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Opel muss zur Chefsache gemacht werden!

Rede von Alexander Ulrich,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass es richtig war, dass meine Fraktion heute diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Deutlicher kann man den Opelanern in Bochum oder auch in anderen Städten nicht sagen, dass diese Bundesregierung für ihre Zukunft nichts machen wird. Das ist es, was CDU, CSU und FDP uns mitteilen, ganz nach dem Motto: Die Schließung ist ein Ergebnis der Marktwirtschaft. Wenn ein Unternehmen, das 150 Jahre alt geworden ist, ein Traditionsunternehmen in Deutschland, von dem Hunderttausende Arbeitsplätze abhängen, verkündet, ein Werk zu schließen, wie es in Bochum geschehen ist, dann nehmen wir das achselzuckend wahr und verweisen darauf, dass es massenhaft Jobs zu Niedriglöhnen gibt, auf die sich die Opelaner ja bewerben können. Sie haben heute deutlich gemacht: Die Opelaner in Bochum und an den anderen Standorten können von dieser Bundesregierung nichts erwarten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch einmal deutlich machen: Wir reden hier nicht nur über den Standort Bochum. Wenn man sich anschaut, was General Motors in den letzten zwei Jahrzehnten mit Opel gemacht hat, erkennt man: Opel ist nur der Anfang. Ich teile auch die Einschätzung des Betriebsrats von Opel Bochum, dass, wenn die so weitermachen, General Motors Opel scheibchenweise abwickelt. Dann ist auch der Standort Kaiserslautern betroffen, dann ist auch der Standort Rüsselsheim betroffen, dann ist auch der Standort Eisenach betroffen. Wir müssen hier den Untergang eines Unternehmens befürchten, an allen Standorten.
Das muss dem Bundestag klar sein, wenn es darum geht, sich zu fragen: Was kann die Politik dagegen tun? Die Menschen erwarten sehr wohl, dass sich die Politik darum kümmert.

(Beifall bei der LINKEN)

Was kann die Politik tun? Viele Vorredner haben bestätigt, dass die Probleme am Missmanagement von General Motors liegen. Ich möchte auch noch einmal betonen: Es ist geradezu tragisch, dass die Fahrzeugpalette von Opel noch nie so gut war wie zurzeit. Sehr viele Fachleute sagen: Opel baut von Kleinstwagen bis Großwagen sehr gute Autos in guter Qualität.

(Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Welchen Opel fahren Sie denn?)

General Motors hat es geschafft, das Image der Marke Opel zu beschädigen.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Wie Rainer Brüderle!)

Darüber hinaus hat General Motors es geschafft, die Wachstumsmärkte zu schließen, sodass Opel diese wunderbaren Fahrzeuge nicht verkaufen kann. Das ist eine Strategie von General Motors in Amerika. Die US-Regierung ist mittlerweile ein Großaktionär von General Motors. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass die Bundesregierung mit der US-Regierung darüber redet, warum General Motors Opel zugrunde richtet. Darüber muss die Bundesregierung mit der US-Regierung diskutieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Man kann doch nicht einfach sagen: Es ist ein Ergebnis der Marktwirtschaft, wenn ein Unternehmen zugrunde geht. - Die Probleme von Opel liegen doch am Missmanagement von General Motors.
Zweiter Punkt. Es reicht auch nicht aus, zu sagen: Nordrhein-Westfalen oder Bochum - oder in der Folge vielleicht Kaiserslautern oder Rüsselsheim oder Eisenach - soll sich um die Probleme kümmern. Wenn ein Traditionsunternehmen, an dem - einschließlich Zulieferindustrie - Hunderttausende Arbeitsplätze hängen, kaputtgemacht wird, dann sind Städte und Regionen damit überfordert, den Strukturwandel zu begleiten. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass die Bundesregierung deutlich macht: Wir unterstützen die Regionen, wenn ein Strukturwandel ansteht. - Auch dazu haben wir heute überhaupt nichts gehört.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Forderung ist doch relativ klar: Opel muss tatsächlich zur Chefsache gemacht werden.

(Beifall der Abg. Sevim Dağdelen (DIE LINKE))

Die Kanzlerin muss mit den Ministerpräsidenten reden, sie muss mit der IG Metall, mit den Betriebsräten reden, und sie muss auch mit der US-Seite reden. Es muss ein klares, abgestimmtes Programm geben, um die Marke Opel in Deutschland zu erhalten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Machen Sie sich mal ein bisschen kleiner!)

Die IG Metall und die Betriebsräte befinden sich derzeit in Sanierungsverhandlungen. Die Bundesregierung muss sie dabei unterstützen, über 2016 hinaus Arbeitsplätze zu sichern und alle vier Werke abzusichern. Hier muss die Bundesregierung Farbe bekennen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Manfred Zöllmer (SPD))

Welche Lehre muss die Politik aus dem Fall Opel ziehen? Das Mantra, das immer wieder vor sich hergetragen wird, nämlich dass Lohnzurückhaltung Arbeitsplätze sichert, ist gerade bei Opel gescheitert. Die Beschäftigten von Opel haben - in dem Glauben, dass sie dadurch ihre Arbeitsplätze erhalten - zwei Jahrzehnte lang Lohnverluste akzeptiert. Es sind viele tausend Arbeitsplätze abgebaut worden; doch die restlichen sind weiterhin gefährdet. Lohnzurückhaltung - das hat sich gerade bei Opel gezeigt - hilft nicht, dass Arbeitsplätze gesichert werden. Ich hoffe, dass die Gewerkschaften, die Betriebsräte diesen Fehler nicht wieder machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen uns auch anschauen: Warum läuft es bei VW so anders als bei Opel? Weil die Mitbestimmung im Unternehmen bei VW eine andere ist: Bei VW können die Betriebsräte und die Gewerkschaften mitbestimmen bei der Frage, wie die Unternehmensstrategie aussieht, bei der Frage, welche Modelle gebaut werden, bei der Frage, welche Standorte erhalten werden. Das VW-Gesetz ist geradezu der Grundpfeiler, dem es zu verdanken ist, dass VW diese Probleme nicht hat. Was müssen wir daraus lernen? Wir müssen die Mitbestimmungsmöglichkeiten, die es bei VW gibt, auf die komplette Wirtschaft in Deutschland übertragen,

(Beifall bei der LINKEN)

damit auch andere Arbeitnehmer erfolgreich um ihre Arbeitsplätze kämpfen können.
Abschließend: Was Herr Lindner von der FDP gesagt hat, ist an Arroganz, an Abneigung und an mangelndem Einfühlungsvermögen im Hinblick darauf, was in den Beschäftigten von Opel gerade vor sich geht, nicht zu überbieten. Herr Lindner, Sie sollten sich Ihre Rede noch einmal anschauen. Wenn es parlamentarisch erlaubt wäre, Herr Präsident, würde ich Herrn Lindner jetzt am liebsten mit einem Gesäßteil vergleichen; das wäre sicherlich die richtige Antwort auf so eine Rede. Ich sage nur: Schämen Sie sich!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Das ist Ihr Stil! Sie können nicht anders! Ihr macht das immer so!)