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Privatisierung der Post zurücknehmen

Rede von Michael Schlecht,

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich noch einmal kurz auf das eingehen, was hier an abenteuerlichen, weltfremden Formulierungen geliefert worden ist. Die Postbranche ist ein Beispiel dafür, wohin es führt, wenn auf Teufel komm raus privatisiert und dereguliert wird. Es gibt menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und einen immer größer werdenden Druck auf die Löhne, so wie wir in den letzten 10, 15 oder 20 Jahren in vielen anderen Bereichen eine massive Politik gegen die Beschäftigten, gegen das Volk vorgefunden haben.
Heute ist im Übrigen ein Tag, an dem diese Politik eine neue Etappe eingeleitet hat; denn seit heute wird Politik gegen das Volk nicht nur durch Gesetze gemacht, sondern seit heute wird Politik gegen das Volk durch den Einsatz von Bundespolizei gemacht, die Bürgerinnen und Bürger niedergeknüppelt, so wie heute in Stuttgart. (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) – Seien Sie ruhig, ich bin jetzt dran!
In Stuttgart sind heute von Ihrer Bundespolizei bis zur Stunde über 300 Leute niedergeknüppelt und krankenhausreif geschlagen worden, sie sind verletzt worden. Es ist eine vollkommen neue Qualität, dass hier in autoritärer Weise vonseiten der Politik, von Ihren Parteifreunden in einer hochaggressiven Weise gegen die Stuttgarter Bevölkerung vorgegangen wird. Sie werden aber über kurz oder lang noch zur Rechenschaft gezogen; das sage ich Ihnen.
In der Post gibt es mittlerweile die Situation, dass Briefträgerinnen und Briefträger immer größere Mengen zustellen müssen, und zwar nicht nur bei den Privaten, sondern auch bei der Post AG. In Hamburg müssen die Briefträger – ich habe gestern noch mit Kollegen telefoniert, die dort tätig sind – mittlerweile am Samstag zusätzlich zu der normalen Post fünf bis acht Zentner austragen.
Viele Kolleginnen und Kollegen dort gehen mittlerweile auf dem Zahnfleisch. Ab 50 sind die meisten ziemlich fertig. Wenn sie von der Rente mit 67 hören, so ist das für sie mehr als blanker Zynismus.
Richtiger Druck entstand erst nach der Privatisierung und auch mit der Agenda 2010. Selbst bei der Post AG gibt es mittlerweile nur noch befristete Arbeitsverhältnisse.
Mit der stückchenweisen Zulassung der Privaten wurde der Druck auf die Löhne immer größer. Es gibt Postbereiche, in denen nur noch Stundenlöhne von 4,50 Euro gezahlt werden, weil es mittlerweile ein hochgradiges System von Subunternehmertum gibt, bei dem am Ende dann ein Solounternehmer mit seinem Privat- Pkw die Post ausfahren bzw. die Briefkästen leeren kann.
Diese Entwicklung hatte ihren Ausgangspunkt Mitte der 90er-Jahre, als privatisiert wurde. Damals ist die SPD umgefallen. Sie hat sich sozusagen gegen die Gewerkschaften gestellt und hat die Privatisierung mitgetragen. Ausgangspunkt war darüber hinaus noch die Agenda 2010, die viele deregulierende Maßnahmen mit sich brachte, unter denen die Beschäftigten bei der Post noch heute leiden.
Die Antwort auf diese Entwicklung ist vollkommen klar: All das muss zurückgedreht werden. Die Post muss wieder in öffentliche Trägerschaft. Es muss dafür gesorgt werden, dass bei der Post anständige Löhne gezahlt werden. Herr Kollege Barthel hat eben ein paar Beispiele von vor 20 Jahren gebracht. Das wäre das Bild, zu dem wir wieder zurückkehren müssten.
Die ersten wichtigen Stufen müssen aber sein, dass ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt und vor allen Dingen – die jetzige Koalition wehrt sich dagegen – zumindest für die Beschäftigten ein Branchenmindestlohn eingeführt wird, damit die menschenunwürdigen Verhältnisse, die dort zu verzeichnen sind, ein Ende haben.