Zum Hauptinhalt springen

OPERATION ACTIVE ENDEAVOUR ist überflüssig!

Rede von Alexander S. Neu,

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Sehr geehrte Damen und Herren,

Seit über zehn Jahren hören wir: Operation Active Endeavour ist eine Selbstverteidigungsmaßnahme. Die Behauptung ist rechtlich absurd, und sie wird von Jahr zu Jahr absurder ‑ sowohl bezüglich der räumlichen als auch der zeitlichen Dimension.

(Beifall bei der LINKEN - Henning Otte (CDU/CSU): Eine absurde Behauptung!)

Zur räumlichen Dimension. Der Anschlag am 11. September 2001 war bekanntlich in New York und nicht im Mittelmeer. Dafür reichen auch geringe geografische Kenntnisse aus, meine Damen und Herren, um das festzustellen.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Zur zeitlichen Dimension. Der Anschlag war 2001, nicht 2014. Dafür reichen auch die Grundrechenarten.

Dass dem so ist, schwant auch der Bundesregierung. Daher versucht sie eben, eine Entkopplung der OAE von Artikel 5 des Nordatlantikvertrages hinzubekommen. Ich kann jedoch nicht ganz nachvollziehen, warum man sich in dem Antrag wieder so verhalten hat, wie man es in der Vergangenheit getan hat. Man hat in Wales mit Blick auf Operation Active Endeavour gesagt: Okay, wir werden Artikel 5 da jetzt nicht erwähnen. Man feiert das in dem Antrag ab. - Zugleich nennt man doch wieder Artikel 5.

Man hätte auch hier vorangehen und sagen können: Wir verschweigen einfach Artikel 5. Wir werden ihn in dem Antrag gar nicht erwähnen. ‑ Aber nein, das wurde nicht gemacht, sondern man macht genau das, was man in den letzten Jahren gemacht hat: Man verweist auf das Selbstverteidigungsrecht.

(Henning Otte (CDU/CSU): Das ist eine Argumentation wie saure Milch!

Das zweite Argument lautet, die wachsenden terroristischen Aktivitäten im Osten und im südlichen Mittelmeer würden manche unserer Bündnispartner doch verunsichern. Dazu frage ich mich: Sind die Islamisten in Libyen und in Syrien nicht doch unsere westlichen Bündnispartner im Kampf gegen die dortigen Regierungen gewesen bzw. im Falle Syriens immer noch unsere Bündnispartner? ‑ Die Antwort ist einfach: Ja. Die islamistischen Kreaturen werden gegen unliebsame Regierungen im Nahen Osten eingesetzt, gehegt und gepflegt. Wenn diese islamistischen Freunde dann auch mal wieder außer Kontrolle geraten, was sie regelmäßig tun, muss man sie auch bekämpfen. Das zeigt, welchen Irrsinn die westliche Sicherheitspolitik darstellt.

Aber kommen wir zurück zur Legende der Selbstverteidigung. Die Bundesregierung und ihre westliche Wertegemeinschaft sollen von der Heuchelei einer Selbstverteidigungsformel endlich Abstand nehmen und sagen, worum es wirklich geht. Es geht um Mare Nostrum, übersetzt „unser Meer“, und zwar im imperialen Sinne des antiken Roms. Caesar hat diesen Begriff „Mare Nostrum“ zum ersten Mal verwendet. Der Westen betrachtet das Mittelmeer als sein Meer und nicht als Meer der Anrainerstaaten. In Ihrem Orwell’schen Neusprech hört sich das etwa so an: dass die westliche Marine einen präventiven Ordnungsfaktor darstellt.

Eine weitere Kuriosität ist die Begründung für Operation Active Endeavour mit Blick auf die Sicherheitslage. Es wird hier von abstrakten Bedrohungen gesprochen. Das heißt, die Fantasie reicht aus, um einen Einsatz des Militärs zu legitimieren. ‑ Welch ein Verdummungsversuch gegenüber der Öffentlichkeit, meine Damen und Herren!

Der Antrag der Bundesregierung im letzten Jahr war noch ein bisschen ehrlicher; Sie sind kurz darauf eingegangen, Frau Staatssekretärin.

(Niels Annen (SPD): Staatsministerin!)

Sie haben gesagt: Es gibt auch strategische Erwägungen. Auch im letzten Jahr wurde vom Selbstverteidigungsrecht fabuliert, aber zumindest war der imperiale Charakter im Antrag enthalten. Ich zitiere:

Das Mittelmeer gehört zu den wichtigsten interkontinentalen Transportkorridoren weltweit und ist für den innereuropäischen und transatlantischen Handel von geostrategisch vitaler Bedeutung.

Dafür werden also Steuergelder verbraten. Den Soldatinnen und Soldaten wird etwas von Verantwortung in der Welt erzählt.

Zum Thema Verantwortung in der Welt. Was ist eigentlich mit der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer?

(Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mare Nostrum!)

Italien hat in einem Jahr mehr als 150 000 Menschen gerettet. Italien hat sein Mare-Nostrum-Programm ‑ dies war ein humanitäres Programm und kein imperiales ‑ zur Rettung von Flüchtlingen eingestellt, weil es mit diesem Projekt von den EU-Partnern allein gelassen wurde. Warum gibt es keine finanzielle und operative Unterstützung durch Deutschland? Haben die Flüchtlinge keinen wirtschaftlichen Wert, weswegen man sie nicht zu retten braucht?

(Michael Brand (CDU/CSU): Zyniker!)

‑ Nein, Zyniker bin ich nicht. Das sind Sie.

(Henning Otte (CDU/CSU): Warum das denn? Das ist doch nicht der Auftrag!)

Wie viele Menschen wurden im Rahmen der Operation Active Endeavor gerettet? Wie viele Menschen wurden im Mittelmeer von der deutschen Marine gerettet? Oder muss die Besatzung deutscher Schiffe den hilfesuchenden Menschen sagen: Oh, sorry, tut uns leid. Wir dürfen euch nicht retten, liebe Leute, denn wir müssen eine „abstrakte Bedrohung“ jagen.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Michael Brand (CDU/CSU): Das ist eine gute Nachricht! ‑ Beifall des Abg. Wilfried Lorenz (CDU/CSU))

Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE):

Ich komme zum Schluss. ‑ Aus all den genannten Gründen, sehr geehrte Damen und Herren, lehnt die Linke diesen lächerlichen Dauereinsatz ab.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Michael Brand (CDU/CSU): Die Rede war lächerlich!)