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Pflegearmut und Altersarmut – zwei Seiten einer Medaille

Rede von Kathrin Senger-Schäfer,

Rede  zum Einzelplan 15 (Gesundheit) im Rahmen der Haushaltsdebatten 2013

Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Der Gesundheitsetat ist im Bundeshaushalt einer der größten Posten. Er beträgt sagenhafte 12,5 Milliarden Euro.

Auch wenn der Zuschuss zum Gesundheitsfonds mit 12 Milliarden Euro hier den größten Anteil ausmacht, bleiben immer noch rund 489 Millionen Euro, mit denen sich weitere Schwerpunkte setzen ließen.

Bei der Schwerpunktsetzung wird die Pflege allerdings stiefmütterlich behandelt.

Dabei ist das Thema Pflege eines der wichtigsten Themen dieser Gesellschaft.

Herr Spahn, da Sie sagen: „Wir stehen blendend da“, rate ich Ihnen, einmal die Millionen Pflegebedürftigen zu fragen, um zu erfahren, was diese dazu sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der einzige Posten, den das Gesundheitsministerium zur Pflege für 2013 ausweist, sind die Modellmaßnahmen zur Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger, veranschlagt mit insgesamt 900 000 Euro.

Für die Pflege sind das läppische 0,18 Prozent des Etats, wohlgemerkt ohne die 12 Milliarden Euro für den Gesundheitsfonds. Ich muss schon sagen: Das ist lächerlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Also nicht einmal 1 Prozent des Gesundheitsetats wird für die Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung ausgegeben.

Das empfinde ich als bemerkenswert, wenn nicht gar als beschämend.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen wir uns diesen Posten im Gesundheitsetat genauer an.

Da sind wichtige und innovative Forschungsvorhaben dabei. Es fällt mir nicht schwer, Ihnen zuzugestehen, dass hier auch Brauchbares finanziert wird.

Aber was ist das für ein Projekt mit dem Titel „Bürokratieabbau bei der Pflegedokumentation“, und wer ist die Trägerin Elisabeth Beikirch? Das ist die Ombudsfrau für die Entbürokratisierung in der Pflege, von Bundesgesundheitsminister Bahr am 27. Juni 2011 berufen.

(Heinz Lanfermann (FDP): Eine sehr anerkannte Frau!)

Natürlich wird die Bürokratie von den Pflegekräften als überbordend empfunden. Hier sind Verbesserungen nötig.

Dennoch habe ich von dem Projekt, zu dem Frau Beikirch offenbar forscht, nichts gehört außer Worthülsen.

(Heinz Lanfermann (FDP): Sie hat schon sehr viele gute Vorschläge gemacht! Einige haben wir schon umgesetzt!)

Dann frage ich mich, was Frau Beikirch für 65 000 Euro im Jahr 2012 gemacht hat und für 97 000 Euro im Jahr 2013 konkret machen wird.

Ob auch nur ein pflegebedürftiger Mensch von der Arbeit der Ombudsfrau bisher profitieren konnte, ist auch nicht überliefert.

(Heinz Lanfermann (FDP): Das hat sie im Ausschuss alles erklärt! Aber Sie haben nicht zugehört!)

Fakt ist: Im Jahr der Pflege 2011 wurde mit Pflegedialogen, Presseerklärungen, Interviews und Fototerminen hektische Aktivität entfaltet, um dann zu verkünden: Reformen gibt es erst später.

(Heinz Lanfermann (FDP): Unglaublich!)

Das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz, welches dann endlich im Juni 2012 durch das Parlament gepeitscht wurde, hat den Titel „Reform“ nun wirklich nicht verdient.

Nicht einmal ein Reförmchen ist es geworden.

Ich muss schon sagen: Herr Bahr, Sie haben hier reichlich Weihrauch versprüht.

(Heinz Lanfermann (FDP): Weihrauch wird geschwenkt und nicht versprüht!)

Sicher ist auch, dass Frau Beikirch für ihre Aktivitäten besser bezahlt wird als jede Pflegefachkraft hier im Land.

Für ein pflegepolitisches Placebo und das ist es, was Sie hier machen ist mir das doch zu viel Geld.

(Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Mein Gott!)

Während schlecht bezahlte Pflegekräfte hören - Sie einmal zu! - und damit auch Pflegebedürftige schon heute den Mangel ausbaden, werden sie zunehmend auch mit dem Thema Altersarmut konfrontiert sein, die dazu führen wird, dass man weniger auf professionelle Pflege zurückgreifen kann.

Daran zeigt sich, dass es nicht angehen kann, dass das Thema Altersarmut ohne das Thema Pflegearmut diskutiert wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Mechthild Rawert (SPD))

Offenbar ist bei einigen immer noch nicht angekommen, dass unter den Menschen, denen aufgrund prekärer Beschäftigung Altersarmut droht, auch diejenigen sind, die nicht nur häufiger krank, sondern infolge von Krankheit auch früher von Pflegebedürftigkeit betroffen sind.

Mit der fortwährenden Privatisierung von sozialen Risiken, für die Ihre Politik verantwortlich ist, werden die Menschen gleich mehrfach in die Armut getrieben.

Das ist nicht nur abgrundtief ungerecht, es birgt auch enormen gesellschaftlichen Sprengstoff.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit der Riester-Rente, dem Pflege-Bahr und nach dem Willen der Sozialministerin mit der Zuschussrente legen Sie immer noch eine Stange Dynamit oben drauf.

Niemand hat etwas davon, außer die Versicherungsindustrie.

Das ist für uns nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Unternehmen Sie stattdessen konkrete Schritte, um die wirklichen Probleme zu lösen!

Das Grundübel der Pflegeversicherung liegt in der unsolidarischen und Teilkostenfinanzierung der Pflegeversicherung.

Die Antworten auf dieses Grundproblem lauten,

erstens, solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung in der Pflege, zweitens  Leistungsausweitung in der Pflegeversicherung und, drittens, Überwindung des Teilkaskoprinzips der Pflegeversicherung.

Und wie Sie, Herr Bahr, nicht müde werden, zu betonen:

Es ist die Linke, die das Teilkaskoprinzip infrage stellt.

Wir stören Ihre Lethargie bewusst im Interesse der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und der Beschäftigten in der Pflege.

(Beifall bei der LINKEN)