaatlich unzuverlässig!

Rede von Wolfgang Neskovic,

Die SPD hat eine große rechtsstaatliche Tradition. Doch Frau Justizministerin Zypries pflegt dieses Erbe ihrer Partei nicht. Anstatt sich den Sicherheitswahnvorstellungen des Innenministers Schäuble endlich entschieden entgegenzustellen, verwaltet sie nur technokratisch ihren Machterhalt. Mit großen Traditionen aber verhält es sich wie mit alten Gemälden: Pflegt man sie nicht beständig, verkommen sie sehr schnell.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Dr. Gehb, recht herzlichen Dank, dass Sie mich so freundlich annonciert haben. Da die Zeit nun fortgeschritten ist, könnte es dazu führen, ein wenig kuschelig mit der Ministerin und ihrer Politik umzugehen. Da Sie von mir sicherlich keine kuschelige Rede erwarten, werde ich Sie in Ihrer Hoffnung auch nicht enttäuschen, sondern gleich an einen Vorwurf anknüpfen, den ich in meiner letzten Rede erhoben habe.

Frau Ministerin, ich habe Ihnen vorgeworfen, dass Sie wirklich keine Bremserin von Herrn Schäuble sind, sondern dass Sie gemeinsam mit ihm in die falsche Richtung fahren: im Zweifel für die Sicherheit und nicht für die Freiheit.

In der Süddeutschen Zeitung vom 21. November heißt es hierzu: "Auch bei der SPD dominieren in der Innen- und Rechtspolitik die Innenpolitiker, für die Sicherheit stets den Vorrang vor Freiheit hat. Justizministerin Brigitte Zypries, die ehemalige Staatssekretärin Schilys, stammt auch aus dieser Denkschule und ist von daher kein gleichrangiges Gegengewicht zu Schäuble und seinen orwellhaften Vorstellungen vom Staat."

So schnell, Frau Zypries, wird unsere Einschätzung Ihrer Politik bestätigt.

Ein weiterer Vorwurf, den ich erhoben habe, war: Das Personaldilemma der SPD schlägt sich in den Personen Steinbrück, Steinmeier und Zypries in prägnanter Weise nieder. Sie stehen für den Typ Politikbeamte und Technokraten. Was ist das Wesen des Technokraten? Kein Herzblut, keine inhaltlichen Überzeugungen und keine politischen Visionen.

An der Stelle der Macht der Visionen tritt nur noch die Vision von der Macht. Die politischen Inhalte sind nur ein Mittel, ein Instrument zum Machtgewinn und zum Machterhalt.

Die Reaktion auf meine Rede und auf diesen Vorwurf war erstaunlich: Frau Zypries grüßt mich nicht mehr. Diese Form des Beifalls ist bemerkenswert, aber nicht bedeutsam. Bedeutsam ist vielmehr, dass Frau Zypries einen bemerkenswerten Eifer an den Tag legt, ihre Kritiker durch immer neue Aktionen zu bestärken.

Jüngstes Beispiel - Herr Ströbele hat es schon angeführt -: ist die Einigung innerhalb der Koalition zum Bundeswehreinsatz im Innern. Gemeinsam mit Herrn Steinmeier haben Sie sich im Wesentlichen den Begehrlichkeiten von Herrn Schäuble unterworfen. Herr Steinmeier verkündete dann im besten Technokratendeutsch, die Einigung belege die "Handlungsfähigkeit der Koalition". Kein Wort zum Inhalt. Das einzig Entscheidende ist also nur die "Handlungsfähigkeit der Koalition".

Das ist das beste Technokratendeutsch. Doch auch Technokraten beherrschen manchmal nicht ihr Geschäft. Frau Zypries, Sie vergaßen die Abstimmung mit Ihrer Fraktion. Sie wurden von dieser auch zurückgepfiffen und standen sehr blamiert da. Was machen Technokraten angesichts einer solchen Situation? Natürlich, sie reagieren technokratisch. Sie setzen dem Ganzen noch die Krone auf, indem Sie sich, Frau Zypries, als Leiterin einer Arbeitsgruppe installieren lassen, die einzig und allein die Aufgabe hat, das mit Steinmeier erarbeitete Ergebnis wieder einzusammeln.

Das ist wirklich ein Stück aus dem Tollhaus. Das ist nicht Realpolitik, sondern Realsatire.

Aber auch das BKA-Gesetz belegt den Kotau vor Herrn Schäuble und erneut das Verhalten von Technokraten. Entgegen den Bedenken vieler Fachleute, insbesondere des ehemaligen Staatssekretärs aus dem Justizministerium Herrn Professor Geiger haben Sie, Frau Zypries, dem BKA-Gesetz zugestimmt. Dies ist ein Gesetz, das Herrn Schäuble einen ungeheuren Machtzuwachs sichert und das mit wesentlichen rechtsstaatlichen Prinzipien bricht. So wird das Bundeskriminalamt zukünftig die Kompetenzen von Geheimdiensten und Polizei unter einem Dach besitzen. Damit wird gegen das rechtsstaatliche Trennungsgebot verstoßen. Auch der Kernbereichsschutz ist verfassungswidrig geregelt. Aber auch hier die gleiche Inszenierung für die Technokratentruppe Zypries und Steinmeier wie beim Bundeswehreinsatz, diesmal aber mit anderen Akteuren.

Diesmal waren es die Landesverbände der SPD, die die Bauchlandung für diese Technokraten-Truppe organisieren. Gut, dass es gelegentlich noch Sozialdemokraten gibt, die sich daran erinnern, dass es in der Anatomie einer Partei etwas gibt, das man Rückgrat nennt. Herz und Rückgrat sind die Elemente, die für die Zukunft einer Partei überlebensnotwendig sind. In Ihrer Politik, Frau Zypries, sind solche Wesenselemente nicht erkennbar. Sie stehen nicht in der rechtsstaatlichen Tradition eines Adolf Arndt, eines Hans-Jochen Vogel, eines Herbert Schnoor oder einer Frau Herta Däubler-Gmelin.

Die SPD ist - das sage ich an die Adresse der Kollegen - rechtsstaatlich unzuverlässig geworden.

Ich teile deswegen ausdrücklich die Auffassung des Autors aus der Süddeutschen Zeitung in dem eingangs zitierten Artikel, der dazu auffordert, die SPD müsse sich endlich auf ihre rechtsstaatlichen Traditionen besinnen. Mit Ihnen, Frau Zypries, wird das nicht möglich sein. Ich erinnere dabei nur an das Strafvollzugsgesetz. Ein Kleinod sozialdemokratischer Rechtspolitik wird mit der Föderalismusreform einfach über Bord geworfen. Frau Zypries, ich würde Ihnen wünschen, dass Sie wirklich einmal in die Werke Adolf Arndts und anderer gucken, die ich zitiert habe. Ich glaube, dann hätten wir eine bessere Rechtspolitik der SPD.

Vielen Dank.