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Minister Müllers Bilanz: Viel heiße Luft, nix dahinter!

Rede von Niema Movassat,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Müller, Sie haben kürzlich bei einer Konferenz in Bonn eine verstörende Rede gehalten. Sie haben afrikanischen Männern attestiert, sie würden das Haushaltsgeld – ich zitiere –, vor allem für „Alkohol, Suff, Drogen und Frauen natürlich“, auf den Kopf hauen. Sie bedienten damit schlimmste rassistische Vorurteile. Das ist eines Entwicklungsministers wirklich unwürdig.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie entschuldigten sich später damit, dass Sie die Bedeutung der Rolle von Frauen betonen wollten. Aber wo haben Sie das in der Rede getan? Sie haben pauschal und ausschließlich afrikanischen Männern einen übermäßigen Hang zu Sex, Alkohol und Drogen unterstellt.

Im Übrigen sind Sie in der Entwicklungspolitik auch kein Vorkämpfer von Frauenrechten. Nehmen wir als Beispiel die Grünen Zentren, die Sie in Afrika und Asien im Kampf gegen den Hunger einrichten. Die Nichtregierungsorganisation Oxfam kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass die Rolle von Frauen in diesen Zentren völlig unterbelichtet ist. Also bevor Sie das nächste Mal Stammtischparolen loslassen, wäre es gut, wenn Sie dafür sorgten, dass die große vorhandene Frauenpower in Ihren Entwicklungsprojekten auch zum Tragen kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Müller, das ist die letzte Haushaltsdebatte dieser Legislatur. Ich will diese nutzen, um auf ein zentrales Problem Ihrer Politik hinzuweisen. Sie sind der Minister der warmen Worte: fairen Handel etablieren, den globalen Hunger besiegen, weltweite Gerechtigkeit schaffen. Vieles, was Sie sagen, klingt gut. Aber als Christsozialer kennen Sie sicher den Spruch aus der Bibel: Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten sollt ihr sie erkennen. – Deshalb will ich heute über Ihre tatsächliche Politik sprechen.

Erstens: der faire Handel. Sie predigen ständig, dass es faire Wirtschaftsbeziehungen mit den Entwicklungsländern bräuchte. Aber schon, als Sie Parlamentarischer Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium waren, haben Sie als Exportbeauftragter mit dafür gesorgt, dass die südafrikanischen Geflügelzüchter mit Dumpingpreisen systematisch in den Ruin getrieben wurden.

(Beifall der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zwischen 2008 und 2014 haben sich die deutschen Geflügelexporte nach Südafrika mehr als 15 000‑fach erhöht. Allein im September 2016 haben die EU-Länder Agrarprodukte im Wert von 11,5 Milliarden Euro exportiert – ein neuer Rekordwert. Sie haben diese Entwicklung mit vorangetrieben, statt sie zu bekämpfen, und das, obwohl diese Exporte mehr zerstören, als Entwicklungszusammenarbeit jemals aufbauen kann.

Und wo bleibt Ihre scharfe Kritik an den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit afrikanischen Ländern, den EPAs? Diese Freihandelsverträge zwingen zu noch mehr Marktöffnung; noch mehr Geflügelreste und Milchpulver aus der EU werden Afrikas Märkte überschwemmen. Ein Entwicklungsminister, der es mit fairem Handel ernst meint, muss alles tun, um diese Abkommen zu stoppen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zum zweiten Punkt. Sie haben versprochen, Kleinbauern in Entwicklungsländern zu unterstützen und so den globalen Hunger zu bekämpfen. Viele Ihrer Projekte dienen aber in Wahrheit dem Profithunger von Bayer, BASF und Co. Diese mächtigen Agrarkonzerne treiben eine Industrialisierung der afrikanischen Landwirtschaft voran, der Millionen Kleinbauern zum Opfer fallen. Und die Agrarkonzerne wollen natürlich ihre Produkte verkaufen: Saatgut, Dünger, Chemiecocktails – Produkte, die Bauern wirtschaftlich abhängig machen oder gar ihre Gesundheit zerstören. Wenn Sie wirklich die Kleinbauern unterstützen wollen, dann beenden Sie Ihren unsäglichen Pakt mit der Agroindustrie.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum dritten Punkt. Nach dem schrecklichen Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch mit über 1 100 Toten haben Sie gesagt, so etwas dürfe sich nicht wiederholen. Sie riefen das Textilbündnis aus. Zusammen mit den Unternehmen wollten Sie die Produktionsbedingungen verbessern. Aber zum einen machen vier der zehn größten Textileinzelhändler bei diesem Bündnis gar nicht mit. Zum anderen sind die ersten Ergebnisse ernüchternd: Jedes Unternehmen wird sich freiwillig individuellen Pflichten unterwerfen, aber es gibt keine allgemeinen Standards für alle Unternehmen – jeder macht, was er will. Bisher gibt es auch keine Sanktionen, wenn man sich nicht an die selbst auferlegten Pflichten hält. Sie wollen zwar noch Sanktionen erarbeiten, aber ich bin wirklich gespannt, wo da das scharfe Schwert sein soll. Vermutlich fliegt man im schlimmsten Fall aus dem Textilbündnis. Die Unternehmen zittern ja schon förmlich. Herr Müller, der richtige Weg wäre gewesen, das zu tun, was Sie am Anfang mal angedacht haben, nämlich klare gesetzliche Regeln und soziale und ökologische Mindeststandards, ja Sorgfaltspflichten für Konzerne zu schaffen. Das hätten wir gebraucht.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum letzten Punkt. Sie haben gesagt, Sie wollten Fluchtursachen bekämpfen. Natürlich führen Sie Projekte durch – Sie haben einige vorgestellt –, die das Leid der Flüchtlinge mildern. Aber gleichzeitig forciert Deutschland ganz massiv sogenannte Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Ländern. Sie sollen Flüchtlinge zurücknehmen, sonst droht eine Kürzung von Entwicklungsgeldern. Es wird noch schlimmer: Im Sudan, einem Land, das Fassbomben auf die eigene Bevölkerung wirft, arbeitet die zu 100 Prozent staatliche deutsche GIZ an einem Projekt zum besseren Migrationsmanagement.

(Johannes Selle [CDU/CSU]: Aber Sie sind doch dabei gewesen!)

Im Ergebnis läuft es darauf hinaus, mit sudanesischen Sicherheitskräften, die Menschenrechte verletzen und Menschen in die Flucht treiben, zusammenzuarbeiten. Das Ziel: Flüchtlinge stoppen, die nach Europa wollen. Wenn afrikanische Despoten der EU Flüchtlinge vom Hals halten, werden sie nun belohnt. Das ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Und, Herr Minister, auch Fluchtursachen werden damit nicht bekämpft, sondern neue geschaffen.

Mein Fazit nach drei Jahren Müller: Hätten Sie nur die Hälfte dessen, was Sie gesagt haben, auch verwirklicht, wäre die Welt ein Stück weit besser. So aber sind Sie der Heißluftminister: nette Worte, keine Taten.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)