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Pia Zimmermann: Pflegeberufe: Regierung vergeigt Reform

Rede von Pia Zimmermann,

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition! Mit dem Pflegeberufereformgesetz haben Sie große Erwartungen geweckt. Sie haben eine Reform der Pflegeberufe versprochen. Tatsächlich haben Sie jetzt ein großes Durcheinander vorgelegt, und Sie nennen das auch noch „Kompromiss“. Ja, und tatsächlich ist es ein Kompromiss, aber auf rein politischer Ebene. Mit Fachlichkeit hat diese Gesetzesvorlage jedenfalls nicht viel zu tun, und eine Reform ist es schon gar nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor über einem Jahr haben Sie uns einen Gesetzentwurf vorgelegt. Monatelang haben Sie nicht nur uns, sondern vor allen Dingen auch die Betroffenen, also die Schulen, die Auszubildenden, am Ende auch die Menschen mit Pflegebedarf und deren Angehörige, im Regen stehen lassen. Kein Bild, kein Ton – meine Damen und Herren, so geht das nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Was Sie jetzt im Eilverfahren vorgelegt haben, verbessert gar nichts. Das wissen Sie offenbar selbst; denn Sie haben eine bereits terminierte Anhörung mit den Stimmen der SPD abgesagt.

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Zehn Jahre Eilvorlage!)

Zwölf Stunden vor den Beratungen haben Sie uns 46 Änderungsanträge auf 81 Seiten vorgelegt, die bereits 14 Tage vorhanden waren. Nennen Sie das einen demokratischen Prozess? Ich nicht!

(Beifall bei der LINKEN – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Inzwischen haben Sie Ihr eigenes Gesetz so sehr verändert, dass nicht einmal mehr Ihre einstigen Unterstützerinnen und Unterstützer sich damit noch identifizieren können. Ich habe Ihnen einige Zitate von Verbänden mitgebracht, die normalerweise Ihre Positionen vertreten:

"Dieser Alternativvorschlag ist berufspolitisch rückständig und pädagogisch unsinnig."

Das sagt der Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe.

Bereits jetzt ist absehbar,

"dass die Kapazitäten für bestimmte Ausbildungsabschnitte nicht flächendeckend zur Verfügung stehen."

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Woher wissen die denn das?)

"Das birgt die Gefahr, dass sich die Ausbildungszeit verlängert und der Fachkräftemangel eher verstärkt wird."

Das sagt der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Der disqualifiziert sich selber!)

"Nach einem unvorstellbaren Gewürge gibt es jetzt einen Kompromiss von Union und SPD."

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Politik lebt von Kompromissen, Frau Kollegin!)

"Unsere Befürchtung bleibt: Dank dieses bürokratischen Kuddelmuddels werden Unternehmen weniger ausbilden. ... Die alten Menschen und die Altenpflege werden zum Opfer dieser Reform."

Das sagt der Arbeitgeberverband Pflege.

(Petra Crone [SPD]: Auf die Seite würde ich mich auch schlagen! Sehr erstaunlich! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich sage, meine Damen und Herren: Deutlicher geht es nicht mehr.

Dieses Gesetz macht die Pflegeausbildung nicht attraktiver. Im Gegenteil: Durch die Unübersichtlichkeit der verschiedenen Ausbildungsgänge und -abschlüsse wird kaum noch jemand wissen, wofür sie oder er sich entscheiden soll. Angesichts der schlechten Arbeitsbedingungen, der geringen Bezahlung und der katastrophalen Personalsituation gibt es dann nicht mehr viele Gründe, sich überhaupt noch für den Pflegeberuf zu entscheiden.

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz wertet den Pflegeberuf auch nicht auf. Im Gegenteil: Es wird dazu führen, dass die Altenpflege weiter abgehängt wird, statt dass sie gefördert wird. Es wird im schlimmsten Fall sogar zu einer Deprofessionalisierung der Pflegekräfte in allen Bereichen führen,

(Maria Michalk [CDU/CSU]: So ein Unsinn!)

weil die fachlichen Kompetenzen der verschiedenen Pflegeberufe nicht gestärkt werden.

Dieses Gesetz verbessert die Ausbildungsbedingungen nicht. Im Gegenteil: Die praktische Ausbildung wird noch unübersichtlicher, als sie ohnehin schon ist. Bis heute liegt keine Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vor – trotz Ihrer Zusicherung, diese Verordnung zur Gesetzesverabschiedung im Entwurf vorzulegen.

Die Finanzierung der Ausbildung ist bis heute nicht vollständig geklärt. Nach seriösen Berechnungen wird Ihr Finanzplan nicht aufgehen. Außerdem werden mit Ihrem Entwurf die Ausbildungskosten auf Menschen mit Pflegebedarf in stationären Einrichtungen umgelegt. Das darf nicht sein. Was wollen Sie den Menschen denn eigentlich noch zumuten?

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist keine gute Entscheidung für die Pflege. Keine Entscheidung wäre besser als das, was uns hier vorliegt. Mit diesem faulen Kompromiss mit dem trügerischen Namen „Pflegeberufereformgesetz“ haben Sie einen Koalitionsstreit auf dem Rücken der Pflegekräfte und der zu pflegenden Menschen ausgetragen. Das ist unglaublich.

(Beifall bei der LINKEN)

Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, braucht es nicht nur eine viel bessere Ausbildungsreform; man muss vor allem die Rahmenbedingungen verbessern, und zwar sofort. Die Pflege braucht eine feste Personalbemessung – nicht erst nach 2020 in der Altenpflege und nicht nur für ausgewählte Bereiche im Krankenhaus.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Pflege braucht eine allgemein verbindliche tarifliche Bezahlung in allen Bereichen, die von den Kassen finanziert werden, und die Pflege braucht mehr Mitbestimmung aller Beteiligten: der Pflegekräfte, der Angehörigen und der Menschen mit Pflegebedarf.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nur so kann eine gute Pflege gelingen, und dafür setzen wir Linke uns ein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)