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Petra Pau: Antisemitismus ernsthaft und gemeinsam bekämpfen

Rede von Petra Pau,

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Antisemitismus – verkürzt: Hass gegenüber Jüdinnen und Juden – ist ein anhaltendes Problem. Antisemitismus ist in Deutschland durch den Holocaust außerdem tödlich belastet. Und es ist so, Kollege Kauder: Antisemitismus wird von Jüdinnen und Juden direkter empfunden als von anderen. Gleichwohl ist Antisemitismus unser aller Problem und eine anhaltende Herausforderung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der vorliegende Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen verweist auf den Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus. Seine Einsetzung wurde vom Bundestag beschlossen. Er arbeitete mit den Fraktionen zusammen. Im April 2017 hat er zum zweiten Mal einen umfangreichen Bericht mit dringlichen Empfehlungen vorgelegt. Ich durfte ihn damals als Vizepräsidentin des Bundestages würdigen. Wir haben einmütig, von der Union bis zur Linken, nicht nur den Bericht gewürdigt, sondern uns auch verpflichtet, uns den Empfehlungen zügig zuzuwenden. Es ist wichtig, diese Empfehlungen ernst zu nehmen, weil der Kampf gegen Antisemitismus drängt.

Der vorliegende Antrag enthält durchaus adäquate Forderungen. Sie sind nicht durchweg deckungsgleich mit den Empfehlungen des Expertenkreises. Für die Abweichungen wird es Gründe geben. Für Die Linke will ich drei Punkte aus dem Antrag herausgreifen:

Erstens. Alle drei, die Unterzeichner des Antrags, der Expertenkreis und Die Linke, fordern eine bzw. einen Antisemitismusbeauftragten. Laut Antrag soll er von der Bundesregierung eingesetzt werden. Die Linke hingegen hat eine Beauftragte bzw. einen Beauftragten des Parlaments vorgeschlagen. Sei’s drum! Ich würde mich im Namen der Linken der Empfehlung des Expertenkreises und, wie ich heute gehört habe, der SPD anschließen: Siedeln wir ihn koordinierend und nicht etwa delegierend, Herr Ruppert, im Bundeskanzleramt an, und überlassen wir ihm die Aufgabe nicht allein!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ein zweiter Punkt – er spielte hier schon eine Rolle –: Im Antrag wird gefordert, dass die Länder Ausländerinnen und Ausländer umgehend ausweisen, sofern sie antisemitisch auffallen. Sie wissen, dass wir diese Art des Sonderrechts immer abgelehnt haben. Durch seine Erweiterung wird es nicht besser. Das heißt, diese Regelung lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Es löst auch nicht das Problem, auf das hier schon mehrfach hingewiesen wurde, dass wir mit dem Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem haben: rechts, in der Mitte der Gesellschaft und, wenn Sie denn schon geografisch damit umgehen wollen, von mir aus auch links. Wir alle müssen uns erst einmal selbst anschauen und dann bitte gemeinsam gegen jedweden Antisemitismus vorgehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Damit bin ich bei einem dritten Punkt. Der Expertenkreis hat mit Nachdruck gefordert, zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus umfangreicher und dauerhafter zu fördern. Das fordert auch die Linke seit langem. Im Antrag kommt dies gleichwohl höchst unverbindlich daher.

Wir hätten über diese Punkte gern gemeinsam mit Ihnen diskutiert. Aber Sie haben den Antrag nun eingebracht und fordern Sofortabstimmung. Er ist nicht der Weisheit letzter Schluss, und ich denke, wir werden weiter darüber zu reden haben. Kurzum: Insbesondere wegen des einen aus unserer Sicht gravierenden inhaltlichen Mangels, aber auch wegen der Arroganz, das nicht im Parlament zu beraten, werden wir den Antrag natürlich nicht ablehnen,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)

aber uns heute enthalten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)