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Petra Pau: NSU - Von Aufklärung kann keine Rede sein

Rede von Petra Pau,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kürzel NSU steht für Nationalsozialistischer Untergrund, mithin für eine bislang beispiellose rechte Terrorserie und ein tödliches Staatsversagen. Das alles wurde vor fünf Jahren offenbar.

Ebenso zum fünften Mal jährt sich demnächst das Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach bedingungsloser Aufklärung. Doch davon kann bisher keine Rede sein. Es wird geschwiegen, geleugnet und vertuscht – auf Landes- und Bundesebene.

Beim Verfassungsschutz werden Belege geschreddert, wird also Recht gebeugt. Die Justiz hält, wie im Fall „Lothar Lingen“, die schützende Hand darüber. Damit wird die Bundeskanzlerin in den Meineid getrieben. Was noch schlimmer ist: Die Betroffenen werden ein weiteres Mal verhöhnt. Das ist eine Schande!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Der erste NSU-Untersuchungsausschuss hat im September 2013 fraktionsübergreifend einen Bericht mit 47 Schlussfolgerungen vorgelegt. Darin ging es um rechtliche und strukturelle, auch um mentale Änderungen in den Sicherheitsbehörden. Alle diese 47 Vorschläge wurden vom Bundestag einstimmig, einmütig bestätigt.

Nun wollte die Linke wissen, was davon umgesetzt wurde. Die Antwort der Bundesregierung liegt vor. Sie ist auch für alle, die uns im Netz folgen, nachlesbar.

Ich konzentriere mich jetzt auf drei Aspekte, die durchaus strittig sind.

Erstens. Ob Kriminalämter oder Justizbehörden – fast niemand wollte oder konnte erkennen, dass die NSU-Morde rassistisch motiviert waren. Auch deshalb gibt es die Forderung nach dem Mentalitätswechsel. Nun kann man Mentalitäten schlecht messen. Aber allein ein Blick nach Sachsen zeigt, wie viel noch zu tun bleibt. Naziaufmärsche werden goutiert, Gegenkundgebungen dagegen düpiert – und das alles von Amts wegen –, und Politiker beschwichtigen. Konsequenzen sehen anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Untersuchungsausschuss waren wir uneins, ob wir es mit institutionellem Rassismus zu tun haben, also auch in Behörden. Die Linke meint Ja, CDU/CSU und Teile der SPD meinen Nein. Wir sollten dies nicht als Mehrheitsentscheidung abhaken, sondern vom Deutschen Institut für Menschenrechte untersuchen lassen. Die Linke hat dafür Mittel bei den finalen Haushaltsberatungen beantragt. Ich hoffe auf die Zustimmung aller Fraktionen und Kolleginnen und Kollegen.

Zweitens. Im Zentrum des Staatsversagens agierten die Ämter für Verfassungsschutz. Damit wäre ich beim zweiten großen Dissens.

CDU/CSU und SPD haben 2016 ein neues Gesetz für das Bundesamt für Verfassungsschutz beschlossen. Es erhält dadurch mehr Geld, mehr Personal und mehr Kompetenzen.

Zugleich wurde die schmierige V-Mann-Praxis, also die Kumpanei mit Nazis, legalisiert. Die Linke bleibt dabei: Die Ämter für Verfassungsschutz sind als Geheimdienste aufzulösen. Die V-Mann-Praxis ist sofort zu beenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Wir waren uns einig, dass Initiativen zur Opferberatung, für Demokratie und Toleranz umfangreicher unterstützt werden müssen. Die Bundesmittel dafür wurden inzwischen erheblich aufgestockt. Das ist gut so. Die Linke hat dem zugestimmt.

Gleichwohl erfahre ich auf meinen Wegen über das Land zu häufig, dass von den zusätzlichen Millionen bei den Initiativen kaum etwas ankommt. Hier muss die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern dringend prüfen, woran es liegt, dass die Mittel, die wir hier einmütig beschlossen haben, nicht ankommen. Denn entscheidend ist letztlich nicht das, was vorne hineingesteckt wird, sondern das, was hinten herauskommt – und dies umso mehr, da niemand garantieren kann, dass nicht längst neue Nazizellen raubend und mordend unterwegs sind, allemal da das rassistisch aufgeheizte Klima von ihnen als regelrechter Auftrag gedeutet werden könnte, wie damals beim NSU.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)