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Partnerschaft in Demokratie, Kultur und Frieden

Rede von Wolfgang Gehrcke,

205. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages am Freitag, 9. November 2012 - Rede zum TOP 45: Zusammenarbeit mit Russland

Frau Präsidentin, schönen Dank! Meine SPD-Kollegen haben mir gerade zugerufen, ich solle die gute Stimmung nicht kaputtmachen. Ich komme leider nicht ganz drum herum, das zu tun.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)

Ich habe mir gedacht, dass Sie so reagieren.

Ich denke, dass wir hier ein Zeichen dafür setzen sollten, dass die Türen für einen Dialog zwischen Russland und Deutschland offenbleiben müssen. Ich möchte, dass es bei der ausgestreckten Hand bleibt, Kollege Erler, und ich möchte, dass die Zeigefinger, mit denen Sie nach Russland zeigen, endlich verschwinden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich habe überhaupt nichts von der Strickjacken-Freundschaft zwischen Kohl und Gorbatschow im Kaukasus gehalten.

(Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Was war daran schlecht? Deutsche Einheit vorbereitet! Das kann ja wohl nicht wahr sein!)

Diese Art von Freundschaft wurde dann mit Jelzin fortgesetzt. Ich habe auch überhaupt nichts davon gehalten, dass Gerhard Schröder Putin zum lupenreinen Demokraten erklärt hat. Darüber schweigen Sie sich hier auch aus.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich halte auch überhaupt nichts von den Wadenbeißereien des Kollegen Schockenhoff. So koordiniert man keine Beziehungen zwischen Deutschland und Russland, so macht man Beziehungen kaputt.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Was hat das mit Wadenbeißerei zu tun? Das ist Quatsch!)

Gerade wenn man einen offenen Dialog und eine kritische Auseinandersetzung will, muss man in anderer Art und Weise damit umgehen.

Ich habe mir die ganze Zeit die Frage gestellt, wie wir eigentlich reagieren würden, wenn das russische Parlament, die Duma, jede Woche über Missstände in unserem Land reden und diskutieren würde.

(Zuruf des Abg. Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU))

Es gibt keine Missstände; Ihre Meinung kenne ich. Wie würden wir reagieren?

Ich finde es langsam befremdlich, welcher Ton hier angeschlagen wird, und ich glaube nicht, dass wir in dieser Art und Weise in der Zusammenarbeit mit Russland weiterkommen.

(Beifall bei der LINKEN Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Welcher Ton wird hier denn angeschlagen?)

Gerade weil ich möchte, dass in Russland frei demonstriert werden kann und dass Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit durchgesetzt werden, möchte ich eine andere Art des Umgangs. Dazu will ich Ihnen ein paar Vorschläge machen.

Wenn man über Modernisierungspartnerschaft redet - zu Recht -, dann hat das natürlich eine wirtschaftliche Seite. Das streite ich überhaupt nicht ab, und das sollte auch keiner abstreiten. Modernisierungspartnerschaft hat aber auch eine soziale Seite.

(Dr. Rainer Stinner (FDP): Das sagen wir ja auch alle!)

Ich möchte, dass wir mit den russischen Partnern viel stärker die soziale Seite der Modernisierungspartnerschaft diskutieren und dass wir verstehen, dass es nicht nur darum geht: „Wir bringen euch etwas bei“, sondern dass das ein zweiseitiger Prozess ist.
Herr Schockenhoff, ich muss ehrlich sagen: Wenn Sie Courage gehabt hätten, dann hätten Sie sich hier hingestellt und gesagt: Es ist eine Schande, wie meine Fraktion mit der Visafreiheit umgeht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir den russischen Partnern nicht die Visafreiheit anbieten und zwar in deutlicher Weise und emotional nicht begreifen, dass sie diese vor den Olympischen Spielen 2014 haben möchten, dann werden wir nicht weiterkommen.

(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Wir arbeiten ja daran!)

Arbeiten Sie weiter, Herr Kollege Mißfelder. Ich weiß ja, dass Sie es wollen, aber die Hardliner in Ihrer Fraktion bremsen in dieser Angelegenheit.

Ich finde, dass Modernisierungspartnerschaft auch eine Demokratiepartnerschaft beinhaltet. Ich möchte, dass wir in fairer Art und Weise mit Russland über Demokratie und den Ausbau von Demokratie diskutieren und die Zivilgesellschaft stärken. Dazu gehört für mich auch, dass nicht immer nur Privatisierung das Ergebnis einer solchen Politik sein soll und sein darf.

Ich möchte gerne, dass wir mit Russland eine Kulturpartnerschaft eingehen. Das kann ein ganz wichtiger zweiseitiger Schritt sein. Hier geht es nicht nur um Hochkultur, sondern Russland ist eine Basis für vielfältige kulturelle Ausdrucksformen. Ich möchte, dass wir so etwas auch nach Deutschland holen und hier präsentieren. Das Russlandjahr in Deutschland und umgekehrt das Deutschlandjahr in Russland haben doch kein Profil.

(Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Das sind Vorschläge!)

Letztendlich möchte ich, dass es eine Friedenspartnerschaft ist.

(Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Wenn Sie so darangehen!)

Ich frage Sie, warum in Ihrem Antrag zu solchen Dingen wie der Sorge Russlands vor dem sogenannten Raketenabwehrsystem überhaupt nichts steht. Das ist der Eiserne Vorhang, der hier aufgebaut wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor solchen Fragen drücken Sie sich. Deswegen kann man auch das, was Sie vorschlagen, nicht besonders ernst nehmen.

Ich möchte gerne, dass wir in einer anderen Art und Weise mit Russland umgehen. Das ist eine wichtige Partnerschaft. Ich bitte Sie, ziehen Sie den ausgestreckten Zeigefinger ein. Er ist unter uns nicht angebracht, und im Verhältnis zu Russland ist er erst recht nicht angebracht.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Wo ist denn der Antrag? - Gegenruf des Abg. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Den haben Sie vor einem halben Jahr schon abgelehnt!)