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NATO steht einer Friedenspolitik im Wege

Rede von Paul Schäfer,

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Ende des Kalten Krieges stellte sich die Frage: Was passiert mit den hoch gerüsteten Militärbündnissen, wenn der jeweilige Feind abhanden gekommen ist? Kann man sie auflösen oder nicht? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, kam schnell das geflügelte Wort für die NATO auf: out of area oder out of business. Nun ist die NATO out of area, sie ist weltweit im Geschäft. „We are very busy“, hat uns der NATO-Generalsekretär kürzlich gesagt. Man geht dabei von einem Sicherheitsbegriff aus, der bei der organisierten Kriminalität anfängt und über die Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen bis hin zur unkontrollierten Bewegung einer großen Zahl von Menschen das steht in NATO-Dokumenten reicht. Das alles kann unsere Sicherheit bedrohen. Gleichzeitig hat man sich 1999 im Jugoslawienkrieg selbst zu Militärintervention und Krieg ermächtigt und hat das in die Doktrin hineingeschrieben. Mit anderen Worten: Die NATO verpflichtet sich zu nichts, ermächtigt sich aber zu allem.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich finde, 15 Jahre nach dem Gipfel von Rom müsste eine kritische Bilanz darüber gezogen werden, was man erreicht hat und was nicht. Auf der Agenda steht seit 1991 der Kampf gegen den Terrorismus. Das steht mit wachsendem Gewicht auf der Agenda der NATO. Haben wir in den Folgejahren weniger Terrorismus gehabt oder mehr Terrorismus? War diese Politik von Erfolg gekrönt? Seit 1991 steht in den Dokumenten, die Nichtverbreitung von Atomwaffen, Rüstungskontrolle und Abrüstung hätten größte Bedeutung für die NATO. Hat man hier etwas erreicht? Wir haben inzwischen de facto mehr Atommächte. Wir haben wieder steigende Rüstungsausgaben und auch die globalen Waffenströme wachsen an. Das ist keine Erfolgsstory. Ob das Kosovo als Beispiel dafür taugt, dass die NATO ein Instrument der Krisenreaktion ist, ist sehr in Zweifel zu ziehen. Diese Intervention war mit einem Völkerrechtsbruch verbunden. Das Ziel eines multiethnischen Kosovo ist inzwischen Schall und Rauch.
Beim Thema Afghanistan sind wir inzwischen bei Durchhalteparolen angelangt, die lauten: Wir dürfen nicht verlieren. Die NATO findet keinen Weg aus Krieg und Gewalt. Das hängt nach unserer Überzeugung als Linke damit zusammen, dass die NATO ganz überwiegend eine Militärallianz geblieben ist, dass sie überwiegend von den USA dominiert wird, und dass sie der Mobilisierung neuer Ressourcen für eine Entwicklungspolitik im Wege steht.
(Beifall bei der LINKEN)
Die französische Verteidigungsministerin hat kürzlich bekräftigt, Frankreich sei nur für ein reines Militärbündnis zu haben, weil man sonst falsche politische Botschaften übermittelt, nämlich die einer Kampagne auf Initiative des Westens gegen diejenigen, die seine Auffassung nicht teilen. Sie fragte weiter: Welch einen Vorwand würden wir damit denen liefern, die die These vom Konflikt der Kulturen vertreten?
Da wurde wenigstens einmal kritisch darüber nachgedacht, ob wirklich alles gut ist, und ob wir, weil der Westen gut ist, über die militärische Stärkung und Handlungsfähigkeit des Westens reden können. Das ist zwar auf französischer Seite nicht konsequent durchdekliniert, ich möchte es aber einmal zuspitzen. Ich habe noch ein anderes Zitat: Der Westen gewann die Welt nicht durch die Überlegenheit seiner Ideen oder Werte oder der Religion, vielmehr durch seine Überlegenheit, organisierte Gewalt anzuwenden. Die Euro-Amerikaner vergessen oft diese Tatsache, der Rest der Welt nicht. - Das hat kein Linker gesagt, sondern Samuel Huntington. Damit hat er einen Punkt problematisiert, den Sie vielleicht auch einmal problematisieren sollten, statt wie im Antrag der Regierungskoalitionen einfach zu sagen, wir müssten jetzt die militärische Handlungsfähigkeit der NATO stärken und schon seien wir auf dem Weg zu einer friedlichen Welt. Nein, das wird so nicht funktionieren.
Unser Antrag weist in die richtige Richtung. Wir müssen eine konsequente Politik der Zivilisierung verfolgen. Das heißt aber auch, dass wir kritisch reflektieren müssen, dass die NATO nun einmal das größte Aufrüstungsbündnis ist, das im Moment existiert. Deshalb wiederholen wir unseren Vorschlag. Am Ende des Kalten Krieges hieß es: Wer mehr hat, soll mehr geben. Heute müssen wir sagen: Wer so viel hat wie die NATO, sollte wenigstens einmal anfangen mit der Abrüstung. Das ist der entscheidende Punkt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir reden über die Krise der nuklearen Nichtverbreitung. Auch diesbezüglich kann und muss die NATO ein positives Signal setzen; dafür könnte einiges getan werden. Unter dem Strich brauchen wir nach unserer Auffassung als Fraktion Die Linke die NATO nicht als globales Ordnungsbündnis und als Weltpolizist. Gegen eine NATO out of business haben wir nichts.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)