Zum Hauptinhalt springen

Mitnahme von Assistenz auch in Vorsorge- und Rehaeinrichtungen ermöglichen

Rede von Ilja Seifert,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit einem Beispiel: Zwei Personen werden ungefähr zeitgleich mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert. Beide erhalten ungefähr dieselbe Diagnose. Beide bekommen im Krankenhaus die erforderliche Behandlung. Der eine ist Rollstuhlfahrer und wird nicht nur von den Krankenschwestern und -pflegern versorgt, sondern hat auch noch seine Assistentin oder seinen Assistenten dabei, die oder der ihm hilft, seinen Alltag zu bewältigen. Der andere geht anschließend in die Reha. Der Mensch mit Rollstuhl geht nicht in die Reha, weil er seine Assistentin oder seinen Assistenten dorthin nicht mitnehmen kann. Wie soll er wieder gesund werden? So ist zurzeit die Situation in Deutschland.
Wir haben hier kurz vor der Bundestagswahl 2009 gemeinsam beschlossen, dass Menschen mit Behinderung ihre Assistentin oder ihren Assistenten, wenn sie oder er nach dem Arbeitgebermodell beschäftigt ist, mit ins Krankenhaus nehmen können, weil inzwischen eingesehen wurde, dass dort besondere Bedingungen herrschen, die man nur mit der Assistentin oder dem Assistenten bewältigen kann. Das ist aber weder in der Vorsorge, also bei prophylaktischen Maßnahmen, noch in der Nachsorge möglich. Deshalb legt die Linke jetzt einen Gesetzentwurf vor, der diese Lücke schließt. Lassen Sie Menschen mit Behinderung sowohl prophylaktische Maßnahmen als auch kurative Maßnahmen als auch Reha-Maßnahmen mit ihrer Assistentin oder ihrem Assistenten bewältigen, damit sie voll am Leben teilhaben können, so wie es die UN-Behindertenrechtskonvention vorschreibt.
Wir schlagen hier eine kleine gesetzgeberische Maßnahme vor. Es entsteht kein großer Aufwand; es ist unproblematisch zu regeln. Es bedarf keiner großen Aktionspläne, keiner Umsetzungskonzeptionen und auch keiner großen Datenerhebungen; die Kosten sind überschaubar. Ich weiß wie die meisten von Ihnen, die sich mit der Problematik beschäftigen, dass das nur ein kleiner Schritt auf dem Weg ist, den wir gehen müssten: Eigentlich müssten wir auch den Menschen, die ihre Assistenz nicht nach dem Arbeitgebermodell beschäftigen, die Möglichkeit geben, ihre Assistentin oder ihren Assistenten sowohl bei Vorsorge- als auch bei Behandlungs- und Nachsorgemaßnahmen mitzunehmen. Aber lassen Sie uns wenigstens diesen kleinen Schritt gehen. Das Ziel muss sein – dazu haben wir alle uns verpflichtet, als wir das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert und es damit ohne Vorbehalte in nationales Recht umgesetzt haben –, die volle Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen zu sichern. Volle Teilhabe heißt im Krankheitsfall, dass wir wieder richtig gesund werden können, jedenfalls, was eine akute Krankheit wie den Herzinfarkt angeht. Die Menschen haben gelernt, mit ihrer Behinderung zu leben; aber wir dürfen ihnen nicht zumuten, zusätzlich krankgemacht zu werden. Bitte ergreifen Sie die Initiative, springen Sie über Ihren Schatten und stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.
Vielen Dank.