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Mit 8 Euro pro Jahr lässt sich Verteilungsgerechtigkeit nicht herstellen

Rede von Herbert Schui,

Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch das Gesetz sollen nicht nur die Leistungsbereitschaft und das Verantwortungsbewusstsein der Arbeitnehmer gefördert werden, sondern, mehr noch, die abhängig Beschäftigten sollen auch einen fairen Anteil am Erfolg des Unternehmens erhalten. Die Mitarbeiterbeteiligung sei ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Die Beschäftigten sollen am Ertrag der Volkswirtschaft gerecht und ausgewogen teilhaben. Das Ziel ist auch die soziale Sicherung der Arbeitnehmer.
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sehr gutes Ziel!)
- Das finde ich auch. Warten Sie ab.
Die Bundesregierung nimmt sich mit ihrem Gesetzentwurf natürlich eine ganze Menge vor. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird zwar ausdrücklich gesagt, dass der Lohnanteil am Volkseinkommen von 2000 bis 2007 sehr deutlich gefallen ist, nicht ausgedrückt wird aber natürlich, dass 135 Milliarden Euro weniger Lohn gezahlt werden, als dies der Fall wäre, wenn es die Lohnquote aus dem Jahre 2000 gäbe.
(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Richtig!)
Die Frage, die man nun stellen muss, lautet: Kann man durch eine jährliche Sparzulage von 8 Euro und allerlei Möglichkeiten, die Unternehmer zu animieren, den Mitarbeitern einen kleinen Aktienbetrag zu schenken, die Verteilungsgerechtigkeit, die uns durch die fehlenden 135 Milliarden Euro verloren gegangen ist, wieder zurückgewinnen? Ich zweifele sehr daran.
Wie wollen Sie die soziale Gerechtigkeit durch ein solches Gesetz fördern? Wie halten Sie es denn mit Hartz IV? Ist das sozial gerecht? Wird das in irgendeiner Weise durch diese geplante Gesetzgebung beeinflusst? Wie sieht es mit dem Gesundheitsfonds aus? Wie steht es mit der Rente mit 67? Dazu sagen Sie nichts, obwohl mit dem Gesetz natürlich soziale Gerechtigkeit hergestellt werden soll.
Hier ist also ein Umdenken nötig, aber kein Umdenken in Ihrem Sinne. Eine andere Politik muss her. Wir, die Linke, fordern das schon seit langem. Verteilungsgerechtigkeit wird man durch solche leichten kosmetischen Maßnahmen nicht herstellen können.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn wir schon über Mitarbeiterbeteiligung reden, dann muss klar sein, dass die Mitarbeiterbeteiligung so weit gehen muss, dass die Unternehmenspolitik beeinflusst und mitbestimmt werden kann, zumindest dann, wenn es um Betriebsschließungen, Betriebsverlagerungen und vieles andere mehr geht.
(Beifall bei der LINKEN)
Dann hätte eine Mitarbeiterbeteiligung in der Tat einen Sinn. Das ist auch das, was von unserem Vorsitzenden Oskar Lafontaine bereits wiederholt vorgetragen worden ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit dem Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz wollen Sie es nun richten. Die Unternehmen können Anteile in Höhe von 350 Euro im Jahr steuer- und abgabenfrei verschenken. Dies soll also nicht versteuert und auch nicht mit Abgaben belegt werden. Glauben Sie aber angesichts der Erfahrungen, die wir mit den Lohntarifverhandlungen gemacht haben, im Ernst, dass die Unternehmen solche Anteile in nennenswertem Umfang verschenken werden? So etwas ist doch gar nicht zu erwarten.
Der Staat zahlt 8 Euro Sparzulage, wenn Unternehmensanteile von den abhängig Beschäftigten erworben werden. Fragen Sie sich doch einmal, wer überhaupt sparen kann. Gespart wird gegenwärtig dann, wenn ein Haushalt ein Nettoeinkommen von mehr als rund 20 000 Euro im Jahr hat. Erst dann ist der Haushalt überhaupt in der Lage, zu sparen. Ich habe diese Zahlen aus dem Mikrozensus von 2003 hochgerechnet. Neuere Zahlen liegen - wahrscheinlich aufgrund des Bürokratieabbaus - nicht vor.

(Zuruf von der CDU/CSU: Selbst hochgerechnet?)
- Wo landen Sie? Bei 20 000 Euro?
(Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie selbst hochgerechnet?)
Haben Sie sich angesichts der niedrigen Einkommen schon einmal überlegt, wie viele Menschen in den Genuss dieser Prämie kommen können? Wenn wir das Sparen fördern wollen, dann setzt das zunächst ein Einkommen voraus, das hoch genug ist, um etwas sparen zu können.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Schui, kommen Sie bitte zum Schluss.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Gerne. - Sie können einige Signale setzen. Sie können vor allen Dingen endlich den gesetzlichen Mindestlohn in einer Höhe von rund 8,50 Euro beschließen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Das wäre ein erstes Signal, um zu mehr Einkommen und damit überhaupt zu der Möglichkeit zu kommen, zu sparen. Wir sind nicht gegen eine Sparzulage. Aber bevor eine Sparzulage gezahlt wird, muss durch ein höheres Einkommen die Möglichkeit bestehen, zu sparen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)