Zum Hauptinhalt springen

Minijobs in reguläre Beschäftigung überführen

Rede von Sabine Zimmermann,

Die gesamte erste Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE »Minijobs mit sozialversicherungspflichtiger Arbeit gleichstellen« ging zu Protokoll.

- Rede zu Protokoll gegeben -

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

Niedriglöhne, unsichere Beschäftigung und Benachteiligungen im Arbeitsalltag.
Das ist die Realität von Millionen Minijobberinnen und Minijobber in diesem Land.

Minijobs haben massiv reguläre Arbeitsplätze verdrängt oder sind statt dieser entstanden, vor allem im Bereich der Dienstleistungen etwa der Gastronomie, dem Einzelhandel oder der Reinigung.

Betroffenen sind vor allem Frauen, die mehrheitlich Minijobs besetzen. Sie werden auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt, ihre Chancen beschnitten.

Minijobs sind aber ein gesamtgesellschaftliches Problem, denn unser Arbeitsmarkt gerät in eine Schieflage. Arbeitgeber werden auf Kosten der Gemeinschaft subventioniert.


Veränderungen sind mehr als überfällig.
Unser Antrag soll dazu ein Anstoß sein. Ich hoffe, die späte Beratung heute ist keine Hiobsbotschaft für den künftigen Umgang mit dem Thema.


Was ist eigentlich mit Minijob gemeint?

Grob gesagt, handelt es sich um Arbeitsverhältnisse mit einem Monatsverdienst bis 400 Euro, für die – das ist wichtig - verringerte Sozialabgaben gezahlt werden.

Dieser Sonderstatus gepaart mit der geringen Wochenarbeitszeit hat dazu geführt, dass hier Arbeitsverhältnisse zweiter Klasse entstanden sind und zwar in einem Atem beraubenden Tempo.

In Deutschland gibt es derzeit etwa 7,5 Millionen „geringfügig Beschäftigte“, wie die Minijobs im Fachjargon genannt werden.
Das sind 3,3 Millionen oder 80 Prozent mehr als zu Beginn des Jahres 2003. In diesem Jahr wurden durch die Hartz-Gesetze mehr oder weniger alle Auflagen für die Minijobs abgeschafft.
Vor allem die Zahl der Beschäftigten, die einen Minijobs als Zweitjob ausüben, ist gestiegen. Oft reicht der eine Job nicht zum leben. Das ist ein Armutszeugnis für die Politik.


Die zentralen Probleme der Minijobs sind belegt:

-    Minijobs bedeuten Minilöhne.
Laut Statistischem Bundesamt bekommen vier von fünf Minijobberinnen und Minijobber Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohnschwelle von 9,85 Euro in der Stunde. Keine andere Beschäftigungsform ist so stark armutsgefährdet wie die geringfügige.

-    Minijobberinnen und Minijobber werden im Arbeitsalltag benachteiligt. Sie erhalten häufig keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder keinen bezahlten Urlaub. Sie werden auch nur in geringem Umfang in Weiterbildungsmaßnahmen einbezogen. All dies ist eigentlich arbeitsrechtlich verboten findet aber trotzdem statt.

-    Weil Minijobs nicht der vollen Sozialversicherungspflicht unterliegen, sind sie nicht oder kaum sozial abgesichert. Das ist schlecht für den Beschäftigten und die Allgemeinheit. Die Beschäftigten erwerben keine nennenswerten Rentenansprüche, Altersarmut ist so vorprogrammiert. Der Allgemeinheit gehen Beitragszahlungen in Milliardenhöhe verloren.

Ein derartiger Sonderstatus, das heißt eine bestimmte Beschäftigungsform von der vollen Sozialversicherungspflicht zu befreien, ist abgesehen von Österreich einzigartig in Europa.
Es gibt keinen vernünftigen Grund warum das so bleiben sollte.

Wer profitiert von dieser subventionierten Beschäftigungsform?
Einzig und allein die Unternehmen, die verstärkt auf Minijobs setzen. Im Postsektor versuchen zum Beispiel private Konkurrenten der Deutschen Post mit dem massiven Einsatz dieser Billigjobs einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. So wird in vielen Branchen eine Wettlauf nach unten in Gang gesetzt.

