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OAE - 11 Jahre Terrorkrieg

Rede von Jan van Aken,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Als ich vor drei Jahren im Bundestag zum ersten Mal das Mandat zur Operation Active Endeavour gelesen habe, habe ich ganz ehrlich gedacht, das ist ein Witz. Müsste man es in einem Satz zusammenfassen, dann geht es um Folgendes: Weil am 11. September 2001 die verheerenden Anschläge in New York und Washington verübt worden sind, sollen jetzt deutsche Kriegsschiffe ins Mittelmeer fahren. - Das ist nicht wirklich logisch. Denn was ist die normale Antwort auf einen Anschlag? Was passiert derzeit in Bonn? Dort gab es gerade einen versuchten Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof. Sie kommen jetzt - Gott sei Dank! - nicht auf die Idee, ein Kriegsschiff in die Ostsee zu schicken.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Hier ermittelt natürlich die Polizei. Das ist der normale Weg.

(Beifall bei der LINKEN - Manfred Grund (CDU/CSU): Wie blöd muss man sein!)

Der entscheidende Unterschied ist folgender: Damals, genau ein Tag nach dem Anschlag, am 12. September 2001, hat die NATO den Bündnisfall ausgerufen. Die NATO hat damals den Krieg erklärt, den Krieg gegen den Terror, wie Sie es nennen. Das war von Anfang an mit Problemen behaftet. Es stellten sich die Fragen: Wo wohnt denn der gemeine Terrorist? Wo führen Sie den Krieg gegen den Terror? Die erste Antwort auf dieseFrage ‑ das muss ich als Hamburger leider sagen ‑ wäre natürlich gewesen: in Hamburg. In Hamburg ist dieser Anschlag in New York und Washington vorbereitet worden. Zum Glück, muss ich sagen, ist das nicht die Antwort gewesen; in Hamburg wurde ganz normal polizeilich ermittelt. Die zweite Antwort auf die Frage wäre gewesen: Saudi-Arabien. Die meisten Attentäter kamen aus Saudi-Arabien. Bis heute finanziert das saudische Königshaus viele radikale Gruppen mit Millionengeldern. Auch da war Ihre Antwort ganz typisch, ganz klassisch: Dahin werden Panzer und Maschinengewehre geliefert.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der LINKEN: Buh!)

Darüber könnte man lachen, wenn es nicht so tödlich ernst wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn dieser Krieg gegen den Terror wird seit elf Jahren in die ganze Welt getragen. Es fing an mit Afghanistan. Der Krieg mit Einsatz der Bundeswehr tobt dort bis heute. Es ging weiter mit Irak - über 500 000 Tote. Bis heute führen Sie den Krieg gegen den Terror in vielen Ländern mit Kampfdrohnen, mit gezielten Tötungen in Somalia, im Jemen, in Pakistan. Ich finde, dieses dauerhafte Morden kann man auch als Terror bezeichnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die ganze Dramatik dieses Krieges gegen den Terror ist doch, dass die NATO sich seit elf Jahren selbst ermächtigt, sich selbst einen Freibrief dafür ausstellt, überall auf der Welt Krieg zu führen, gewalttätig einzugreifen. Zur Not wird auch der Terrorbegriff sehr weit ausgedehnt. Dann wird auch die Sicherung von Handelswegen plötzlich zur Terrorbekämpfung.

Sie alle wissen ganz genau, dass ein Kriegsschiff im Mittelmeer keinen einzigen Anschlag verhindert: nicht in Bonn, nicht in London, nicht in Madrid; keinen einzigen. Deswegen suchen Sie händeringend nach irgendwelchen Argumenten.

Ich habe mir letztes Jahr den Text des Mandats wieder durchgelesen und musste fast lachen. Im letzten Jahr war die Begründung für Kriegsschiffe im Mittelmeer natürlich der arabische Frühling. In diesem Jahr gibt es eine neue Begründung: Mali. Ganz aktuell. Es stimmt: Natürlich haben Gruppen, die al‑Qaida nahestehen, den gesamten Norden Malis besetzt. Aber was hilft da ein Kriegsschiff im Mittelmeer?

Jetzt höre ich hier Ihre Rede, Herr Kiesewetter; da gehen Sie noch weiter. Ihre neue Begründung lautet: Energiesicherheit, und ganz neu ist: Waffen von Gaddafi. Wissen Sie, Deutschland hätte sehr viel mehr für den Frieden tun können, wenn Sie nicht gleich die 600 Maschinengewehre an Gaddafi geliefert hätten.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei Gaddafi wurden nämlich G-36-Sturmgewehre von Heckler & Koch gefunden. Deutsche Kriegsschiffe im Mittelmeer damit zu begründen, ist wirklich dreist.

Eigentlich müsste ich darüber lachen, wenn es hier nicht um eine ganz ernste Sache ginge. Es geht um einen Auslandseinsatz der Bundeswehr, und ich möchte einmal daran erinnern: Das ist bereits der dritte Einsatz, über den wir in dieser Woche debattieren. Morgen wird ein völlig neuer Auslandseinsatz der Bundeswehr in der Türkei mit 400 Soldaten beschlossen. Gleich reden wir über den Kriegseinsatz in Afghanistan. Jetzt winken Sie die Operation Active Endeavour durch. Wir von der Linken lehnen alle drei Auslandseinsätze ab.

(Beifall bei der LINKEN - Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Wie immer!)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen exportieren sollte, nicht an Libyen und auch nicht an irgendein anderes Land.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)