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Nichtigkeitserklärung des Erbgesundheitsgesetzes von 1933 - erstes Rassengesetz der NS-Diktatur

Rede von Jörn Wunderlich,

Es geht hierbei um die endgültige Feststellung, dass dieses Gesetz in seiner Gänze aufgrund der Bestimmung des Artikel 123 Abs.1 Grundgesetz nie Bestandteil der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland geworden ist, da es menschenverachtend und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar war.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

es geht heute um die Ächtung nationalsozialistischen Unrechts. Und es ist an der Zeit.

Endlich soll dem Ansinnen der Opferverbände Rechnung getragen werden, um auch den Opfern Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Es geht hier immer noch um nationalsozialistisches Unrecht, welches nun endlich ein wirkliches Ende finden soll.
Bedauerlich ist, dass es in der Bundesrepublik Jahrzehnte gedauert hat, um das abschließend in Angriff zu nehmen.

Dass dieses Gesetz als nationalsozialistisches Unrecht zu werten ist, dürfte angesichts der Begründung zu diesem Gesetz außer Frage stehen. Die menschenverachtenden Bemerkungen aus der Gesetzesbegründung möchte ich mir deshalb an dieser Stelle ersparen.

Es handelt sich hierbei um das erste Rassegesetz der NS-Diktatur. Dem steht auch - wenn man die Biographien etlicher westdeutscher Juristen aus dieser Zeit berücksichtigt - nicht entgegen, dass das OLG Hamm 1952 dieses Gesetz als „mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar“ bezeichnete und 1957 festgestellt wurde, dass es sich nicht um ein typisches NS-Gesetz handele.

Erst 1974 wurde das Gesetz, allerdings auch nur halbherzig außer Kraft gesetzt.

Es geht hier und heute um die endgültige Feststellung, dass dieses Gesetz in seiner Gänze aufgrund der Bestimmung des Artikel 123 Abs.1 Grundgesetz nie Bestandteil der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland geworden ist, da es menschenverachtend und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar war. Soweit es in wenigen Teilen als Bundesrecht fortbestand, wurde es zwar außer Kraft gesetzt, ist gleichwohl aber noch Bestandteil der Rechtsordnung.
Zwar geht die Bundesregierung davon aus, dass das Gesetz nicht mehr existent sei, in diesem Punkt irrt die Regierung jedoch! Das Gesetz, soweit es als Bundesgesetz fort galt, ist nach wie vor Bestandteil der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Es ist lediglich außer Kraft gesetzt. Es ist seinerzeit erlassen und in Kraft gesetzt worden. 1974 wurde es außer Kraft gesetzt. Das Inkrafttreten betrifft jedoch nur die Anwendbarkeit der Vorschriften.
Es handelt sich hier um einen besonderen Fall, in dem allein das Außerkraftsetzen der Vorschriften nicht ausreicht, da sie als früherer Bestandteil eines als solchen mit dem Grundgesetz unvereinbaren Gesetzes vollständig aus der Rechtsordnung entfernt werden müssen. Dies kann aber eindeutig nur mit deren Aufhebung geschehen. Dies entspricht der Forderung der Opferverbände. Von daher bedarf es der eindeutigen Beschlussfassung über die Aufhebung der besagten Normen. Dies entspricht nicht nur der Ansicht des heutigen, sondern wohl auch der eigentlichen Intention des damaligen Parlaments

Von daher ist die Bundesregierung aufgefordert einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach welchem das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14.07.1933, soweit es eben als Bundesrecht fort galt und lediglich außer Kraft gesetzt worden ist, aufgehoben wird, um es endgültig aus der Rechtsordnung zu verbannen.
Die Aussage der Koalition, das Gesetz zu ächten, ist in jedem Falle unterstützenswert, wobei der Wortlaut insoweit missverständlich ist, dass in dem Wort „selbst“ aufgrund fehlender Interpunktion davor eine Einschränkung bezogen auf das Gesetz liegen könnte.

Zur eindeutigen Klarstellung bedarf es weiterer Formulierungen im Antrag der Koalition, welche eindeutig den Unrechtsgehalt dieses gesamten verbrecherischen Gesetzes darstellen, welche die Ächtung des Gesetzes in Gänze klar und ohne Einschränkungen ausspricht. Von daher kann ich nur um Unterstützung unseres Antrags bitten, um den Opfern, die bis heute unter den Folgen leiden, endlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und nicht noch länger hinzuwarten, bis keines der Opfer mehr seine Stimme erheben kann.

Ich denke hier ist es an der Zeit, ideologische Vorbehalte zurückzustellen und an die Opfer zu denken. Sowohl hinsichtlich der umfassenden Ächtung des Gesetzes als auch zur Prüfung einer Aufhebung.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.