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Ostdeutsche Erfahrungen wichtig für die ganze Republik

Rede von Roland Claus,

Rede im Bundestag am 15.12.2005 zur Begründung des Antrags der Fraktion DIe LINKE zur Einsetzung eines Ausschusses für die Angelegenheiten der neuen Länder und für andere strukturschwache Regionen

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Nach dem Genossen Generaldirektor geht es nun um die Angelegenheiten der neuen Bundesländer. Die Fraktion Die Linke schlägt Ihnen vor, einen Bundestagsausschuss für die Angelegenheiten der neuen Länder und anderer strukturschwacher Regionen einzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will in diesem Zusammenhang einen Kenner der ostdeutschen Szene zitieren, der einmal sagte: Eine Bundesregierung, die den Osten so abhängt, muss abgelöst werden im Interesse der Menschen in den neuen Bundesländern und im Interesse Deutschlands insgesamt. Der Aufbau Ost ist für die Entwicklung Deutschlands von entscheidender Bedeutung. So Edmund Stoiber an die Adresse der Regierung Schröder, lange bevor er regierungsflüchtig wurde. Man kann dazu nur sagen: Wo er Recht hat, hat er Recht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sehen in einem solchen Bundestagsausschuss natürlich kein Allheilmittel für die Lösung aller Probleme, wohl aber einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht können wir Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ein bisschen Hilfestellung leisten. Wenn wir das richtig verstanden haben, dann sind Sie mit der Zuordnung der Zuständigkeit für die neuen Bundesländer nicht klar gekommen: Kanzleramt, Tiefensee-Ministerium, einmal hin und einmal zurück. Wenn Sie den von uns vorgeschlagenen Ausschuss einsetzen, dann haben Sie eine erste gute Adresse für die Angelegenheiten, um die es hier geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden nicht davon ablassen - das sage ich hier ausdrücklich -, das Grundgesetz zu zitieren, das uns gebietet, für gleichwertige Lebensverhältnisse in der gesamten Republik einzutreten. Die Koalitionsvereinbarung enthält sicherlich sehr viel Gutes zum Thema neue Bundesländer, was die Zielstellung betrifft. Aber immer wenn Sie das Ziel formuliert haben und wir dem begeistert zustimmen, fügen Sie hinzu: Das werden wir mit den bewährten Instrumenten fortsetzen. Das heißt, mit den Instrumenten, die zum Versagen geführt haben, wollen Sie nun einen neuen Weg beschreiten. Daran haben wir gewisse Zweifel.

(Beifall bei der LINKEN - Maria Michalk [CDU/CSU]: Ihnen geht es jetzt doch auch besser als früher, oder nicht?)

Sie geben mir ein gutes Stichwort. Natürlich verkennen auch wir Linke nicht, dass im Osten Deutschlands vieles erreicht worden ist.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Aha!)

Obwohl wir der Auffassung sind, dass die beiden letzten Regierungen nicht die richtige Förderpolitik gemacht haben, ist es an dieser Stelle geboten, dass ein ostdeutscher Sozialist den Bürgerinnen und Bürgern in den früher geborenen Bundesländern Dank für die Unterstützung sagt, die nicht nur im Zahlen des Solidaritätszuschlags bestand, sondern auch in vielen anderen Dingen. Das will ich hiermit ausdrücklich tun.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Schaut man sich die Realitäten des Ostens Deutschlands 2005 genau an, zum Beispiel das Ranking der Bertelsmann-Stiftung, dann stellt man fest: Leider nehmen die Differenzen wieder zu. Die Ergebnisse der von Ihnen eingesetzten Dohnanyi-Kommission sind, wie wir finden, nicht wirklich gewürdigt worden. Dohnanyi hat es auf einen Punkt gebracht, als er gesagt hat, um die Angelegenheiten der neuen Bundesländer und anderer strukturschwacher Regionen sollten sich alle kümmern. Aber damit das klappt, muss es an einer Stelle koordiniert werden. Diesem Gedanken folgen wir mit unserem Vorschlag, einen Bundestagsausschuss für die Angelegenheiten der neuen Länder und anderer strukturschwacher Regionen einzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Inzwischen geht es nicht mehr um Nachsorge. Wir sprechen vielmehr von einem Neuansatz für Ostdeutschland. Es ist doch ein sehr spannender Prozess, dass sich hier zwei Transformationsprozesse überlagern: die noch immer anhaltende gesellschaftliche Transformation und die Transformation der Arbeitswelt. In Ostdeutschland werden heutzutage Erfahrungen gesammelt, die künftig in der ganzen Republik gebraucht werden. Im Osten entsteht Neues, das Verbesserungen für die ganze Republik bringt. Dazu zwei Stichworte: Stadtumbau, auch Rückbau von Wohnungen. Weiterhin nenne ich den Standortvorteil Kinderbetreuung. Reden Sie mit Investoren! Ich weiß, dass Sie das machen. Für die sind diese so genannten weichen Standortfaktoren Standortfaktoren der Zukunft. Darum müssen wir uns kümmern. Deshalb lohnt es sich, diese Erfahrungen einzubringen. Es ist nicht unser Begehren, eine Experimentierwerkstatt für weiteren Sozialabbau einzurichten, sondern eine Denkfabrik für Innovation und soziale Gerechtigkeit. Es lohnt sich, dem Beispiel zu folgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb möchte ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Geben Sie sich selbst den viel gerühmten Ruck, den Sie sonst immer von anderen verlangen! Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)