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Neue Runde im Steuerdumping

Rede von Axel Troost,

(Rede im Plenum des Deutschen Bundestages am 19.10.2006 zum Beschluss des "Gesetzes zu dem Protokoll vom 1. Juni 2006 zur Änderung des am 29. August 1989 unterzeichneten Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern" - BT-Drs. 16/2708, 16/2956 - Zusatz-TOP 10)

Ich möchte Sie an De­batten erinnern, die wir hier vor einigen Monaten geführt haben: Vor einigen Monaten haben wir hier Maßnahmen diskutiert, die Möglichkeiten zur Steuerumgehung redu­zieren sollten; die dazu führen sollten, dass diejenigen wieder mehr Steuern zahlen, die es können; die dazu führen sollten, dass man sich nicht arm rechnen kann, wenn man nur einen cleveren Steuer- und Unterneh­mensberater engagiert. Schon damals haben wir gesagt: Das geht uns nicht weit genug. Aber es gab einen breiten Konsens darüber, dass Möglichkeiten der Steuerumge­hung reduziert werden sollen.

Was uns jetzt aber zur Abstimmung vorliegt, ist genau das Gegenteil davon. Kern des Vorschlages für ein neues Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA ist: Die Quellensteuer auf Dividenden in Höhe von 5 Prozent wird gestrichen.

Ich will an einem Beispiel deutlich machen, was das heißt: Nehmen wir mal ein deutsches Unternehmen, zum Beispiel die Deutsche Bank, das eine Tochter in den USA hat. Heute gilt: Schüttet die US-Tochter Gewinne an die deutsche Mutter aus, wird das heute mit 5 Prozent in den USA besteuert. Und was schlägt die Bundesregie­rung nun vor? In ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens steht: Die Quellen­steuer von 5 Prozent soll zukünftig wegfallen. Im Klar­text: Die ausgeschütteten Gewinne sollen weder in Deutschland noch in den USA besteuert werden! Das widerspricht gänzlich dem Ansatz von Doppelbesteue­rungsabkommen - die Verhinderung der mehrmaligen Besteuerung ein und derselben Einkünfte.

Die Sache ist eigentlich ganz einfach. Darüber sind wir uns hier im Parlament ziemlich einig: International tätige Unternehmen und Privatpersonen müssen ihre Einkommen versteuern - sei es in dem Land, in dem der Hauptsitz des Unternehmens ist; sei es in dem Land, in dem die Tochter Einkommen erzielt. Das sollte eigent­lich selbstverständlich sein, wenn man sich das Ziel der „Steuergerechtigkeit“ auf die Fahne geschrieben hat. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf aber stellt die Bundes­regierung das Prinzip der „Steuergerechtigkeit“ auf den Kopf!

Nicht nur das: Der Hintergrund für dieses Doppelbe­steuerungsabkommen ist: Seit kurzem gibt es ein ver­gleichbares Abkommen zwischen den USA und Groß­britannien. Für britische Unternehmen sind also bereits heute die Gewinne ihrer US-Töchter steuerfrei. Nun kommen natürlich die deutschen Unternehmen und sa­gen: Das wollen wir auch, sonst haben wir in Deutsch­land einen Standortnachteil. Was macht nun die Bundes­regierung? Statt zum Beispiel im Rahmen der EU darauf zu drängen, dass der Vorteil für britische Unternehmen zurückgenommen wird, schafft sie neue Steuerschlupflö­cher! Damit heizt die Bundesregierung den internationa­len Steuersenkungswettlauf weiter an! Es ist doch klar, dass die anderen Staaten hier nachziehen werden!

Lassen Sie mich abschließend noch auf eine grund­sätzliche Frage eingehen. Die zunehmende Internationa­lisierung bei gleichzeitigem Steuersenkungswettbewerb zwingt zum Nachdenken über Methoden zur Verhinde­rung der Doppelbesteuerung. Das Doppelbesteuerungs­abkommen mit den USA - das wissen die Fachleute un­ter Ihnen - unterscheidet sich von anderen Abkommen dadurch, dass die USA bei der Besteuerung von Ein­künften auf dem Anrechnungsprinzip beharren und nicht auf dem Freistellungsprinzip. Das wäre auch für die Bundesrepublik sinnvoll. Denn damit wären die Divi­denden ausländischer Töchter grundsätzlich Teil des zu versteuernden Einkommens des Konzerns. Beim Frei­stellungsprinzip dagegen werden die Ausschüttungen der ausländischen Töchter, die im Ausland bereits be­steuert wurden, völlig steuerfrei gestellt.

In den meisten anderen Doppelbesteuerungsabkom­men wird nun aber eben nicht das Anrechnungsprinzip, sondern das Freistellungsprinzip gewählt. Das Problem daran: In zahlreichen Ländern werden inzwischen auf­grund des Drucks der Wirtschaft Quellensteuern auf Ein­künfte, die Steuerausländer- und ausländerinnen erzie­len, erhoben. Oder es werden grundsätzlich bestimmte Einkünfte nicht mehr oder nur noch beschränkt besteu­ert, zum Beispiel Kapitaleinkünfte. Wenn diese aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen in der Bundesrepub­lik ebenfalls freigestellt werden, kommt es zur absurden Situation einer gänzlichen Nichtbesteuerung. Damit werden aber Doppelbesteuerungsabkommen auf den Kopf gestellt!

Das zwingt die Bundesrepublik, über komplizierte steuerliche Regelungen auf nationaler Ebene dafür zu sorgen, dass die weltweit erwirtschafteten Einkommen der Steuerpflichtigen - seien es Personen oder Unterneh­men - wenigstens einmal besteuert werden. Aktuelles Beispiel dafür: Das Jahressteuergesetz 2007, Änderung des § 50 d Einkommensteuergesetz: Hier soll verhindert werden, dass Unternehmen durch Gestaltungen Freistel­lungen ihrer Einkünfte aufgrund von Doppelbesteue­rungsabkommen in Anspruch nehmen dürfen. Derart komplizierte Regelungen wären jedoch nicht notwendig, würde die Bundesregierung zur Verhinderung von Dop­pelbesteuerung von der Freistellung von Einkünften hin zur Anrechnung der im Ausland gezahlten Steuern über­gehen. Dies - nur ganz nebenbei - wurde auch durch den diesbezüglich befragten Sachverständigen bestätigt.

Wir fordern daher die Bundesregierung auf, in den Diskussionen, die im Finanzausschuss anstehen, diese Anregung aufzunehmen!