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Mit erleichterter Einbürgerung Menschen zu gleichberechtigten Mitgliedern der Gesellschaft machen

Rede von Sevim Dagdelen,

Die geltende Rechtslage und Einbürgerungspraxis stellen zu hohe Hürden auf. Zu kritisieren sind unter anderem die hohen Einbürgerungsgebühren, zu langwierige Verfahren, da grundsätzlich die vorherige Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit verlangt wird und der Ausschluss von Personen, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen.

Anrede,

Wer sich auf Dauer in einem Staat niederlässt - zumal wenn sich dieser als Demokratie versteht - hat Anspruch auf politische und soziale Rechte. Dieser Anspruch kann im Prinzip auf zwei Arten erfüllt werden: über einen unkomplizierten Zugang zur Staatsbürgerschaft oder über das Wahlrecht auch für im Land lebende Menschen ohne deutschen Pass.

Das, was wir von der Bundesregierung erleben, ist genau das Gegenteil.

Weder schafft sie die Möglichkeit eines entsprechenden Wahlrechts - nicht mal auf kommunaler Ebene - noch versucht sie Einbürgerungen tatsächlich zu ermöglichen. Sie erschwert und verhindert stattdessen Einbürgerungen.

Die geltende Rechtslage und Einbürgerungspraxis stellen zu hohe Hürden auf. Zu kritisieren sind unter anderem die hohen Einbürgerungsgebühren, zu langwierige Verfahren, da grundsätzlich die vorherige Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit verlangt wird und der Ausschluss von Personen, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen.

Für DIE LINKE ist es demokratiepolitisch bedenklich, wenn die Einbürgerung von der sozialen Integration von Migrantinnen und Migranten abhängig gemacht wird. Und es ist für uns ein demokratiepolitisches Problem, wenn Menschen der Zugang zur Staatbürgerschaft ihres Wohnlandes erschwert wird bzw. weitgehend verschlossen bleibt.

Genau dies ist in der Bundesrepublik aber der Fall, wie die rückläufigen Einbürgerungszahlen zeigen.

So wurde im Jahr 2000 mit 186.688 Einbürgerungen zwar ein Höchststand erreicht; doch lässt sich dieser im Wesentlichen mit Sonderfaktoren der damaligen Gesetzesänderung erklären. Seitdem sank die Zahl der jährlichen Einbürgerungen kontinuierlich auf bis zu 127.153 im Jahr 2004 und nur noch 113.030 im Jahr 2007 ab. Der Rückgang von 2000 bis 2007 beträgt zwischen 32 und 40 Prozent.

Im europäischen Vergleich schneidet die Bundesrepublik Deutschland ohnehin schlecht ab. Auch die sehr niedrige Einbürgerungsquote ist ein absolutes Desaster. Von den Menschen ohne deutschen Pass haben sich gerade mal 1,56 Prozent im Jahr 2007 einbürgern lassen.

Doch daran will die Bundesregierung nichts ändern.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schafft es die Bundesregierung gerade mal auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zu reagieren. Darin wurde die Bundesregierung aufgefordert, eine klare spezialgesetzliche Regelung zur Rücknahme der Staatsangehörigkeit zu erlassen. Doch die Bundesregierung belässt es nicht einfach dabei, die Rücknahme bzw. den Entzug der Staatsangehörigkeit zu regeln. Nein, wie so oft im „Ausländerrecht" wird eine Doppelbestrafung eingeführt. Denn damit diese Regelung nicht auch nur ansatzweise einen positiven Beigeschmack erhält, wird noch zusätzlich eine Strafvorschrift eingeführt. Für „unrichtige oder unvollständige Angaben" zur „Erschleichung" der Staatsange­hörigkeit soll eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden können. So sieht das Rechtsstaatsverständnis der Bundesregierung und insbesondere der CDU/CSU aus.

Das ist nicht nur völlig unverhältnismäßig, sondern sichert den Drang der Bundesregierung nach sozialer Selektion zusätzlich ab. Denn unrichtige Angaben werden vermutlich am ehesten noch zu den Fragen der Lebensunterhalts­sicherung gemacht. Und da spielt es dann keine Rolle, ob lediglich ein Anspruch auf Sozialleistungen bestand, der aber nicht angegeben wurde, da dieser nicht wahrgenommen wird. Wir lehnen nicht nur die Strafvorschrift ab. DIE LINKE. lehnt auch das Erfordernis der Lebensunterhalts­sicherung ab. Die Staatszugehörigkeit und politische Gleichberechtigung dürfen nicht vom Einkommen abhängig sein.

