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Operation "Enduring Freedom" heißt andauernder Krieg

Rede von Oskar Lafontaine,

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion lehnt den Antrag, den Kampfeinsatz der deutschen Bundeswehr im Rahmen dieses Mandats zu verlängern, ab. Wir begründen dies damit, dass schon die Überschrift dieses Mandats falsch ist. Das Mandat ist überschrieben mit „Enduring Freedom“ andauernde Freiheit. Nach unserer Auffassung wäre es besser, „andauernder Krieg“ zu sagen. Dieser Kampfeinsatz dauert nun schon mehrere Jahre und verfehlt auch seine Ziele.
(Beifall bei der LINKEN)
Man sollte aber nicht nur „andauernder Krieg“ sagen. Unserer Überzeugung nach wäre es noch besser, von „Enduring Terrorism“, also von „andauerndem Terrorismus“, zu sprechen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will begründen, warum wir im Gegensatz zur Mehrheit dieses Hauses zu diesem Ergebnis kommen. Wir haben Sie immer wieder darauf hingewiesen, dass es nicht möglich ist, den Terrorismus zu bekämpfen, ohne zu wissen, was Terrorismus eigentlich ist. Einer der zuständigen Beamten hat, als der Entwurf eines Gesetzes zur Erstellung der Antiterrordatei vorgelegt wurde, dankenswerterweise zum ersten Mal eine Definition des Begriffes Terrorismus vorgenommen. Ich empfehle Ihnen, diese Definition zu lesen. In diesem Satz steht, dass solche Personen zu terroristischen Kreisen gehören, die rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer Belange anwenden oder eine solche Gewaltanwendung unterstützen, vorbereiten, befürworten oder durch ihre Tätigkeit vorsätzlich hervorrufen.
Das deckt sich mit der Definition, die ich hier immer wieder vorgetragen habe. Sofern die deutsche Sprache überhaupt noch einen Sinn hat, fällt diese Mission, die Sie unterstützen, in genau diese Kategorie. Das ist der Widerspruch, in dem Sie sich befinden und den Sie nicht auflösen können. Jawohl, der vorhin bereits angesprochene Präsident der Vereinigten Staaten hat rechtswidrig Gewalt angewendet. Nach dieser Definition ist er jemand, der sofern die deutsche Sprache überhaupt noch einen Sinn hat terroristisch vorgeht.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir werden mit großem Interesse verfolgen, wie Sie mit der Antiterrordatei umgehen bzw. welche Klimmzüge Sie veranstalten, um deutlich zu machen, dass diese Datei so auszulegen ist, dass Angehörige des muslimischen Glaubens, die rechtswidrig Gewalt anwenden, Terroristen sind, dass aber jemand aus der westlichen Welt, der rechtswidrig Gewalt anwendet, kein Terrorist ist. Aus diesem Widerspruch werden Sie nicht herauskommen.
Ich möchte jetzt auf den geschätzten Kollegen Klose eingehen, der in sehr sachlicher Form vorgetragen hat, wie er seine Befürwortung des Antrags auf Verlängerung des Mandats begründet. Der Kern seiner Aussage war, dass man diesen Kampf mit militärischen Mitteln allein nicht gewinnen könne. Er hat dies wie folgt präzisiert:
Wer aber meint, er könne ganz und gar auf militärische Mittel verzichten, der redet sich die Lage schön. Manch einer, der so redet, weiß das auch, was die Sache nicht besser macht. Zweifel sind erlaubt. Reden wider besseres Wissen nicht.
Das waren sehr nachdenkliche Ausführungen zum Einsatz militärischer Mittel.
Ich möchte dazu Folgendes sagen: Natürlich kann man militärische Mittel, wenn man den Frieden bewahren bzw. „enduring freedom“ herstellen will, nie völlig ausschließen. Die Fragen sind aber: Wie werden sie angewandt? Auf welcher Grundlage werden sie angewandt? Und vor allen Dingen: Werden sie im Rahmen des Völkerrechts angewandt?
(Beifall bei der LINKEN)
Wer das Völkerrecht nicht zur Grundlage seines Vorgehens macht, wird den Terrorismus nicht bekämpfen, sondern ihn immer wieder befördern.
Ich möchte dem Kollegen Klose unsere Position entgegenhalten: Das Völkerrecht ist nicht nur die Gewährleistung dafür, dass UNO-Beschlüsse, auf die er auch Bezug genommen hat, eingehalten werden. Das Völkerrecht wird verletzt, und zwar grob verletzt, wenn in immer größerer Zahl unschuldige Zivilisten ums Leben kommen, was die Genfer Konvention strikt verbietet. Dieser Kampfeinsatz verstößt permanent gegen die Genfer Konvention.
(Beifall bei der LINKEN)
Dies ist der Grund, warum der Einsatz militärischer Mittel in diesem Fall nicht vom Völkerrecht gedeckt ist. Dies ist der Grund, warum wir sagen: Wer so vorgeht, der schützt unser Land nicht, sondern erhöht die Terroranschlagsgefahr in unserem Land; darauf haben die Geheimdienste immer wieder hingewiesen. Weil die beiden Missionen Enduring Freedom und ISAF eng miteinander verwoben sind darauf hat Herr Klose hingewiesen , ist das eine logische Konsequenz. Man muss allerdings bereit sein, diese Konsequenz zur Kenntnis zu nehmen.
Seitdem die NATO in immer größerem Umfang im Süden Afghanistans bombt, ist dieser Einsatz absurd geworden. Es ist doch kein Wunder, wenn die Nachfahren der Opfer dieser Bombenkämpfe eines Tages Terrorattentate bei uns in Deutschland und in anderen NATO-Staaten verüben. Genauso wie heute gesagt wird, dass unsere Freiheit bzw. unser Land am Hindukusch verteidigt wird, werden Sie eines Tages sagen, dass sie ihre Ehre und ihre Familien in den NATO-Staaten verteidigen. Das ist dieselbe Logik. Das müssen auch Sie eines Tages nachvollziehen.
Ich fasse zusammen: Dieser Einsatz wird scheitern. Sie und die anderen Fraktionen werden eines Tages hier stehen das prophezeie ich Ihnen und eine Verlängerung dieses Mandats ablehnen. Wir appellieren an Sie: Kehren Sie rechtzeitig um! Dieser Einsatz ist nicht zu gewinnen. Er fördert den Terror, statt ihn zu minimieren.
(Beifall bei der LINKEN)