Zum Hauptinhalt springen

Projekte gegen Rechts brauchen eine bessere Förderung

Rede von Michael Leutert,

Rede zum Haushalt 2015 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2./3. Lesung)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Zuallererst möchte ich mich als Hauptberichterstatter natürlich bei meinen Mitberichterstattern Ulrike Gottschalck von der SPD, Ekin Deligöz von den Grünen und Alois Rainer von der Union bedanken. Ich glaube, wir haben in den letzten Wochen eine gute, sachorientierte und faire Zusammenarbeit gehabt, die meines Erachtens vor-bildhaft für den politischen Raum ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte es ebenfalls nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass wir eine Sache gemeinsam geschafft haben, über die ich mich sehr freue:

 Wir werden alle Bildungszentren des Bundes einschließlich Sondershausen erhalten können, und zwar mit Personal. Das ist ein hervorragendes Ergebnis, was ich hier noch einmal unterstreichen möchte. Wir haben das Geld. Wir haben eine Konzeption. Das Ministerium muss das jetzt umsetzen. Dann können wir uns im nächsten Jahr über die Ergebnisse unterhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Allerdings ist das Ganze an einem anderen Punkt, den ich jetzt ansprechen möchte, nicht so gut gelaufen. Damit meine ich das Programm „Demokratie leben!“, also das Programm, aus dem wir die Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit finanzieren. Der Regierungsentwurf sah dafür ungefähr 30 Millionen Euro vor. Wir haben diese Summe in den Haushaltsverhandlungen auf 40 Millionen Euro erhöht. Trotzdem reicht das Geld nicht aus. Die Linke hat 50 Millionen Euro vorgeschlagen. Das ist auch die Summe, mit der die SPD im Wahlkampf aufgetreten ist. Wir haben das Ziel nicht erreicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus aktuellem Anlass sage ich: Wir beschäftigen uns hier schon lange mit den Themen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Wir werden uns leider auch noch länger damit beschäftigen müssen. Der NSU-Skandal hat gezeigt, über welche Dimensionen, welche Ausmaße wir hier sprechen. Die Empfehlungen der Untersuchungsausschüsse sind ganz klar: Wir müssen mehr tun, damit die Zivilgesellschaft gestärkt wird, um gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen. Das heißt aber auch: Wir brauchen mehr Geld dafür.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Leider hat sich in Deutschland seit einigen Monaten die Stimmung dramatisch verändert. Das hat et-was mit den steigenden Asylbewerberzahlen zu tun, mit den Flüchtlingen, die wir aus den Bürgerkriegsländern aufnehmen. Der gemeinsame Aufmarsch von Hooligans und Nazis in Köln hat das ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Aber nicht nur dort, sondern auch bei mir im Wahlkreis finden immer öfter Veranstaltungen statt, bei denen sich Bürgerinnen und Bürger in meines Erachtens erschreckender Weise über Flüchtlinge äußern. Die Zahl der Demonstrationen gegen Flüchtlinge nimmt zu, und die Bürgerinnen und Bürger, ob bewusst oder unbewusst, nehmen daran teil, Seite an Seite mit Nazis. Am Montag dieser Woche waren es 6 000 Demonstranten in Dresden. Dieser Aufmarsch erinnert sehr an die größten Naziaufmärsche Europas, die in Dresden stattgefunden haben. Sachsens Innenminister Ulbig hat vor drei Tagen eine Sondereinheit der Polizei gegen kriminelle Asylbewerber vorgeschlagen. Damit ist uns in dieser Situation überhaupt nicht geholfen. Damit wird noch Öl ins Feuer gegossen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Susann Rüthrich [SPD] und Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Allerdings muss ich sagen: Dazu muss man nicht Innenminister sein. Ich habe gerade bei Spiegel Online gelesen, dass Kollege Grass vorgeschlagen hat, man sollte über Zwangseinquartierungen von Flüchtlingen in deutschen Wohnstuben nachdenken. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das ist eine Art der Panikmache, die niemandem weiterhilft. Aber der Kollege Grass ist ja hin und wieder auch für Skandale bekannt.

Schauen wir uns einmal die Zahlen an. Da Herr Ulbig auf die Kriminalitätsrate unter Asylbewerbern hingewiesen hat, möchte ich auf folgende Statistik hinweisen: In Deutschland gab es bis Ende September 7 753 politisch motivierte Straftaten von rechts, darunter 358 Gewaltdelikte mit 275 Verletzten. Es gab im Übrigen nur drei Haftbefehle. Allein in diesem Jahr gab es 23 Brandanschläge auf Flüchtlingsheime und 194 Kundgebungen bzw. Demonstrationen, wie ich sie gerade am Beispiel von Dresden beschrieben habe. Da gibt es natürlich einen Zusammenhang. Dass das eine das andere irgendwie bedingt, liegt ja auf der Hand. Zum Beispiel gab es in Plauen allein im September dieses Jahres sieben Angriffe gegen Flüchtlinge. Einer der Flüchtlinge erlitt so schwere Schnitt- und Stichverletzungen, dass er zehn Tage stationär behandelt werden musste. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so etwas passiert in Sachsen, einem Bundesland, in dem der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund nicht einmal 2,5 Prozent beträgt. Das muss man sich einmal überlegen. Das ist nicht bloß irre, was dort passiert, das ist einfach gefährlich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man muss sich einmal fragen, was in diesem Bundesland passiert, wenn der Bundesdurchschnitt von 8 Prozent erreicht wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt in unserer Verantwortung, etwas zur Prävention beizutragen, und zwar jetzt und nicht erst, wenn es für die Prävention zu spät ist, wenn Justiz und Polizei eingreifen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sind die Projekte und Initiativen gegen Rechtsextremismus und Rassismus – die mobilen Beratungsteams, die Opferberatungen – so wichtig für uns; sie entstehen aus der Zivilgesellschaft heraus. Diese Projekte und Initiativen brauchen eine verlässliche Finanzierungsgrundlage; und wenn das anders nicht geht, brauchen wir notfalls ein Gesetz dafür.

(Beifall bei der LINKEN)

Derzeit geben wir für diese Projekte und Initiativen auf Bundesebene 40 Millionen Euro aus. Das entspricht pro Einwohner 50 Cent im Jahr. Ich finde, diese Präventionsarbeit sollte uns mehr wert sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich glaube, 1 Euro pro Einwohner kann man pro Jahr für diese Präventionsarbeit durchaus bezahlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland hat sich für eine Erhöhung auf mindestens 70 Millionen Euro ausgesprochen.

Noch ein Satz zum Schluss: Der Verfassungsschutz, der beim NSU-Skandal erbärmlich versagt hat, bekommt dieses Jahr 231 Millionen Euro. Das ist ein Aufwuchs von 21 Millionen Euro.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Wenn man wenigstens diesen Aufwuchs von 21 Millionen Euro in die Präventionsarbeit gesteckt hätte, dann wäre die Zivilgesellschaft gestärkt worden. Dort wäre das Geld wesentlich besser angelegt als beim Verfassungsschutz.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)