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Neues Bauvertragsrecht: Gesetzentwurf mit Baumängeln

Rede von Karin Binder,

Karin Binder (DIE LINKE):

Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Besuchertribünen! Zwei Legislaturperioden hat die Bundesregierung gebraucht, um endlich eine Reform des Bauvertragsrechts vorzulegen, um damit Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu schützen. Menschen, die mit ihrem eigenen Zuhause für ihr Alter vorsorgen, hat man bisher im Regen stehen lassen. Das ist unverantwortlich. Gerade beim Baurecht ist der Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern besonders wichtig. In der Regel fehlt hier die notwendige Fachkenntnis, um auf Augenhöhe mit Bauträgern und Baufirmen auch künftige Verträge auszuhandeln.

Der Bezug der eigenen Wohnung oder des eigenen Hauses ist für die meisten Menschen mit der größten Investition ihres Lebens verbunden. Über die Hälfte der Familien hat ein bescheidenes Haushaltseinkommen zwischen 2 500 und 3 500 Euro im Monat. Sie geben für 20 bis 30 Jahre einen Großteil dieses Einkommens in die Finanzierung der eigenen Wohnung oder des Häuschens. Das ist für diese Familien mit hohen Risiken und auch mit Verzicht verbunden. Durch Baumängel entstehen nicht selten unerwartete Mehrkosten, oder der Einzug wird durch eine längere Bauzeit verzögert. Eine Insolvenz des Bauunternehmens kann die ganze Existenzgrundlage der Häuslebauer vernichten. Bis heute gibt es in unserem Baurecht keine allgemeinen Regeln zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. Eine Gesetzesreform ist daher dringend notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Laut Experten gehört Pfusch am Bau heute leider zum Alltag und ist mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme. Immer öfter geht es auch um Betrug. Durch schlechte Planung und Bauausführungen bleiben Häuslebauer jährlich auf Schäden von etwa 5 Milliarden Euro sitzen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Wahnsinn!)

Etwa 45 000 Bauvorhaben enden pro Jahr im Gerichtssaal. Viele Betroffene werden durch fehlende rechtliche Regelungen in den Ruin getrieben. Statt in die eigene Wohnung zu ziehen, müssen sie Kreditraten für eine Bauruine zahlen und wohnen weiter zur Miete. Das muss ein Ende haben; das müssen wir ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zum Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der Gesetzentwurf greift zahlreiche Empfehlungen der Runde der Experten für Bauvertragsrecht auf. Bauunternehmer werden zu einer Baubeschreibung verpflichtet. Es soll verbindliche Vereinbarungen zur Bauzeit geben. Auch ein zweiwöchiges Widerrufsrecht für die Verbraucherinnen und Verbraucher soll es geben. Außerdem sollen Obergrenzen für die Abschlagszahlungen eingeführt werden. Das begrüßen wir ausdrücklich. Die Bauunternehmen werden auch verpflichtet, Bauunterlagen an die Bauherren herauszugeben. All das ist in Ordnung. Wir unterstützen außerdem, dass ein Bauunternehmer den Aufwand für den Austausch fehlerhafter Produkte von den Herstellern erstattet bekommt. Beispielsweise wird der beim Austausch eines defekten Heizkörpers entstehende Aufwand erstattet, den der Handwerker bisher allein zu tragen hatte. Gute Sache!

Aber leider hat der Gesetzentwurf auch einige Baumängel zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Bundesrat und auch der Baugerichtstag haben bereits darauf hingewiesen. Die Stellung der Verbraucherinnen und Verbraucher wird dadurch gegenüber dem bisherigen Gesetzeszustand sogar verschlechtert. So ist völlig unzureichend beschrieben, was eigentlich der sogenannte Verbrauchervertrag ist. Es ist auch völlig inakzeptabel, dass Verbraucherschutzregelungen nur bei erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude greifen sollen. Was ist denn dann zum Beispiel mit Terrassen, Hofanlagen, Garagen, Carports oder Nebengebäuden? Auch übliche Einzelleistungen wie der Rohbau eines Hauses oder der Einbau von Fenstern und Türen werden nicht in das neue Gesetzeswerk einbezogen. Die Folge wird sein, dass Unternehmer die Bauvorhaben in zahlreiche Einzelverträge für jeden Bauabschnitt aufsplitten. Wollen Sie das wirklich?

