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Petra Pau: Neues Datenschutzgesetz schwächt der Demokratie

Rede von Petra Pau,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim vorliegenden Antrag geht es um den Datenschutz, konkret um die Anpassung des deutschen Rechts an Vorgaben der Europäischen Union. Das ist der formale Hintergrund. Inhaltlich geht es um mehr; denn Datenschutz ist nicht, wie gelegentlich unterstellt wird, Täterschutz. Datenschutz ist ein verbrieftes Bürgerrecht und obendrein eine unverzichtbare Basis für jedwede Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bürgerinnen und Bürger, die nicht mehr wissen oder nicht mehr wissen können, wer was über sie weiß, sind manipulierbar und nicht souverän. So hat es das Bundesverfassungsgericht mehrfach bekräftigt, und das ist die politische Dimension dieser Debatte. Folglich heißt heute die Frage: Schafft dieses Gesetz mehr Datenschutz? Stärkt es den Souverän und die Demokratie, oder schwächt es den Datenschutz und mithin Bürgerrechte und Demokratie? Meine Antwort lautet: Das Gesetz schwächt den Datenschutz. Und deshalb wird die Linke als moderne sozialistische Bürgerrechtspartei diesen Gesetzentwurf auch ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit diesem Nein stehen wir keineswegs allein da. Im Innenausschuss des Bundestages hat es am 27. März eine öffentliche Expertenanhörung zu diesem Gesetzesvorhaben gegeben. Das Gros der Datenschutzexperten äußerte dabei erhebliche Kritik an der Vorlage von CDU/CSU und SPD. Trotz aller Änderungen im Detail kommt die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, DVD, zu dem Schluss: Der vorliegende Gesetzesvorschlag verkehrt europäische Regelungen in ihr Gegenteil und bedeutet einen massiven Rückfall Deutschlands im Bereich des Datenschutzes. Ich füge hinzu: Niemand hier im Rund, auch nicht die Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, kann hinterher sagen, sie oder er hätte das nicht gewusst. Ich will heute hier nur drei gravierende Kritikpunkte anreißen.

Erstens. Die weitgehende Regelung zur Videoüberwachung stellt eine vermeintliche Sicherheit über verbriefte Grundrechte dar und ist mithin verfassungswidrig.

Zweitens. Die Rechte betroffener Bürgerinnen und Bürger werden eher eingeschränkt als ausgeweitet.

Drittens. Kontrollmöglichkeiten und Sanktionen bei Verstößen gegen den Datenschutz werden unverantwortlich kleingeschrieben. So werden im Übrigen auch die Rolle und die Möglichkeit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit tatsächlich wieder kleingemacht. Das sollte nicht unser Ziel sein. Wir müssen sie stärken.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Datenschutzinitiativen gehen sogar davon aus, dass dieses Gesetz vom Europäischen Gerichtshof kassiert werden könnte. Eine solche Blamage sollte der Deutsche Bundestag nicht sehenden Auges riskieren. Die Linke jedenfalls tut das nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Schließlich sollte niemand davon ausgehen, dass die Datenschutzdebatte mit der Abstimmung heute Abend beendet ist. Wir leben in einer Zeit fortschreitender Digitalisierung, und wir beschreiten damit, wie es die Bundeskanzlerin Merkel einmal formulierte, tatsächlich Neuland. Sie hat damals sehr viel Häme dafür geerntet, allerdings nicht von mir; denn sie hat recht. Immer mehr Daten werden erfasst, gespeichert, verarbeitet, auch persönliche, übrigens nicht nur von Geheimdiensten, die mit diesem Gesetz eine Art Freibrief erhalten, sondern ebenso von weltumspannenden Monopolen, für die die Datenverarbeitung sozusagen eine Art Goldrausch ist.

Das alles stellt an den Datenschutz noch viel weiter reichende Fragen, als sie mit diesem Gesetz aufgenommen wurden. So habe ich die dringende Hoffnung, dass sich der nächste Bundestag endlich dieser Herausforderung annimmt. Das sei mir noch gestattet: Seitdem ich Mitglied des Bundestages bin, reden wir über die Notwendigkeit eines tatsächlichen und modernen Beschäftigtendatenschutzes. Auch mit dieser Gesetzesnovelle haben wir nicht die Chance ergriffen, nun endlich einmal anzufangen.

(Beifall bei der LINKEN)