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Neue Alternative für freie Berufe

Rede von Jens Petermann,

246. Sitzung des Deutschen Bundestages, 13. Juni 2013

TOP 29: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer

 

Drucksache 17/ 10487

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses

Drucksache: 17/13944

 

Jens Petermann für die Fraktion DIE LINKE - Rede zu Protokoll

 

Sehr geehrte(r) Herr/Frau Präsident(in), meine sehr geehrten Damen und Herren,

die Begrenzung der Haftung für Fehler hat einen hohen Preis. Wer nur mit dem haften will, was im Moment des Zugriffs der Gläubiger gerade vorhanden ist, muss dies entweder individualvertraglich aushandeln oder eine entsprechende Rechtsform für sein Unternehmen wählen. Der Einwand einiger  Sachverständiger in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses, die hier vorgeschlagene Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartG mbB) wäre kein Systembruch, sondern eine konsequente Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts, geht am Kern des Problems vorbei. Denn entscheidend ist nicht, was gesellschaftsrechtlich denkbar, möglich oder gar sinnvoll ist. Entscheidend ist, welche Konsequenzen und Rechtsfolgen der Gesetzgeber quasi als Gegenleistung für die gesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung vorsieht. Und hier findet der eigentliche Systembruch statt. Das Kapitalgesellschaftsrecht als Paradedisziplin der Haftungsbeschränkungen kennt nicht nur eine Fülle von Kapitalerhaltungsvorschriften, die verhindern sollen, dass beim Zugriff von Gläubigern nichts mehr vorhanden oder vorher durch dunkle Kanäle versickert ist. Wesentlich entscheidender sind  die handelsrechtlichen Offenlegungspflichten. Sie bilden das eigentliche Gegenwicht. Kapitalgesellschaften müssen grundsätzlich ihre Jahresabschlüsse beim Bundesanzeiger veröffentlichen. Nur so kann sich der potentielle Gläubiger ein Bild über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung seines zukünftigen Partners machen, und nur so wird er in die Lage versetzt, das Risiko eines Regressausfalles einzuschätzen. Beide Elemente fehlen vollständig bei der PartG mbB. Die Haftung ist auf ein Gesellschaftsvermögen begrenzt, das nicht vorhanden sein muss und das niemand kennen muss. Alles, was Sie dem entgegenstellen, ist eine Berufshaftpflichtversicherung. Das mag, pragmatisch betrachtet, gelegentlich von höherem Nutzen sein, als ein mit bilanzieller Kreativität ausgewiesenes Gesellschaftsvermögen. Abgesehen davon, dass es keine Veröffentlichungspflicht über den aktuellen Ausschöpfungsgrad der der Höhe nach begrenzbaren Versicherung gibt - jede, der hier erfassten Berufsgruppen muss ohnehin eine Berufshaftpflichtversicherung unterhalten. Es stellt sich daher die Frage, warum Sie diese Privilegierung ausschließlich Partnerschaftsgesellschaften angedeihen lassen, und im Übrigen nur denen, die gesetzlich, nicht jedoch freiwillig eine Berufshaftpflichtversicherung unterhalten, so dass Sie nicht nur Einzelanwälte, sondern ganze Berufsgruppen davon ausschließen. Die Antwort darauf findet sich unverblümt im Gesetzentwurf, der die ideologische Handschrift der FDP trägt und offen mit freundlichen Grüßen der Lobbyisten der anwaltlichen Großkanzleien gezeichnet ist. Dort heißt es in der Problembeschreibung, das Haftungskonzept der Partnerschaftsgesellschaft würde als „nicht befriedigend empfunden“ und an ihre Grenzen stoßen, wo „Partnerschaftsgesellschaften eine gewisse Größe überschreiten“, anwaltliche Großkanzleien folgen einem Trend zur LLP. Bei den „Alternativen“ heißt es lapidar, dass die „PartG mbB eine Alternative zur Rechtsform der britischen LLP darstelle“. Nur selten hat das Bundesjustizministerium seine besondere Fürsorge für Großkanzleien so demonstrativ zur Schau gestellt. Sie verlieren kein Wort darüber, dass die gewünschte Haftungsbegrenzung durch die Gründung einer Anwalts-GmbH erreicht werden kann. Diese stellt die bestehende, ernsthafte und damit den Gesetzentwurf entbehrlich machende Alternative dar. Warum ist dies keine Alternative für Ihre Großkanzleien? Wer eine LLP gründen kann, hat die organisatorische, finanzielle und intellektuelle Kraft dafür, eine GmbH zu gründen! Oder liegt es nicht vielmehr daran, dass insbesondere Ihre Klientel schlicht keine Lust hat, Gewerbe- und Körperschaftssteuer zu zahlen, nach handelsrechtlichen Vorgaben korrekt Bücher zu führen und diese zu veröffentlichen? Mit Vehemenz wird dies natürlich zurückgewiesen. Anwälte seien ja schließlich Angehörige der Freien Berufe, Organ der Rechtspflege, nur dem Ideal des Mandats verpflichtet, das Geld nur notwendiges Übel - diese könne man ja nicht in einen Topf mit den üblichen Gewerbetreibenden werfen, es müsse besondere Betätigungsformen geben, die dem Rechnung tragen! Diese Differenzierung ist so unzeitgemäß wie einst die Trennung von Arbeitern und Angestellten. 600 Millionen Euro Umsatz generiert allein die Abmahnindustrie jährlich in Deutschland, von der auch von Anwälten getragenen Inkassoindustrie mal ganz zu schweigen. Lösen Sie sich von diesen anachronistischen Eitelkeiten, öffnen Sie auch das Gesellschaftsrecht in allen Facetten den Freien Berufen, dann brauchen Sie Ihrer Klientel keine besonderen Geschenke zu machen. Abschließend lassen Sie mich noch auf Folgendes hinweisen. Mit der PartG mbB beerdigen Sie nicht nur die Anwalts-GmbH. Vor allem geben Sie sich in Europa der Lächerlichkeit preis, denn es sind vor allem Sie, die seit gut zwei Jahrzehnten um die Einführung der Societas Privata Europaea als europäische Schwester der GmbH kämpfen, also um eine Gesellschaftsform, die hier auf einmal nicht mehr gut genug sein soll, und es sind Sie, die für „law made in germany“ Hochglanzbroschüren produzieren und nun die eigene Kost verächten.