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Nachhaltige Politik gestalten - nicht nur drüber reden!

Rede von Lutz Heilmann,

Anlässlich der Debatte im Deutschen Bundestag über die Einsetzung eines Beirates für nachhaltige Entwicklung (DS 16/1131) wies Lutz Heilmann darauf hin, dass die Politik der Bundesregierung alles andere als nachhaltig sei. Im Umweltschutz sei Deutschland international schon lange kein Vorreiter mehr. Zudem nehme die soziale Spaltung Deutschlands weiter zu und werde u.a. durch Rentenkürzungen und Hartz IV weiter vorangetrieben, da die Politik sich einseitig an wirtschaftlichen Interessen orientiert. DIE LINKE. setzt sich dafür ein, dass es eine wirklich nachhaltige Entwicklung mit der gleichberechtigten Berücksichtung sozialer und ökologischer Belange gegenüber den wirtschaftlichen Erfordernissen in der BRD gibt. (6.4.06)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Über Nachhaltigkeit wird in diesem Haus viel gesprochen. Selbst die Bundesregierung behauptet ständig, dass ihre Politik nachhaltig ist. Was aber ist Nachhaltigkeit? Nachhaltigkeit ist ein Leitbild, eine regulative Idee. Daraus ergibt sich für unser Handeln eine prinzipielle Anweisung, dieses so zu organisieren, dass wir nicht auf Kosten der Natur, anderer Menschen, anderer Regionen oder anderer Generationen leben. (Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Dann müsst ihr mal das eigene Wahlprogramm durchlesen!) Es geht also um eine faire Abwägung der ökologischen Anforderungen und der sozialen Gerechtigkeit mit den wirtschaftlichen Erfordernissen und deren gleichberechtigte Berücksichtigung. Dazu gehört auch, die Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern auszubauen. Die Demokratisierung alltäglicher politischer Entscheidung ist untrennbar mit einer nachhaltigen Entwicklung verbunden. Erfüllt die Mehrheit dieses Hauses mit ihrer Politik diesen Anspruch? Ich meine: Wohl kaum. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen, Sie richten sich mit Ihrer Politik einseitig an den Interessen der Wirtschaft aus. Ökologische und soziale Belange bleiben zumeist auf der Strecke. (Beifall bei der LINKEN) Deswegen ist die Bundesrepublik Deutschland international schon lange kein Vorreiter im Umweltschutz mehr und nimmt die soziale Spaltung der Gesellschaft stetig zu. Ich nenne einige Beispiele: Die geplante Aufweichung des Kündigungsschutzes führt dazu, dass immer mehr Menschen die Zukunft unsicherer erleben werden. Durch die Agenda 2010 insbesondere Hartz IV werden noch mehr Menschen in Armut gebracht. (Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Jetzt haben wir es geschafft: Wir sind jetzt wieder bei Hartz IV!) Durch die Kürzung der Renten wir haben es heute Vormittag diskutiert wird vielen Menschen ein würdiges Leben im Alter genommen. Der ohnehin windelweiche Atomausstieg wird ständig infrage gestellt, obwohl die Gefahren der Atomkraft nicht beherrschbar sind. Zur Erinnerung: In diesen Tagen jährt sich die Katastrophe von Tschernobyl zum 20. Mal. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU: Übernehmen Sie die politische Verantwortung, wenn es in der Bundesrepublik Deutschland zu einem GAU kommt? Herr Mißfelder, Ihre Einlassung von eben schreibe ich ganz einfach Ihrem jugendlichen Alter zu. Mit 22 Jahren unterlag ich auch noch solchen Irrtümern. (Jörg Tauss (SPD): Lesen Sie mal vernünftig nach! Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Er ist 26 Jahre alt! Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Er hat keinen Schülerausweis mehr!) Durch die Föderalismusreform wird im Umweltrecht ein Kompetenzwirrwarr geschaffen, durch den der Umweltschutz auf das Abstellgleis abgeschoben wird. Der Naturschutz wird de facto auf dem Altar der Wirtschaft geopfert. Anstatt die Beteiligungsrechte auszubauen, sollen diese durch das Planungsbeschleunigungsgesetz systematisch abgebaut werden. Die Bürgerinnen und Bürger sowie die Verbände sind in ihren Augen anscheinend lästige Querulanten, die die Arbeit der Behörden behindern. Das alles geschieht für die Steigerung der Unternehmensgewinne, insbesondere der der großen Konzerne. Die Linke wird daher auch in Zukunft für eine Politik stehen, die die Bezeichnung „nachhaltig“ verdient. Auch im Beirat für nachhaltige Entwicklung werden wir ein Garant dafür sein, dass die soziale und die ökologische Frage nicht wie so oft hinten herunterfallen. (Beifall bei der LINKEN) In Sonntagsreden einer nachhaltigen Entwicklung das Wort zu reden und im Plenumsalltag das Gegenteil zu tun, geht nicht zusammen. Darauf werde ich und wird unsere Fraktion die Menschen aufmerksam machen. Zum Beirat der letzten Legislaturperiode will ich nur anmerken, dass der neue Beirat sowohl aufgrund der zahlenmäßigen Aufstockung als auch durch das Ausscheiden der bisherigen Vorsitzenden wirklich ein völlig neuer Beirat sein wird. Wir können aber nicht einfach da weitermachen, wo Sie in der letzten Legislaturperiode aufgehört haben. Ohne alles infrage stellen zu wollen, beansprucht unsere Fraktion ein Mitspracherecht bei der Auswahl der künftig zu behandelnden Themen. Die Rechte, die Sie dem Beirat zugestehen wollen, reichen nicht aus. Ich befürchte, dass der Beirat erneut nur ein zahnloser Tiger sein wird. Einen neuen Debattierklub ohne politischen Einfluss braucht dieses Land allerdings nicht. (Beifall der Abg. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE)) Unser Anspruch ist es, die Politik des Bundes zu beeinflussen, damit sie wirklich nachhaltig wird. Im Übrigen finde ich es bedauerlich, dass Sie meinten, den vorliegenden Antrag ohne uns einbringen zu müssen. Dies ist umso enttäuschender, weil es doch das Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung ist, gemeinsam und im Konsens aller Beteiligten nach Lösungen zu suchen. Diese gemeinsame Suche haben Sie bereits vor Beginn unserer Arbeit schwer belastet. Trotz seiner beschränkten Rechte unterstützen wir die Schaffung eines parlamentarischen Gremiums, das sich über die nachhaltige Entwicklung Gedanken macht. (Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Wie gütig! Immerhin!) Daher müssen Sie damit rechnen, dass auch die „Schweinebande“, wie uns kürzlich der Kollege Grindel von der CDU/CSU nannte, dem Antrag zustimmen wird. (Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Da haben Sie etwas verwechselt! Jörg Tauss (SPD): Das müssen wir aber mal richtig stellen!) Das ersparen wir Ihnen nicht. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN)