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Misslungene Gesundheitsreform

Rede von Martina Bunge,

Rede zum Haushalt 2007 - Einzelplan Gesundheit

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Mit nun 3 Milliarden Euro nimmt sich der Haushalt
des Bundesministeriums für Gesundheit sehr bescheiden
aus. Es ist deshalb sehr verständlich, dass hier
fast alle über die dreistelligen Milliardenbeträge reden,
die im Gesundheitssystem bewegt werden.
Natürlich spielt die misslungene Gesundheitsreform
hier die größte Rolle. Eigentlich wollte ich heute etwas
anderes in den Mittelpunkt stellen, aber es hält mich
nicht, Frau Ministerin. Ich muss doch etwas zur Reform
sagen. Sie kritisieren unseren Antrag. Ich sage Ihnen:
10 Milliarden mehr wären im System der GKV gut aufgehoben.
Wir leben mittendrin in den Herausforderungen,
die sich aus der Alterung der Gesellschaft und aus
dem medizinischen Fortschritt ergeben, und wir haben
dieses Problem mit dem gleichen Anteil zum Leistungsvermögen
der Gesellschaft bisher bewältigt. Es ist hohe
Zeit, dass mehr Geld ins System kommt.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Woher?)

- Die Quellen haben wir Ihnen genannt mit einer gerechten
Steuerreform und mit einer Bürgerinnen- und Bürgerversicherung,
die auch die Einnahmen, die Beiträge
auf breitere Schultern, auf alle Einkommen bezieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das würde den Patientinnen und Patienten sowie den
Beschäftigten im Gesundheitssystem gut tun. Sie wären
die Gewinnerinnen und Gewinner und nicht irgendwelche
imaginären Lobbyisten.
Ich finde es angesichts der komplizierten Situation in
diesen Tagen höchst unerträglich, dass Sie die Krankenkassen
hier zum Sündenbock machen. Dass trotz der
Politik der letzten Jahre - ich denke an das Hin und Her
mit der Folge immer neuer Kostendämpfungsgesetze -
die Leistungen gegenüber den Patientinnen und Patienten
erfüllt wurden, haben letztlich die Krankenkassen organisiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte mich jetzt aber mit einigen Aspekten in
die Mühen der Ebene des Haushalts begeben und zunächst
ein Thema beleuchten: Natürlich ist es gut, dass
für die Aufklärung in Sachen HIV und Aids 3 Millionen
Euro mehr aufgewandt werden und so der Titel von
9,2 auf 12,2 Millionen Euro steigen kann. Als Ausschussvorsitzende
begrüße ich, dass die Bundesregierung
während der deutschen Ratspräsidentschaft eine
Geißel der Menschheit, die weltweite Ausbreitung von
HIV und Aids, thematisieren will. Auch wir als Parlamentarierinnen
und Parlamentarier werden den G-8-Gipfel
intensiv begleiten und gemeinsam mit der Deutschen
Stiftung Weltbevölkerung eine internationale Konferenz
zu HIV und Aids organisieren; denn Impulse für parlamentarische
Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten im
Rahmen des zivilgesellschaftlichen Engagements müssen
schnellstmöglich verbreitet werden. Die Erfahrung
ist: Dringend notwendiges Geld wird umso effektiver
und wirkungsvoller eingesetzt, je konsequenter Regierungen
und Parlamente sich an die Spitze der nationalen
Strategien stellen.
Es ist zweifelsohne auch zu begrüßen, dass mit der
finanziellen Ausstattung einer Präventionskampagne
durch den Bund das Thema Prävention überhaupt im
Haushaltsentwurf auftaucht; denn leider ist es um Gesundheitsförderung
und Prävention viel zu ruhig geworden.
Wir haben lange über die Notwendigkeit eines Präventionsgesetzes
geredet. Im letzten Jahr wurde hier
über einen Gesetzentwurf diskutiert. Sie alle kennen das
Schicksal.
Das Bekenntnis von Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag
zum Präventionsgesetz ist mittlerweile zwölf Monate
alt. Die Einjahresbilanz ist negativ. So bleibt der
Ausbau der Prävention zu einer eigenständigen Säule im
Gesundheitssystem weiterhin auf der Strecke. Wenn jetzt
die Ministerin ankündigt, das Präventionsgesetz solle
nach der Gesundheitsreform und nach der Pflegereform
kommen - wir alle wissen, wie gefahrengeneigt auch im
zeitlichen Ausmaß diese Reformen sind -, dann ist die
Prävention ja fast auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt.
Frau Ministerin, wenn Sie ganz richtig den Nichtraucherschutz
als eine große Säule für Prävention in der
Gesellschaft ansprechen, dann fordere ich Sie auf: Sie
haben mit der Regierungskoalition eine große Mehrheit
hier im Parlament. Dann tun Sie es doch und provozieren
uns nicht, Gruppenanträge oder Einzelanträge einzubringen!
Machen Sie es! Lassen Sie den Worten Taten
folgen!

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben es in der Hand.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir sehen ja in Berlin,
wie toll das Rot-Rot kann!)

Eine umfassende, verstetigte Prävention hätte für das
Wohlbefinden von Jung und Alt und auch für die Sozialsysteme
viel Gutes; es gäbe sehr viele Synergien. Hier
muss einfach ein Punkt gesetzt werden. In der Zukunft
reichen für eine Präventionskampagne 3,2 Millionen
Euro als gesamtgesellschaftlicher Beitrag nicht aus.
Angesichts dieser Summe von 3,2 Millionen Euro
muten die 6,1 Millionen Euro geradezu grotesk an, die in
Ihrem Haushalt für Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung
stehen. Sie sollten bessere Gesetze machen. Wenn Sie
das tun, dann brauchen Sie kein Geld für das Schönreden
von Gesetzen, für Gesetze, die es überhaupt noch nicht
gibt, wie in Anzeigen dieses Jahr. Machen Sie Gesetze,
die den Patientinnen und Patienten helfen! Machen Sie
Gesetze, die den Beschäftigten helfen! Wenn Sie das tun,
dann brauchen Sie dieses Geld nicht für eine überbordende
Öffentlichkeitsarbeit und dann könnten Sie es
sinnvoller verwenden.
Ich danke.

(Beifall bei der LINKEN)