Genau so wenig dürfen in einem Land geborene Kinder ungleich behandelt werden. Für uns ist das eine Frage der Gerechtigkeit. Für die Kinder müssen die gleichen Grundvoraussetzungen für ihre Entwicklung geschaffen werden. Und dies kann nur über die automatische Einbürgerung bei Geburt im Inland geschehen. Diese bei Volljährigkeit der Kinder dann wieder in Frage zu stellen und sie zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit oder der ihrer Eltern entscheiden zu lassen, ist absurd. Dieser Entscheidungszwang wird der Lebenssituation der mit mehreren Staatsangehörigkeiten aufgewachsenen jungen Erwachsenen nicht gerecht.

Anrede,

Herr Wolff von der FDP hat der LINKEN in seiner Rede zur 1. Lesung unseres Antrags zur Optionspflicht - siehe Plenarprotokoll 16/183 auf S. 19573 - vorgeworfen, wir wollten durch die Abschaffung der Optionspflicht „den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit so billig wie möglich machen" und wir würden damit „ideologisch an der Gesetzgebung herumschrauben". Doch haben wir nichts anderes gefordert als der Sachverständige der FDP in der Anhörung zum Staatsangehörigkeitsrecht. Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann - wie alle anderen Sachverständigen übrigens auch -, hat sich eindeutig gegen die Optionspflicht ausgesprochen. Dies ist nachzulesen in seiner Stellungnahme A-Drs. 16(4)311 C. In dieser plädiert er dann auch entsprechend für eine ersatzlose Abschaffung.

Viel Schaumschlägerei veranstaltet ja auch die SPD immer wieder gerne. So auch bezogen auf die Forderung nach der Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit. Herr Wiefelspütz hat Initiativen der SPD zur Ermöglichung der doppelten Staatsangehörigkeit im Deutschen Bundestag bereits am 26. Mai 1993 angekündigt nachzulesen im Plenarprotokoll 12/160 auf S. 13575. Damals noch, um die Zustimmung der SPD zum sog. „Asylkompromiss" zu rechtfertigen. Sein Kollege Rudolf Körper tat selbiges in der Debatte vom 14. Juni 2007 zur Rechtfertigung der Zustimmung der SPD zum Richtlinienumsetzungsgesetz - Plenarprotokoll 16/103, S. 10591. Und Herr Bürsch von der SPD-Fraktion hat seine Rede auf der Plenarsitzung vom 16. Oktober 2008 mit dem Satz beendet: „Daher wird die SPD über das hier zu beschließende Gesetz hinaus weiter für die Abschaffung des Optionsmodells und die generelle Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft eintreten." Es bleibt bei der SPD dabei: Seit 15 Jahren - davon übrigens 10 Jahre an der Regierung - nur Gerede. Verschärfungen der Gesetzeslage werden unterstützt und mit der CDU/CSU durch das Parlament getrieben und wenn es mal um Verbesserungen für Migrantinnen und Migranten geht, kommt nur heiße Luft.

Anrede,

mit unserem Antrag „Einbürgerung erleichtern - Ausgrenzungen ausschließen" soll die Einbürgerung bundesweit erleichtert und hierdurch das Signal an die in Deutschland lebende Bevölkerung vermittelt werden, dass Menschen mit Migrationshintergrund als gleichberechtigter Teil dieser Gesellschaft angesehen werden. Einbürgerungen sollen nach fünfjährigem tatsächlichen Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik möglich sein. Dazu sind nach unserer Auffassung mündliche Sprachkenntnisse ausreichend. Wir wollen die Staatsangehörigkeit per Geburt (ius soli) und die grundsätzliche Ermöglichung der Mehrfachstaatsangehörigkeit. Außerdem müssen Einbürgerungen unabhängig vom Einkommen sein. Das bedeutet auch, dass die Einbürgerungsgebühren radikal gesenkt werden müssen.

Leider will eine Mehrheit in diesem Parlament keine erleichterte Einbürgerung und vereinfachte Einbürgerungsverfahren.

Nun, das sagt einiges über das Demokratieverständnis der Parlamentsmehrheit aus.
Danke!