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Pfändungsschutz der Altersvorsorge und Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung

Rede von Sevim Dagdelen,

Sehr geehrter Herr/Frau Präsident(in), sehr geehrte Damen und Herren, (sehr geehrte Frau Ministerin Zypries),

meine Fraktion wird sich zum vorliegenden Entwurf zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge in der Fassung der aktuellen Formulierungshilfe enthalten.

Das hätte sehr leicht anders kommen können und sah bis vorgestern Morgen auch noch völlig anders aus.

Beinahe nämlich wäre dieses Gesetzgebungsverfahren zu einem lehrreichen Vorbild für einen echten parlamentarischen Diskurs geraten.

Wir waren an einem Punkt, wo wir einem Gesetz, das durchaus noch Wünschenswertes offen lies, dennoch unsere Zustimmung gegeben hätten.

Denn ganz entgegen den üblichen Gepflogenheiten gab es zu diesem Gesetzentwurf im Verfahren des Rechtssausschusses echte inhaltliche Beratungen.

Es gab echte inhaltliche Auseinandersetzungen mit den Argumenten der Opposition und mit den Einwänden und den Vorschlägen der geladenen Sachverständigen.

Für eine ganz kleine Weile gewannen wir den Eindruck, dass selbst die Abgeordneten der Koalition nicht mehr gewillt waren, die Gesetzgebungsvorschläge der Regierung kritiklos zu übernehmen, sondern zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger lieber mal ihre eigenen frei gewählten Köpfe anstrengten.
Wie fruchtbar dieser Ansatz sein kann, möchte ich Ihnen in der Kürze der Zeit an vier Beispielen illustrieren.

Der ursprüngliche Entwurf sah eine Neufassung des
§ 131 Insolvenzordnung vor, in deren Folge sich der Fiskus unanfechtbar mit seinen Ansprüchen an der Insolvenzmasse eines angeschlagenen Unternehmens hätte schadlos halten können.

Sachverständige und Opposition hatten darauf hingewiesen, dass die „Wiederanschaffung“ des Fiskusprivilegs das eigentliche Kernanliegen des Regelinsolvenzverfahrens sabotiere.

Kernanliegen des Regelinsolvenzverfahres ist es, die angeschlagenen Unternehmen nach aller Möglichkeit wieder auf die Füße zu bringen, damit deren Beschäftigte auch weiterhin in Lohn und Brot verbleiben.

Diese Argumente griffen. Der Neufassungsvorschlag des Ministeriums wurde ersatzlos gestrichen.

Im Ausschuss wurde weiter eingewendet, dass die vom Entwurf vorgesehen Höhe des pfändungsgeschützten Betrages für die Altersvorsorge auf veralteten Berechnungen fußte.

Auch dieser Einwand stieß auf Gehör. Die Höchstbeträge wurden heraufgesetzt.

Im Ausschuss wurde diskutiert, den Pfändungsschutz auch auf die Hinterbliebenen des Gläubigers ausdrücklich auszudehnen.

Auch diese Überlegungen sind heute Teil des Entwurfstextes.

Wir erzielten schließlich Einigung darüber, dass der Pfändungsschutz zugunsten von Ehepartnern selbstverständlich auch auf Lebenspartner Anwendung findet.
Gerade diese Klarstellung war für DIE LINKE. eine echte Herzensangelegenheit.

Die Entwurfsbegründung hielt dann auch ganz richtig fest, dass Artikel 3 des Grundgesetzes die Gleichstellung von Lebenspartnern zwingend erforderlich macht.

Umso ärgerlicher stimmen die vorgestrigen - überstürzten - Änderungen am Entwurf, nach denen die ausdrückliche Gleichstellung Lebenspartnern nun aus dem Entwurf wieder verschwunden ist.

(Kein Wort mehr von Artikel 3 GG im Übrigen.)

Ganz offenbar ist es der CDU in letzter Sekunde doch noch gelungen, ihren Koalitionspartner vom Steuer zu schubsen und das Staatsschiff in Richtung moralische Vergangenheit zurückzusteuern.

Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU:

Welche Veranlassung hatten Sie eigentlich, ein ansonsten gelungenes Gesetzesvorhaben in letzter Sekunde mit angestaubten, altkonservativen Dogmen zu belasten?

An der Verfassung kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen bestätigt, dass die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften im Einklang steht mit dem Schutzauftrag des Artikel 6 des Grundgesetzes.

Ich hoffe daher sehr, dass die Gerichte bei der Anwendung dieses Gesetzes - angesichts seines nun unklaren Wortlautes - trotzdem weiter von einer umfassenden Gleichstellung der Lebenspartnerschaften ausgehen.

Kolleginnen und Kollegen:

Dieses Gesetzesvorhaben hätte Testcharakter haben können für den parlamentarischen Wettstreit um die besten Ideen.

Der Test verlief in weiten Teilen glücklich und scheiterte am Ende doch an einem Spielverderber:

Der CDU/CSU-Fraktion.
Ich danke Ihnen.