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Ökologisch? Sozial und ökonomisch- oder alles?

Rede von Eva Bulling-Schröter,

TOP 2Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/DIE GRÜNENEinsetzung einer Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der sozialen Marktwirtschaft“> Drucksache 17/3853

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In jedem Jahr wird verkündet, zu welchem Zeitpunkt keine erneuerbaren Rohstoffe mehr zur Verfügung stehen, weil die Menge, die ein Planet in jedem Jahr zur Verfügung stellen kann, bereits verwendet worden ist. Das entsprechende Datum wird vom Global Footprint Network ermittelt. In diesem Jahr treiben wir schon seit dem 21. August Raubbau an der Erde.
Aus diesem Grund unterstützt auch die Linke ausdrücklich die Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Thema Wachstum. Es muss aber klar sein ich möchte hier warnen : Die Nachhaltigkeits- und Wachstumsdebatte ist im Kern ökologisch; denn es geht das wurde schon gesagt um die Grenzen unseres Umweltraumes. Diese Grenzen werden permanent überschritten, sei es durch die Belastung mit Treibhausgasen oder den Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen. Deshalb ist es eine zentrale Frage, ob es qualitatives Wachstum also Wachstum ohne zusätzlichen Ressourcenverbrauch tatsächlich dauerhaft geben kann oder ob dies nur eine gefährliche Illusion ist.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich sage Ihnen: Ich tendiere eher zu Letzterem. Denn ich glaube, es ist notwendig, den Verbrauch von Ressourcen auf 20 Prozent des heutigen Verbrauchs zu reduzieren.
(Beifall des Abg. Jörn Wunderlich (DIE LINKE))

Ich glaube deshalb nicht, dass wir den Problemen gerecht werden, wenn wir uns in erster Linie um einen neuen Wohlstandsindikator oder um eine neue Unternehmenskultur kümmern. Ich befürchte, dass uns solche Debatten nutzlos Zeit kosten werden, Zeit, die uns fehlen wird, um an den wirklichen ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen bei diesem Problem zu arbeiten.
Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass das Modell einer Wachstumsgesellschaft, die global auch in diesem Land ohnehin Wohlstand nur für wenige bringt, dafür aber Armut und Abhängigkeit für viele, aus ökologischen Gründen am Ende ist, dann stellen sich jede Menge unbequemer Fragen, nicht nur an Systemgläubige, sondern auch an Grüne, Linke oder Gewerkschaften: Ist der Kapitalismus überhaupt in der Lage, auf Wachstum zu verzichten,
(Zuruf von der LINKEN: Nein! - Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Können wir auf Kapitalismus verzichten, Frau Kollegin?)

oder braucht er das Wachstum? Ist der Drang nach Profitmaximierung nicht der Motor und Schmierstoff des Wachstums? Wie drosselt man einen solchen Motor? Sollten wir ihn drosseln können und wollen? Wie wären die sozialen Auswirkungen zu stemmen?
(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Sehr gute Frage!)

Schließlich wären gravierende Strukturbrüche zu erwarten.
Diese Strukturbrüche erfordern eine mutige Politik der Verteilung von oben nach unten,
(Beifall bei der LINKEN)

höchstwahrscheinlich in einem Ausmaß, das wir uns heute gar nicht vorstellen können. Einen zarten Vorgeschmack auf das Ausmaß der Strukturbrüche bekommt man beim Thema energetische Gebäudesanierung. Sie ist ökologisch unverzichtbar, aber zunächst ziemlich teuer. Die Bundesregierung will die Kosten für die energetische Gebäudesanierung auf die Menschen abwälzen, sodass Warmmieten unter Umständen drastisch steigen könnten; aber das wollen die Leute natürlich nicht. Das ist übrigens ein Grund, warum der Entwurf eines Klimaschutzgesetzes in Berlin gerade gescheitert ist.
Zudem steht die Frage im Raum, wie sich Beschäftigung künftig organisieren lässt, wenn die Produktivität steigt, das Wachstum aber ausbleibt. Das geht wahrscheinlich nur über eine drastische Umverteilung von Arbeit und Einkommen, und zwar in einer Dimension, die dieses profitorientierte Gesellschaftssystem eindeutig überfordern wird.
Es gibt also genügend Fragen. Aus diesem Grund haben wir einen Antrag eingebracht. Wir fanden eigentlich auch den ursprünglichen Antrag von SPD und Grünen gut, aber wir finden es schade, dass Sie nicht den Mut hatten, mit uns gemeinsam einen Antrag einzubringen. Wieder einmal haben Sie von SPD und Grünen sich mit CDU/CSU und FDP quasi zu einer Großen Koalition zusammengetan. Das tut uns leid.
Das wird eine spannende Debatte. Es gibt viel zu streiten. Packen wir es an!
(Beifall bei der LINKEN)