Zum Hauptinhalt springen

Nein zu einem neuen Krieg gegen den Terror

Rede von Sevim Dagdelen,

Debatte zum Bundeshaushalt 2016 - Etat des Auswärtigen Amt (Einzelplan 05)

 

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Herr Minister! Es ist natürlich begrüßenswert, dass Sie die Welt sicherer machen wollen. Es ist natürlich auch ein gutes Ziel, den IS zu bekämpfen. Aber da möchte ich Sie gerne einmal fragen, da der IS keine Waffenfabriken hat: Woher bekommt der „Islamische Staat“ seine Waffen?

(Beifall bei der LINKEN)

Deutschland ist einer der größten Waffenexporteure der Welt und beliefert Diktaturen am Golf wie Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate oder auch den Terrorförderer Türkei, von der man weiß, auch aus geheimdienstlichen Informationen, dass sie islamistische Terrormilizen in Syrien bewaffnet. Da frage ich mich: Warum bewaffnen wir weiterhin Terrorunterstützerstaaten wie diese am Golf?

(Beifall bei der LINKEN)

Was ich Ihrer Rede auch entnehme, ist, dass Sie nichts an der falschen Außenpolitik ändern wollen, die die Bundesregierung in den letzten Jahren gemacht hat. Was in diesen Tagen droht, ist eine massive Beteiligung Deutschlands an einem neuen Krieg gegen den Terror. Heute Morgen verkündete die Bundesregierung, bis zu 650 deutsche Bundeswehrsoldaten in den Krieg nach Mali schicken zu wollen. Und das Auswärtige Amt erwägt offenbar in militärischer Unterstützung Frankreichs weitere Militäreinsätze; genannt werden da vom Auswärtigen Amt Tunesien und Libyen. Ich frage Sie deshalb, ob man aus diesem furchtbaren „Krieg gegen den Terror“ nach dem 11. September, der gescheitert ist, nichts gelernt hat. Dieser sogenannte „Krieg gegen den Terror“ hat aus einigen Hundert Terroristen Hunderttausend Terroristen weltweit gemacht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist eine solche Politik falsch.

Mord muss überall verurteilt werden, egal von wem und egal wo er stattfindet. Auch deshalb ist diese Politik falsch. NATO-Bombenangriffe auf Hochzeitsgesellschaften, Drohnenmorde im Nahen und Mittleren Osten züchten den Terror und haben den Terror regelrecht gemästet. Deshalb sage ich Ihnen: Erst wenn auch dieses Hohe Haus versteht, dass die Mütter in Pakistan, im Jemen, in Afghanistan oder im Irak genauso um ihre verlorenen Kinder trauern wie die Mütter in Paris und in Frankreich, werden Sie, meine Damen und Herren, verstehen, wie wir unsere Politik verändern müssen, um im Kampf gegen den weltweiten Terror etwas zu erreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Auswärtige Amt hat in den letzten Jahren die Regime-Change-Politik der USA unterstützt. Im Irakkrieg 2003 war Deutschland mit dabei; nicht mit Soldaten. Aber Deutschland engagierte sich stärker im Krieg in Afghanistan, sodass US-Truppen für den Angriff freigesetzt wurden, und stellte die Stützpunkte in Deutschland zur Verfügung. Vor Ort in Bagdad half auch der Bundesnachrichtendienst kräftig mit. Beim NATO-Angriff auf Libyen beließ man die deutschen Soldaten in den NATO-Kommandostrukturen. Heute herrscht dort der „Islamische Staat“ über Hunderte Kilometer Mittelmeerküste. Ich frage mich: War dieser Bombenangriff, dieser Krieg in Libyen erfolgreich? War das wirklich von Erfolg gekrönt, wenn wir jetzt einen Staat haben, der völlig zerstört ist, völlig destabilisiert ist, und wo der IS Hunderte von Kilometern Mittelmeerküste kontrolliert? Ich glaube, Erfolg sieht anders aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

In Syrien agierte man mit Saudi-Arabien, Katar und der Türkei, die den barbarischen „Islamischen Staat“ und auch die Al-Nusra-Front, also einen Ableger von al-Qaida, unterstützen. Man berichtet seitens der türkischen Regierung über Bewaffnungen islamistischer Terrormilizen. Ich finde, die verheerende Saat dieser falschen Regime-Change-Politik ist jetzt aufgegangen. Auch dadurch wurden natürlich Strukturen hervorgebracht, die den Terror in der Region mit befördern. Deshalb sagt die Linke: Hören Sie endlich mit dieser Politik auf, kehren Sie um. Das Völkerrecht muss die Richtschnur sein für das außenpolitische Handeln. Das heißt, weg von einer völkerrechtswidrigen Regime-Change-Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Am Sonntag wird es mit dem türkischen Präsidenten Erdogan einen EU-Gipfel geben. Erdogan fordert jährlich 3 Milliarden Euro als Tribut, damit die Türkei Flüchtlinge im Land behält, sozusagen als Grenzwächter für die EU. Aus den Weisungen der Bundesregierung an ihre Brüsseler Beamten im Vorfeld des Gipfels lese ich heraus: Die Bundesregierung ist bereit, Herrn Erdogan jährlich eine Milliardenhilfe deutscher Steuergelder zu überweisen. - Wie wollen Sie das eigentlich vor der Bevölkerung in Deutschland rechtfertigen, dass Sie ihre Steuergelder künftig an jemanden zahlen, der Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, der faschistische Schlägertrupps in kritische Zeitungsredaktionen schickt und der jetzt ein russisches Kampfflugzeug abschießen lässt und en passant den Dritten Weltkrieg riskiert? Wir finden, das darf es nicht geben. Der Pakt mit Erdogan darf so nicht stattfinden. Das wäre nämlich eine moralische Bankrotterklärung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sagen auch, es ist nicht in Ordnung, über die militärische Beistandsklausel nach Artikel 42 Absatz 7 EU-Vertrag, auf dessen Grundlage der neue „Krieg gegen den Terror“ laufen soll, noch nicht einmal in Brüssel, geschweige denn im Bundestag abzustimmen. Alles lief auf Zuruf. Der Bundestag wurde nicht einmal informiert, geschweige denn gefragt. Jetzt will das Auswärtige Amt nicht einmal, wie bisher, über die Ratsarbeitsgruppen aus Brüssel informieren und damit das Grundgesetz und die Unterrichtungspflicht verletzen, um sich bei den Kriegsvorbereitungen nicht in die Karten schauen zu lassen.

Diesen Angriff des Auswärtigen Amtes auf die Parlamentsrechte dürfen wir nicht hinnehmen. Deshalb mein Appell auch an die anderen Fraktionen im Hause: Lassen Sie sich nicht derart entmündigen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Sagen Sie Nein zu diesem neuen „Krieg gegen den Terror“, der schon verloren ist, bevor er überhaupt angefangen hat.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)