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Netzumbau sozial und für Erneuerbare Energien gestalten

Rede von Dorothée Menzner,

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! 2004 wurde in Zusammenarbeit mit unter anderem drei der vier großen Netzbetreiber in Deutschland eine Studie angefertigt. In dieser Studie wurde vorausgesagt, dass im Jahr 2010 insgesamt 5,4 Gigawatt Offshoreenergie, also auf See erzeugte Windenergie, und 24,4 Gigawatt Onshoreenergie, also an Land erzeugte Windenergie, produziert würden. Jetzt haben wir 2011, und wir haben nur 0,2 statt 5,4 Gigawatt Offshoreenergie, dafür aber 27 statt 24 Gigawatt Onshoreenergie.

Durch die bis heute bundesweit installierte Photovoltaik ist die für 2020 erstellte Prognose der Deutschen Energie-Agentur, dena, längst übertroffen worden. Die in dieser Studie vorgenommenen groben Fehleinschätzungen, auf denen die Netzausbauplanung bis heute beruht, machen deutlich, dass wir noch einmal ansetzen müssen und dass die entsprechenden Projekte überprüft werden müssen. Das ist einer der Gründe, warum der Widerstand gegen die Ausbauprojekte gerade bei 380-kV-Trassen in den Regionen so stark ist. Die Leute haben nämlich längst gemerkt: Diese Leitungen sind nicht nötig, um Erneuerbare ans Netz zu bringen; man plant mit fehlerhaften und alten Zahlen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dirk Becker (SPD) und Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist vollkommen klar, dass es unter diesen Voraussetzungen einer Änderung des EnLAG, des Energieleitungsausbaugesetzes, bedarf. Unser erster Schritt ist, weiterzukommen auf dem Weg hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien. Wir wollen nicht, dass sinnlos Geld zum Fenster hinausgeworfen wird. Die aufgrund der dena Studie geplanten Ausbauprojekte müssen auf Eis gelegt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Erst wenn wir einen Zielplan haben, der klarstellt, welche Netze bei einer dezentralen Erzeugung erneuerbarer Energien notwendig sind, können wir an konkrete Ausbauprojekte herangehen. Denken wir nur an den immensen Zuwachs bei Solarstrom. Er macht inzwischen im Mittel 2 Prozent der gesamten Stromerzeugung aus, tagsüber deutlich mehr, und zwar genau dann, wenn aufgrund der Spitzenlast besonders viel Strom gebraucht wird. Das gilt an sonnenreichen Tagen noch viel mehr. Das führt zum Beispiel dazu, dass der Energiebedarf in weiten Bereichen Sachsen-Anhalts voll durch Erneuerbare gedeckt werden kann. Der dezentrale Ausbau der Anlagen für erneuerbare Energien macht es also nötig, dass die Verteilnetze fitgemacht werden, damit die dezentralen Anlagen auch wirklich an das Netz angeschlossen werden können.
Es ist klar: Eon, RWE und Vattenfall sind an den Nord Süd-Trassen interessiert, weil sie wollen, dass ihre Kohlekraftwerke und ihre Atomkraftwerke im Norden am Netz bleiben. Sie wollen, dass ihr Strom weiterhin in die südlichen Bundesländer verkauft wird. Stattdessen sollten sie unterstützen, dass der überfällige Ausbau erneuerbarer Energien, zum Beispiel aus Windanlagen, stattfindet.

Das Interesse der Konzerne, die fossile Energie erzeugen, ist, die zentralen, monopolhaften Strukturen zu erhalten, und dafür brauchen sie diese Trassen. Wenn wir den Anteil der fossilen Energie zurückfahren wollen, dann brauchen wir die Erneuerbaren. Die Menschen wollen die Energiewende, und sie merken, dass das, was hier vielerorts geplant ist, nicht dazu passt, sondern weiter die großen Konzerne fördert.
Eine Energiewende muss das sagt die Linke ganz deutlich eine soziale Energiewende sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt auch, die Macht der Konzerne zu brechen und in Zukunft auf die kleinen und mittleren Energieanbieter zu setzen. Es geht dabei gerade um die kommunale Ebene, also um die Stadtwerke, und um demokratische Kontrolle. Energetische Großprojekte wie Offshorewindparks müssen auch von Stadtwerken ich denke dabei an Genossenschaften realisierbar sein. Unter anderem deshalb schlagen wir vor, das Ende der 80er-Jahre geschleifte Genossenschaftsgesetz zu reformieren und für die beschriebenen Aufgaben fitzumachen.

(Beifall bei der LINKEN)

In ihrem Antrag gestehen die Grünen der öffentlichen Hand gerade einmal eine Rolle als Kapitalgeber zu. Das genügt aus unserer Sicht nicht. Das schafft weder Transparenz noch Mitbestimmung. Die Ideen der Grünen greifen zu kurz. Die öffentliche Hand muss durch eigene kommunale und staatliche Unternehmen selber Eigentümer der Stromnetze werden, und zwar sowohl der Verteilnetze als auch der Übertragungsnetze.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur so schaffen wir es, eine wirklich demokratische Kontrolle über die Netzinfrastruktur, die ein Teil der Daseinsvorsorge ist, zu erlangen und Investitionen da zu tätigen, wo sie wirklich nötig sind.
Wenn wir von Netzumbau sprechen, dann meinen wir nicht nur die rein technische Seite. Wir sprechen dann auch über das Grundverständnis der Energienetze als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. So müssen wir sie verstehen, und so müssen wir es angehen.

Der Netzumbau muss ein Rahmenprogramm für eine beschleunigte Rekommunalisierung beinhalten. Die Bundesregierung hat in ihrem im Moment auf Eis liegenden Energiekonzept des vergangenen Jahres beim Punkt Netzausbau selbst betont, dass Hürden bei den Absprachen mit den Netzbetreibern zu erwarten sind. Ich frage Sie deshalb, warum Sie diese Infrastruktur, diesen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, überhaupt der Willkür und den Eigeninteressen des Marktes und der Privatwirtschaft überlassen, die damit Geld verdienen und natürlich eine Rendite erwirtschaften wollen und nicht sinnvoll im Interesse des Gemeinwohls agieren.
Als Eon 2008 sein Übertragungsnetz verkaufen musste, weil die europäische Kartellbehörde die Preistreiberei und den Marktmissbrauch nicht mehr toleriert hat, hätte der Bund das Netz übernehmen müssen. Genau das tat die Große Koalition nicht. Hätte sie es seinerzeit getan, wäre sie dort aktiv geworden, dann hätten wir manche Probleme und Hindernisse, die uns in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigen werden, jetzt nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bitte Sie, das zu überdenken und umzusteuern.
Ich danke.

(Beifall bei der LINKEN)