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Opfer von Menschenhandel schützen

Rede von Katrin Werner,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Menschenhandel in Europa nimmt zu, und Deutschland ist eine Drehscheibe dieser modernen Sklaverei. Dies ist das Ergebnis einer von der Europäi­schen Kommission in Auftrag gegebenen Studie. Das konnten wir vor drei Tagen auch in den Katholischen Nachrichten im Netz, dem kath.net, lesen.

Jetzt könnte man meinen: Schnell gehandelt. Vor zwei Tagen gab es noch nicht einmal die offizielle Vorlage Ih­res Gesetzentwurfs. Aber wenn man genauer hinschaut, kann man nur noch kopfschüttelnd feststellen: Wir be­fassen uns zwar endlich mit dem Thema „Bekämpfung des Menschenhandels“, aber das, was die Koalition hier vorlegt, ist ein echtes Armutszeugnis.

Elf Jahre nach Einführung des Prostitutionsgesetzes, elf Jahre Kritik und Verbesserungsvorschläge – und jetzt ha­ben wir dieses miserable Ergebnis?

Das 2002 verabschiedete Gesetz hat zu einer Zu­nahme des Menschenhandels in Deutschland geführt.

Zu diesem Ergebnis kommt die von der Europäischen Kommission finanzierte Studie. Damit ist offenkundig auch das rot-grüne Prostitutionsgesetz gescheitert.

Eine EU-Studie aus dem Jahr 2005 hatte bereits auf der Basis verschiedener Daten errechnet, dass es im Jahr 2003 in Deutschland bis zu 24 700 Opfer von Men­schenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gab. In der neuen EU-Studie heißt es, dass es europaweit in den Jahren von 2008 bis 2010 eine Zunahme von Men­schenhandel um 18 Prozent gab. Man spricht allerdings auch von einer viel höheren Dunkelziffer. Bei einer Un­tersuchung im Jahr 2007 hat die Bundesregierung festge­stellt, dass das Gesetz seine Ziele nicht erreicht hat. Den­noch wurde bis heute nichts unternommen. Ihre aktuelle Vorlage ist nichts anderes als Flickschusterei.

Sie müssten sich erst einmal einen Überblick über die reale Lage verschaffen. Ist Ihnen überhaupt bekannt, wie viele Frauen in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden?

Der Chef der Augsburger Kriminalpolizei hält eine Gesetzesänderung für dringend erforderlich.

Zitat:

Deutschland ist zum Eldorado für Zuhälter und Bordellbetreiber geworden. Laut Gesetz dürfen sie den Prostituierten sogar Anweisungen erteilen und wir als Polizei können nur zuschauen. Die Ausbeu­tung der Frauen geht also immer weiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und FDP, glauben Sie wirklich, dass Sie mit Ihrer Vorlage da­ran etwas ändern?

Vielleicht gehen Sie noch einmal Ihre eigene Begrün­dung durch. Sie schreiben selbst, die Vorschläge von Vertreterinnen und Vertretern von Opferinteressen zur Verbesserung der Bekämpfung von Menschenhandel hätten eine intensive Prüfung und Erörterung erfordert.

Ich bitte Sie! Die Richtlinie ist vom 5. April 2011. Der Stichtag war der 6. April 2013.

Wie viel Zeit brauchen Sie eigentlich noch?

Zwei Jahre lang lief die Frist zur Umsetzung, und erst die Rüge der EU-Kommissarin Malmström im April 2013 hat Sie zu diesem Schnellschuss veranlasst.

Sie selbst verweisen in Ihrer Begründung zudem auf die Kritik von Vertreterinnen und Vertretern der Rechtswis­senschaft, der Polizei und der Staatsanwaltschaft.

So schreiben Sie:

Die polizeiliche und staatsanwaltliche Praxis kriti­siert, dass der Nachweis dieser Umstände

– hier geht es um die Ausnutzung der Zwangslage der Opfer durch die Täter –

sich als schwierig erweise. Unabdingbar sei die Aussage der Opferzeugen und -zeuginnen, die aber oft nicht oder nur schwer zu erlangen sei.

Das lässt doch nur einen Schluss zu: Wir brauchen endlich einen effektiven Opferschutz. Geben Sie den Opfern die Gelegenheit, sich zu wehren, und schaffen Sie endlich die gesetzlichen Grundlagen und erforderli­chen Bedingungen, um die Opfer zu schützen. Lassen Sie die Opfer nicht später zu Angeklagten werden und sie um Almosen betteln. Helfen Sie den Opfern aus der Zwangslage. Wir brauchen ein Bleiberecht für alle Op­fer.

Die Linke steht an der Seite der Opfer von Menschen­handel. Ihr Gesetzentwurf dagegen wird keinen einzigen Fall von Menschenhandel verhindern. Er ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht.

Andernfalls müssten Sie nämlich die Machbarkeit und die finanzielle Unterstützung anders betrachten. Sie mei­nen, dass dies keine zusätzlichen Haushaltsausgaben er­fordere. Glauben Sie allen Ernstes, den Menschenhandel ohne den zusätzlichen finanziellen Aufwand von Bund, Ländern oder Gemeinden eindämmen zu können und Opfern damit wirklich zu helfen? Ich kann nur sagen, Sie betreiben hier Augenwischerei.