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Neuordnung der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung

Rede von Alexander Süßmair,

zu TOP 3: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz - LSV-NOG) - Drucksachen 17/7916, 17/8495 -

Alexander Süßmair (DIE LINKE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf der Koalition zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, kurz: LSV, liegt ein neuer Versuch vor, das heute noch eigenständige soziale Sicherungssystem der Landwirtschaft zu bewahren und langfristig zu sichern.

Mit dem Schritt zur Schaffung eines bundeseinheitlichen Trägers der LSV ist die Linke im Prinzip einverstanden. Die ambitionierten Ziele, bei der Verwaltung Kosten einzusparen und ein einheitliches Beitragssystems zu schaffen, sind schon mit der letzten Reform der LSV vor vier Jahren nicht erreicht worden. Das wurde in der Anhörung zum Gesetzentwurf durch den Vertreter des Bundesrechnungshofs noch einmal eindrucksvoll dargelegt. Ob sich das Ziel durch das LSV-Neuordnungsgesetz erreichen lässt, bezweifeln wir stark. Mehrere Vorredner haben diese Position der Linken geteilt.

Im Gegenteil: Die Reform kostet erst einmal zusätzliches Geld, nämlich 175 Millionen Euro. Die mittelfristigen Einsparungsmöglichkeiten durch Personalabbau sind übersichtlich. Dr. Mehl vom Thünen-Institut hat dies in der Anhörung sehr deutlich dargestellt. Der Anteil der Personal- und Verwaltungskosten beträgt maximal 5 Prozent der Beiträge der Versicherten. Würde man nun 50 Prozent der Kosten im Bereich Personal und Verwaltung einsparen, was völlig illusorisch ist, würde das gerade einmal 2,5 Prozent an Beitragseinsparung bringen. Dass Sie darüber hinaus in Art. 1 § 8 des Gesetzentwurfs ausdrücklich die Arbeitsvergabe an Dritte, also das Auslagern von Aufgaben, regeln, ist für uns völlig daneben.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies geschieht nämlich alles zulasten der Arbeitsplätze und somit zulasten der Beschäftigten bei der LSV, und das lehnt die Linke ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Trotzdem wird es allein aus Gründen der strukturellen Entwicklung in der Landwirtschaft unvermeidbar sein, einen Bundesträger zu errichten und eine Entwicklung einzuleiten, die eine angepasste Struktur der Sozialversicherung ermöglicht. Ob dies aber für eine langfristige und ausreichende soziale Sicherung in der Renten- und Krankenversicherung ausreicht, bleibt mehr als fraglich; denn ohne die staatlichen Zuschüsse würde das System schon lange nicht mehr tragfähig sein. Daher muss für die Zukunft die Frage gestellt werden dürfen, ob die Einbringung in ein größeres Solidarsystem nicht sinnvoller ist. Die Ausführungen meines Kollegen Birkwald und auch die Anmerkungen von Herrn Kollegen Priesmeier von der SPD sind durchaus berechtigt und sollten auch berücksichtigt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Verbesserungsvorschläge gab es in der Anhörung und in den darauffolgenden Verhandlungen genug, sie sind aber von Ihnen unserer Meinung nach kaum berücksichtigt worden.

(Gitta Connemann (CDU/CSU): Wie bitte?)

So ist das Überleben der LSV durch die Einbindung des Bereichs Gartenbau existenziell,

(Gitta Connemann (CDU/CSU): Wir leben alle unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle denselben Horizont!)

aber die Berufsgenossenschaften mit ihren Besonderheiten der bereits existierenden bundeseinheitlichen Organisation, des einheitlichen Beitragsmaßstabs, der paritätischen Vertretung von Beschäftigten und Arbeitgebern in den Gremien und der herausragenden Unfallprävention werden nun ohne Not an die Wand gedrückt; dabei hätte man diese Struktur beibehalten können. Der von Ihnen im Änderungsantrag vorgeschlagene Sonderausschuss für den Gartenbau hat lediglich beratende Funktion, er hat also auf die Entscheidungsfindung keinen Einfluss. Das kritisieren wir von der Linken ausdrücklich.

(Beifall bei der LINKEN)

Weitere aufgeworfene Probleme, die hier auch schon angesprochen wurden, bleiben unberücksichtigt. So ist die Hofabgabeklausel, die vorsieht, dass die Landwirte ihren Betrieb aufgeben müssen, wenn sie ihre Rente ausbezahlt bekommen wollen, immer noch verankert. Sie haben zwar endlich die Diskriminierung der Ehefrauen abgeschafft, was wir begrüßen, aber man hätte die Hofabgabeklausel im Zuge der angestrebten Reform generell daraufhin überprüfen müssen, ob sie ihre Funktion überhaupt erfüllt und jungen Bäuerinnen und Bauern tatsächlich eine Chance gibt. Herr Straubinger, eine Anmerkung: In Österreich gibt es diese Abgabeklausel nicht. Dort ist der Altersdurchschnitt deutlich niedriger als in Deutschland.

(Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau so ist das!)

Es gibt also andere Möglichkeiten, junge Menschen in der Landwirtschaft zu fördern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dasselbe gilt für die Verbesserungen bei der Personalvertretung, die von den Gewerkschaften und den Personalräten vorgeschlagen wurden. Auch hiervon ist in Ihrem Gesetzentwurf so gut wie nichts wiederzufinden. Auch das kritisiert die Linke.

Weil die Reform unserer Überzeugung nach eben nicht zu einem gerechteren und solidarischeren Beitragssystem führen wird, lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)