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Mor Gabriel

Rede von Lukrezia Jochimsen,

"Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Endlich gibt es in unserem Parlament eine Debatte zur Problematik des Klosters Mor Gabriel. Wenn ich absehen könnte vom traurigen, inhumanen, menschenrechtsverletzenden Anlass ‑ wie nämlich eine uralte, ein großes religiöses und kulturelles Erbe vermittelnde, heute aber zahlenmäßig kleine Minderheit im europäischen Beitrittsland Türkei gnadenlos drangsaliert und diskriminiert wird ‑, würde ich mich freuen, dass nach nunmehr drei Jahren die Regierungskoalition eine Initiative von Claudia Roth, Monika Griefahn und mir aufgreift.
Es ist mir ‑ mit Verlaub ‑ schon wichtig, hier festzustellen, dass die Linke die erste Fraktion war, die 2009 einen Antrag zu Mor Gabriel mit dem Titel „Dauerhaften Schutz des Klosters Mor Gabriel sicherstellen“ erarbeitet hat.
(Beifall bei der LINKEN)
In diesem Antrag forderten wir die Bundesregierung auf, sich in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenüber der türkischen Regierung aktiv dafür einzusetzen, dass sie die Existenz- grundlage und die Lebensperspektive des Klosters Mor Gabriel dauerhaft garantiert
(Michael Brand (CDU/CSU): Jetzt zitieren Sie aber aus unserem Antrag!)
und die syrisch-orthodoxe Minderheit in ihrem Land als solche im Sinne des Vertrages von Lausanne ... anerkennt. Insbesondere gilt es, die Sicherheit der Klosterbewohnerinnen und -bewohner und der syrisch-orthodoxen Bevölkerung im Alltag zu gewährleisten.
Damals hatten wir drei Parlamentarierinnen, die vor Ort die bedrohten Lebens- und Arbeitsverhältnisse kennengelernt hatten, gehofft, einen fraktionsübergreifenden Antrag einbringen zu können. Die CDU/CSU war zunächst desinteressiert, kaperte dann aber unseren Entwurf und erklärte ihn zum Antrag der Großen Koalition und der FDP, der ohne Debatte zur Sofortabstimmung eingebracht wurde, ganz schnell, ganz unbemerkt, ganz lautlos.
(Michael Brand (CDU/CSU): Wir waren beim Kloster Mor Gabriel immer sehr laut!)
Claudia Roth nannte dieses Verfahren in einer persönlichen Erklärung damals keinen angemessenen Umgang in der Sache. 2009 gab es im Parlament drei inhaltlich fast identische Anträge aus rein parteipolitischem Kalkül ‑ bei einem solchen Thema, bei einem solchen christlichen Hintergrund.
Heute nun steht Mor Gabriel endlich auf unserer Tagesordnung mit einem Antrag, der die ganze Misere dieses Falles zwar genau beschreibt und auch die Ohnmacht der EU und der Bundesrepublik, der uns aber in der Sache nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht weiterbringt. Es heißt im Antrag selbst, dass Demarchen und Gespräche bisher zu keiner substanziellen Verbesserung der Sache geführt haben. Insofern verwundert es, dass der Antrag in seinem Forderungskatalog nichts anderes enthält als vor drei Jahren, nämlich sich weiterhin für Mor Gabriel einzusetzen.(Michael Brand (CDU/CSU): Das ist doch gut! Am Ball bleiben! Anpacken!)
Das ist nach dieser ganzen Zeit und all diesen Erfahrungen einfach nicht genug.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn wir also hier keine Schaufensterdebatten mit wohlklingenden Appellen führen wollen,
(Michael Brand (CDU/CSU): Jetzt wird es aber langsam unverschämt!)
aufgrund derer man sich im Kloster Mor Gabriel - das gilt auch für die Minderheit - nichts erhoffen kann, dann müssen wir über andere solidarische Hilfen für Mor Gabriel nachdenken und uns dafür einsetzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wie wäre es mit einem ständigen Beobachter aus dem christlichen oder zivilgesellschaftlichen Bereich anstelle der bisherigen sporadischen Prozessbeobachter? Wie wäre es mit einem Arbeitsbesuch des Außenministers, der Staatsministerin oder gar der Kanzlerin als nachdrückliches Zeichen der Unterstützung?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Mor Gabriel ist nicht nur das kulturelle Erbe der syrisch-orthodoxen, sondern auch der syrisch-katholischen und der syrisch-protestantischen Christen. Gerade sie kämpfen jetzt alle in Syrien ums Überleben, fliehen über die Grenze in die Türkei - in die Nähe von Mor Gabriel. Es geht also um ein Exempel, wie ernst dem türkischen Staat Toleranz, religiöse und kulturelle Vielfalt ist. Es geht auch um ein Exempel, wie viel Solidarität die Europäische Union hier ausüben kann, auch und gerade mithilfe der Bundesrepublik. Die Vergangenheit hat gezeigt: Nur internationaler Druck hilft in diesem Fall. Danke.
(Beifall bei der LINKEN)