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Ralph Lenkert: Gentechnik – Segen und Fluch zugleich

Rede von Ralph Lenkert,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Niemand kann die komplexe Entwicklung in Wissenschaft, Forschung und Technologie überschauen. Hätten Sie vor zehn Jahren die Möglichkeit von Smartphones erahnt? Und hätten Sie erahnt, dass Wikipedia für viele zum mobilen Brockhaus wird?

Warum hole ich so weit aus? Zur Debatte steht ein Bericht über die Technikfolgenabschätzung bei Synthetischer Biologie. Deren Möglichkeiten und Chancen werden von den Beratern des Bundestages im Büro für Technikfolgen-Abschätzung, dem TAB, dargestellt. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft dagegen lassen sich nur erahnen.

Worum geht es? Ich zitiere aus der Definition für Synthetische Biologie:

"Mit Synthetischer Biologie wird die Herstellung von am Reißbrett entworfenen und konstruierten Zellen und Organismen bezeichnet. Charakteristische Forschungsansätze sind die Herstellung kompletter synthetischer Genome, die Konstruktion sogenannter Minimalzellen sowie der Einsatz nichtnatürlicher Zellen."

Die technischen Methoden dafür sind bereits entwickelt und werden unter dem Begriff „Gene Editing“ zusammengefasst. Schon heute kann man Gene – auch komplett in mehrzelligen bzw. vielzelligen Organismen – gezielt austauschen oder verändern. Vielleicht wird man so in wenigen Jahren Aids, Krebs oder Erbkrankheiten heilen. Aber vielleicht designen manche Eltern ihr Wunschbaby, indem sie Größe, Haar- und Augenfarbe sowie weitere Merkmale bestimmen. Vielleicht kann man dann Fleisch ohne Tierhaltung produzieren. Und vielleicht werden auch neue Pflanzen und Tiere kreiert. Wenn Sie dies als reine Science-Fiction abtun, dann lesen Sie die TAB-Berichte 164, 168 oder 169, welche die vorhandenen Möglichkeiten beschreiben.

Die Labortechnik für viele synthetische Biologieverfahren – wie beispielsweise „Gene Editing“ – ist preiswert. Für ein paar 1 000 Dollar können Sie diese erwerben – frei käuflich. Synthetische Biologie hat zwei Seiten. Positives sehen wir zum Beispiel in der Medizin, wenn bisher unheilbare Krankheiten behandelt werden können und wenn Insulin für Patienten verträglicher und ohne Leid für Schweine aus genveränderten Bakterien gewonnen werden kann. Die Risiken aber sind groß, sei es, weil Tausende von Do-it-yourself-Biohackern in Hinterzimmern und Garagen an Technik für Genmanipulation – und damit an Genveränderungen – arbeiten und eventuell ungewollt Unfälle passieren, sei es, wenn Geheimdienste, Armeen und Terroristen weltweit diese Möglichkeiten als Kampfmittel einsetzen wollen, oder sei es, wenn skrupellose Geschäftemacher diese Techniken rücksichtslos zur Profitsteigerung einsetzen.

Wenn ich all dies betrachte, glaube ich, dass Verbote nicht durchsetzbar sind. Also schlage ich vor, Synthetische Biologie bestmöglich zu regulieren.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für Synthetische Biologie ist das Gentechnikgesetz anzuwenden. Gentechnik in der Landwirtschaft bleibt verboten. Der Verkauf, Handel und Besitz von Anlagen und Geräten für „Gene Editing“-Verfahren sind – wie Waffenhandel und Waffenbesitz – zu regulieren. Patente auf Lebewesen werden nicht erteilt.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Bürgerinnen und Bürger, wir stehen erst am Anfang einer Debatte über eine sich rasant entwickelnde Technik. Lassen Sie uns die Chancen erhalten und die Risiken minimieren.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)