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Mobilfunkstrahlung - gesetzliche Grenzwerte statt freiwillige Vereinbarung der Hersteller

Rede von Lutz Heilmann,

Zur Debatte um die Mobilfunkstrahlung sagte Lutz Heilmann: Selbstverständlich brauchen wir eine verbraucherfreundliche Kennzeichnung über die Strahlenbelastung durch Mobilfunkgeräte. Aber statt den Bock zum Gärtner zu machen und darüber mit den Herstellern zu verhandeln, die die letzten Jahre tatenlos verstreichen gelassen haben, sollte die Regierung das gesetzlich festlegen. Außerdem brauchen wir verbindliche Grenzwerte für den SAR-Wert in Höhe des für den "Blauen Engel" erforderlichen Wertes.

Sehr geehrte/r Herr/Frau Präsident/in, liebe Kolleginnen und Kollegen

Die Gefahren des Mobilfunks bewegen viele Menschen. Mittlerweile besitzen fast alle Deutschen ein Mobiltelefon, viele sogar mehrere.

Nun hören wir immer wieder von der Bundesregierung, dass eine schädliche Wirkung von Mobilfunkstrahlen bislang nicht nachgewiesen ist. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn es gibt sehr wohl Untersuchungen, die negative Effekte auf die Gesundheit von Menschen belegen. Wobei im 2. Mobilfunkbericht der Bundesregierung all diesen Studien irgendein methodischer Mangel nachgewiesen wurde. Ohne jemandem etwas unterstellen zu wollen, hat dies doch ein ziemliches „Geschmäckle“, wenn man bedenkt, dass die Bundesregierung durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen seinerzeit 50 Milliarden Euro eingenommen hat. Darf nicht sein, was nicht sein soll?

Jedenfalls kann offensichtlich niemand Gefahren durch den Mobilfunk ausschließen. Das folgt aus der Empfehlung des Bundesamtes für Strahlenschutz, wonach Kinder nicht oder nur wenig mit einem Handy telefonieren sollten.

Deshalb ist die Debatte über strahlungsarme Mobilfunkgeräte hier und heute richtig und wichtig. Es ist wohl unstrittig, dass die größere Gefahr von den Geräten beim Telefonieren am Ohr ausgeht, als von den Sendemasten. Das heißt nicht, dass die Sendemasten zu vernachlässigen sind, es heißt aber, dass die Handys das vordringlichere Problem sind. Und es heißt auch, dass sich jede und jeder selber einigermaßen schützen kann, in dem er oder sie aufs Handy verzichtet - oder eine Freisprecheinrichtung benutzt.

Auch wir sind der Auffassung, dass es endlich eine verbraucherfreundliche Kennzeichnung der Strahlung der Mobiltelefone geben muss. Wir teilen auch die Feststellung, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Mobilfunkbetreiber gescheitert ist. Der SAR-Wert eines Gerätes, dessen Bedeutung die meisten ohnehin nicht kennen, wird doch irgendwo zwischen der Akkulaufzeit und dem verfügbaren Zubehör angezeigt.

Zudem sagt auch der Präsident der Bundesanstalt für Strahlenschutz, dass der „Blaue Engel“ von den Herstellern boykottiert wird. Diese wollen nicht einige ihrer Geräte als umweltfreundliche kennzeichnen, weil die anderen dann als nicht umweltfreundlich gebrandmarkt wären.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: wenn Sie so weit mit Ihrer Analyse gekommen sind, dann verstehe ich nicht, warum Sie trotz allem den Bock zum Gärtner machen und mit der Industrie über eine „bindende Selbstverpflichtung“ sprechen wollen.

Erstens haben Sie bislang nicht erklärt, was das eigentlich sein soll. Wenn etwas bindend ist, dann müssen Verstöße doch mit Sanktionen belegt werden können. Sanktionen aber sind nach meiner Überzeugung eine staatliche Aufgabe und nicht Sache der Wirtschaft. Dann aber ist es auch keine reine Selbstverpflichtung.

Zweitens haben die Erfahrungen der letzten Jahre doch eines klar gezeigt. Hersteller und Netzbetreiber haben kein Interesse daran, dass Problem der Mobilfunkstrahlung ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Gespräche mit der Industrie werden nur zu einer weiteren Verzögerung führen. Daher fordern wir von der Bundesregierung, eine verbraucherfreundliche Strahlungskennzeichnung auf dem Verordnungswege zu erlassen.

Die PDS-Fraktion brachte bereits in der 14. Legislaturperiode einen Antrag ein, in dem wir eine verpflichtende Kennzeichnung der Strahlung aller Mobiltelefone und Schnurlostelefone gefordert hatten. Daneben enthielt der Antrag 17 weitere Forderungen - mit halbherzigen Gesprächen mit der Industrie ist es bei weitem nicht getan.

Ich jedenfalls halte es mit dem Staatssekretär Müller, der auf der Internetseite des BMU zum Strahlenschutz mit den Worten zitiert wird: „Krebs lässt sich am besten durch Vorsorgemaßnahmen vermeiden“ - wobei das nicht explizit im Zusammenhang mit Mobilfunk steht.

DIE LINKE. ist deshalb der Auffassung, dass ein SAR-Wert von 0,6, der für den Blauen Engel eingehalten werden muss und der deshalb aus Sicht der Vorsorge als obere Grenze anzusehen ist, als verbindlicher Grenzwert festsetzen ist. Und bevor Sie mir vorwerfen, ich betreibe den Ruin der Mobilfunkhersteller - wobei die Geräte ja nun ohnehin nicht mehr aus Deutschland kommen - kann der bestehende Richtwert von 2 auch stufenweise zunächst auf 1 abgesenkt werden - diesen Wert halten über 90% der Geräte ein.

Zudem müssen aus Gründen der Vorsorge auch die völlig veralteten Grenzwerte für Sendeanlagen von 1991 verschärft werden. In einigen europäischen Staaten wie Italien und der Schweiz gelten um den Faktor 100 strengere Grenzwerte für Mobilfunkanlagen als in Deutschland - da ist es kein Wunder, dass die Grenzwerte in Deutschland nie überschritten werden.

Zum Abschluss möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen: Schnurlostelefone senden immer, sogar dann, wenn die Geräte in der Basisstation stehen. Der Einbau eines Schalters, mit dem man dies unterbinden könnte, kostet gerade einmal 10 Cent. Da bedeutet es nicht den Ruin der Telefonhersteller, wenn wir diesen Schalter zur Pflicht machen würden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

(Diese Rede wurde zu Protokoll gegeben)