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Naturschutzgesetz gefährdet Artenschutz

Rede von Lutz Heilmann,

Anlässlich der Verabschiedung des überarbeiteten Naturschutzgesetzes sagte Lutz Heilmann, dass künftig nur europarechtlich geschützten Arten einen hoher Schutzstandard eingeräumt wird. Der Gesetzesvollzug wird sich zudem in der Praxis als schwierg gestalten.

Das gesamte Gesetzgebungsverfahren war von Verzögerungen und Unklarheiten geprägt, obwohl enormer Handlungsdruck wegen einer drohenden Strafzahlung an die EU in Höhe von 12,6 Millionen € bestand. Der echte Wille zum Artenschutz fehlt.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Staatssekretärin, Sie haben ein gewaltiges Stück Selbstkritik an dem Verfahren mit der Novelle geübt, die wir heute hier debattieren. Sie haben auch eine beachtliche Rede gehalten; aber ich muss ehrlich sagen: Beachtliche Reden sind wir aus dem Hause Gabriel mittlerweile gewöhnt. Nur bei den Taten, die folgen sollten, sieht es dann weniger gut aus.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wie gesagt: Was die Koalition in den letzten Monaten in Sachen kleine Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz abgeliefert hat, war - vorsichtig ausgedrückt - eine Posse. Sage und schreibe elf Monate brauchten Sie, um einen Gesetzentwurf vorzulegen. Wenn es um Mehrwertsteuererhöhung, Rente mit 67 und andere große oder auch kleine Schweinereien geht, sind Sie dagegen sehr viel fixer. Dabei hat der EuGH gerade einmal vier Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes gerügt; deswegen heißt es im Übrigen auch kleine Novelle. Dass Ihr Gesetzentwurf nicht viel taugte, wurde auch durch das Urteil des EuGH gegen Österreich im Frühjahr dieses Jahres deutlich. Die Situation dort war vergleichbar, und das Urteil gibt es Ihnen noch einmal schwarz auf weiß: Ihr Gesetz ist Murks.

Aber das war leider noch nicht alles. Mit allen Mitteln versuchten Sie, eine von meiner Fraktion geforderte Anhörung zu verhindern. Klammheimlich wollten Sie ein Gesetz verabschieden, das von vornherein europarechtswidrig gewesen wäre. Wir sollten doch kein Vertragsverletzungsverfahren mit Strafzahlungen für Deutschland riskieren, war Ihr Argument.

Es ist schon ein starkes Stück, die eigene Untätigkeit, das eigene Unvermögen anderen unterschieben zu wollen. Aber auch das war noch zu toppen. Nach der Anhörung kam zum Vorschein, wie uneins die Koalition war. Fortan ging es frei nach dem Motto: rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, rauf auf die Tagesordnung, wieder runter von der Tagesordnung. Deshalb war ich einigermaßen skeptisch, als ich letzte Woche erfuhr, dass wir über die Novelle heute endlich abschließend beraten sollen. Vernünftige Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, sieht anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber zurück zu Ihrem Gesetzentwurf. Ist er denn das ganze Theater überhaupt wert? Genügt er den Anforderungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes? Nein. Auch mit den Änderungsanträgen, die Sie heute eingebracht haben, wird es kein gutes Gesetz. Einige Beispiele hierfür:
Erstens. Nach dem Gesetzentwurf sollen nur erhebliche Störungen von Ruhestätten von Arten untersagt werden. Die Richtlinie fordert aber, jede Beschädigung oder Vernichtung dieser Stätten zu unterlassen.
Zweitens. Nach Ihrem Gesetzentwurf sollen nur erhebliche Störungen örtlicher Populationen untersagt werden. Die Richtlinie besagt aber, dass alle Maßnahmen, die der Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustandes einer Art zuwiderlaufen, unzulässig sind.
Drittens. Nach Ihrem Gesetzentwurf werden Arten erster und zweiter Klasse geschaffen. Können Sie mir sagen, warum der Seefrosch weniger geschützt sein soll als der Kammmolch?

(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das konnte ich auf den Bildern jetzt nicht erkennen!)

- Das konnten Sie jetzt nicht erkennen? - Ich kann die Bilder gerne noch einmal hochhalten. Auf dem einen Bild ist ein Seefrosch zu sehen, welcher auf der Roten Liste steht. Das zweite Bild zeigt einen Kammmolch. Der wird durch die FFH-Richtlinie geschützt.
Angesichts dessen fordert die Fraktion Die Linke erstens die Schaffung verbindlicher Vorgaben für die nur national geschützten Arten, dazu gehört der Seefrosch.

(Michael Brand [CDU/CSU]: Sie instrumentalisieren ja sogar die Frösche!)

Es kann nämlich nicht sein, dass es Arten erster und zweiter Klasse gibt.
Zweitens fordern wir verbindliche Rechtsgrundlagen für ein umfangreiches staatliches Monitoring im Sinne der FFH-Richtlinie für alle geschützten Arten.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens fordern wir, sich eng an den klaren Begriffsbestimmungen der Richtlinie zu orientieren und keine unbestimmten Rechtsbegriffe zu verwenden, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und Vollzugsprobleme zu vermeiden.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Nur mit den von mir genannten Maßnahmen könnten wir den Anforderungen eines effektiven, guten Artenschutzes gerecht werden.

(Zuruf von der SPD: Tagträumerei ist das doch! - Michael Brand [CDU/CSU]: Kammmolche aller Länder, vereinigt euch!)

Das wären wirksame Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt. Damit wäre Deutschland Vorbild für alle Länder, deren Vertreter im nächsten Jahr nach Deutschland kommen, um an der 9. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zum Schutze der biologischen Vielfalt teilzunehmen.
Mit der Novelle schaffen wir das nicht. Mit der Novelle sind wir kein Vorbild. Deshalb wird die Linke diesen Gesetzentwurf ablehnen, und wir werden im Rahmen der UGB-Diskussion und im Zusammenhang mit der großen Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes Sie ganz einfach wieder daran erinnern.
Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)