Der Gesetzentwurf schweigt zu weiteren wichtigen Aspekten des Sachverständigenverfahrens, zum Beispiel zu der Frage: Wer darf als Sachverständiger tätig werden, und wann muss ein Gutachten erstellt sein? Bei Rechtsstreitigkeiten sind das wichtige Faktoren. Wir haben das zu klären.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die Regelungen zu Nachtragsforderungen reichen nicht aus, um die Verbraucher angemessen zu schützen. Durch eine unvollständige oder bewusst ungenaue Beschreibung kann das Bauunternehmen weiterhin nachträglich den Preis erhöhen. Das treibt Familien in die Pleite.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Was?)

Die weitverbreitete Praxis, dass Unternehmen vom Verbraucher Abschlagszahlungen und zusätzlich noch eine Sicherheit von 100 Prozent des Werklohns verlangen, ohne dass eine Fertigstellungsgarantie gegeben wird, muss unterbunden werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Höhe der Sicherheitsleistung muss, wie im Referentenentwurf vorgesehen war, bei höchstens 20 Prozent gedeckelt werden. Zwingend erforderlich ist außerdem, dass die Vorleistungspflicht des Kunden ausgeschlossen wird. Häufig werden Verbraucherinnen und Verbraucher vertraglich genötigt, vor der Schlüsselübergabe 100 Prozent des Vergütungsanspruchs an die Werkunternehmer auszuzahlen. Damit bringen sie eine risikoreiche Vorleistung und können später berechtigte Mängelansprüche kaum noch durchsetzen. Das darf so nicht bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Bauchschmerzen bereitet mir auch die Regelung zur Abnahme des Bauwerks. Problematisch ist, dass der Bauunternehmer unter bestimmten Umständen alleine den Zustand des Bauwerkes beurteilen kann. Nach § 650f des neuen Gesetzentwurfs soll der unkundige Verbraucher gemeinsam mit dem Bauunternehmer, dem Fachkundigen, das Haus abnehmen. Baumängel, die er bei dieser Gelegenheit nicht angibt, kann er danach kaum noch geltend machen.

Weiter fordert die Linke: Die Insolvenzversicherung des Bauunternehmers sollte von 5 auf 10 Prozent der Bausumme erhöht werden; denn das Risiko einer Firmeninsolvenz ist nicht unerheblich und stellt für die Verbraucherinnen und Verbraucher, für die Familien eine existenzgefährdende Situation dar.

Ferner sollten auch die Bauträgerverträge gemäß § 650t, bei denen neben der Einrichtung des Hauses auch ein Grundstück geschuldet wird, mit einem außerordentlichen Kündigungsrecht zum Schutze der Familien und Häuslebauer versehen werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der im Gesetz vorgesehene Ausschluss der Kündigung nimmt den Bauherren die letzte Möglichkeit, sich in Fällen von grob vertragswidrigem Verhalten vom Bauunternehmen zu trennen.

Dringend erforderlich ist außerdem ein Kündigungsrecht der Verbraucherinnen und Verbraucher bei Insolvenz des Bauunternehmens. Das muss gesetzlich geregelt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn bei der Insolvenz erhöhen sich die finanziellen und zeitlichen Risiken für die Eigenheimbauer erheblich.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass weitere wichtige Regelungen fehlen. Wie beim gewerblichen Bau bereits üblich, sollte der sogenannte Gewährleistungseinbehalt von 5 Prozent der Bausumme gesetzlich geregelt werden. Das ist notwendig wegen möglicher später auftretender Mängel.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Peter Hintze:
Die Uhr!

Karin Binder (DIE LINKE):

Zusammenfassend stelle ich fest: Mit dem hier vorliegenden Entwurf zum Bauvertragsrecht planen Sie ein Haus - das Dach ist allerdings undicht, und die Fenster und Türen schließen nicht. Da sollte noch dringend nachgebessert werden. Lassen Sie uns diese Mängel ausräumen, bevor das Gesetz verabschiedet wird.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)