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Raumfahrtpolitik und Weltraumforschung friedlich, international und kooperativ gestalten

Rede von Thomas Lutze,

Thomas Lutze (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Raumfahrt ‑ ohne Zweifel ‑ fasziniert. Kaum ein anderes Forschungsfeld steht so für Visionen und Fortschritt wie die Weltraumforschung. Raumfahrt steht für neue, sagenhafte Erkenntnisse. Raumfahrtforschung steht für ganz neue Perspektiven. Gestatten Sie mir deshalb, dass ich mich anhand von drei Punkten zu Ihrem Antrag kritisch äußern muss und ihn kritisch hinterfragen möchte.

Erster Punkt. Wissenschaft sollte in der heutigen Zeit nicht mehr von Staatsangehörigkeit, Patriotismus oder propagandistischen Interessen beeinflusst sein. Spätestens 20 Jahre nach Ende des Kalten Krieges sollten wir zumindest dieses Kapitel schließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die internationale Zusammenarbeit kommt aber im Antrag der Koalition zu kurz. Ich spreche hier nicht von unserer Zusammenarbeit im Rahmen der ESA, sondern von der Zusammenarbeit mit anderen Weltraumnationen. Das wären neben Europa zum Beispiel die USA, Russland, China, mittlerweile auch Indien und andere Staaten. Im Weltall gibt es keine Grenzen. Ich glaube, dass es auch in der Weltraumforschung keine Grenzen geben darf.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Koalition will eine Raumfahrt, die stärker auf Nutzen, Bedarf, Nachhaltigkeit ausgelegt ist. Verstärken Sie bitte die internationale Kooperation, wenn Sie ernsthaft nachhaltig arbeiten wollen!

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zweiter Punkt. Zum fortschrittlichen Umgang mit Wissenschaft zählt auch, dass moralische Standards nicht außer Acht gelassen werden. Als Linksfraktion wollen wir nicht, dass staatliche Gelder dazu aufgebracht werden, zum Beispiel Rüstungskonzerne bei der Entwicklung von Technologien im Raumfahrtbereich zu unterstützen. Leider ist es so, dass ursprünglich friedliche Entwicklungen auch von der Rüstungsbranche genutzt werden. Aber die staatliche Förderung muss ausnahmslos im Interesse des Friedens und zum Wohl der Menschen erfolgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dritter Punkt. Ein großes Problem sehe ich bei folgenden Äußerungen im Antrag der Großen Koalition ‑ ich darf zitieren ‑:

Die hohen Kosten für die Raumfahrt sind nur durch einen hohen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen oder kommerziellen Nutzen zu rechtfertigen. Das erfordert

- und jetzt kommt es -

eine klare Ausrichtung der Raumfahrt auf Nutzen und Bedarf ...

Herr Riesenhuber wird nach mir reden und kann das vielleicht bestätigen: So funktioniert Wissenschaft nicht. Forschungsprojekte an dem aktuellen, kurzfristigen Innovationsbedarf auszurichten und noch dazu von den Kosten abhängig zu machen, führt zu einer Kapitalisierung von Forschung, Wissenschaft und Bildung. Wenn nur noch Projekte gefördert werden, deren Nutzen von vornherein abzusehen ist, werden mögliche, eventuell sogar revolutionäre Entdeckungen unmöglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Staat darf Wissenschaft nicht einfach als Mittel zur Profitmaximierung betrachten. Er muss sie als treibende Kraft des kulturellen Fortschritts verstehen. Wenn wir uns nicht trauen, Rückschläge in Kauf zu nehmen, wird auch jeder wissenschaftliche Fortschritt ausbleiben. Forschergeist braucht Freiheit und keine Grenzen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Revolutionäre Entdeckungen, die die Grundsteine für nahezu die gesamte heutige Forschung gelegt haben, wären in der Vergangenheit so nicht gemacht worden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich nicht von einem Kosten-Nutzen-Verhältnis einengen lassen. Ihr Motto war immer, Licht ins Dunkel des Universums zu bringen.

Selbstverständlich lassen sich in der Realität nicht alle Träume verwirklichen. Trotzdem: Wir brauchen den guten alten Entdeckergeist. Den dürfen wir nicht durch zwanghaften Effizienzeifer kaputtmachen lassen.

Aus meiner Sicht muss die Zukunft der Raumfahrt und der Weltraumforschung friedlich, international, kooperativ und dem menschlichen Fortschritt verpflichtet sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Wirtschaft daraus einen Nutzen ziehen kann, dann ist das gut so. Das darf aber nicht alleine unser Handeln bestimmen, so wie es im Antrag der Koalition zum Ausdruck kommt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)