Arbeitgeber verschaffen sich immense Kostenvorteile zu Lasten der Beschäftigten und der Allgemeinheit. Denn die gesenkten Sozialabgaben, die de facto Bestandteil des Lohnes sind, werden nicht an die Beschäftigten weiter gegeben – im Gegenteil.

Ein Beispiel ist dafür ist der Textildiscounter KIK. Die Einzelhandelskette beschäftigt tausende Minijobber. Sie wurde 2009 wegen der Zahlung sittenwidriger Löhne verurteilt. Zwei KIK-Beschäftigte hatten geklagt. Das Unternehmen musste ihnen Löhne im Wert von 10.500 Euro und 8.900 Euro nach zahlen.
Die Gewerkschaft ver.di hat errechnet, dass KIK durch den hohen Anteil geringfügig Beschäftigter jährlich zweistellige Millionenbeträge spart, den Sozialkassen dadurch hundertausende Beitragsgelder vorenthalten werden.

Arbeitgebersubventionen auf Kosten der Beschäftigten und Allgemeinheit, damit muss Schluss sein!

Es ist nicht zu akzeptieren, was Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben. Sie wollen, ich zitiere: „die Arbeitsanreize auch für gering entlohnte Beschäftigungsverhältnisse verbessern“ und die angebliche „Brückenfunktion von Minijobs“ in „voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse“ stärken.

Aber gibt es tatsächliche diese Brückenfunktion? Nach aktuellen Zahlen der Minijobzentrale erlangt lediglich ein Drittel der geringfügig Beschäftigten ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Die große Mehrheit bleibt in der prekären Beschäftigung gefangen. Minijobs sind keine Zwischenbeschäftigung. Sechs von zehn Minijobs dauern länger als ein Jahr, vier von zehn sogar länger als zwei Jahre.

DIE LINKE streitet für einen Kurswechsel!
Wir sagen: Es ist Zeit die Fehlentwicklung bei den Minijobs zurück zu drängen, der mit den Hartz-Gesetzen die Tür geöffnet wurde.
In dem vorliegenden Antrag machen wir konkrete Vorschläge, wie
-    Minijobs in reguläre Beschäftigungsverhältnisse überführt,
-    Niedriglöhne bekämpft,
-    gleiche Bezahlung von Frauen und Männern erreicht
-    und mehr gute Arbeit geschaffen werden kann.

Zentral ist, Arbeit ab dem ersten Euro voll sozialversicherungspflichtig zu machen und endlich einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen.

Eine solche Initiative wird auf den erbitterten Widerstand der Arbeitgeber stoßen insbesondere aus dem Minijobbranchen. Das sind die Erfahrungen der gescheiterten Reform von 1998/99.
Nach dem grandiosen Wahlsieg der rot-grünen Koalition kündigte der damalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine an, eines der ersten Amtshandlungen der Regierung werde es sein, die Minijobs neu zu regeln.
Er sagte: „Wenn wir eine solche Fehlentwicklung des Arbeitsmarktes weiterhin zuließen, wäre ein zentraler Programmpunkt unserer Partei beschädigt, nämlich für die Gleichberechtigung der Frauen in Beruf und Gesellschaft einzutreten.“

Aber die Lobbyisten der Minijobbranchen arbeiteten schon damals gut. Bundeskanzler Gerhard Schröder erteilte einer wirklichen Reform ein Absage und brach ein zentrales Wahlkampfversprechen der SPD. Einige Jahre später wurde mit den Hartz-„Reformen“ die Minijobbeschäftigung vollkommen freigegeben.

Welche Schlussfolgerungen sind daraus für heute zu ziehen?
Wir brauchen eine breite Allianz, um aufzuklären und gesellschaftlichen Druck zu entfalten. Nur so ist den Wirtschaftslobbyisten Paroli zu bieten.

Minijobs in reguläre Beschäftigung umzuwandeln, das fordern inzwischen viele.
Nicht nur die Gewerkschaften.
Der Deutsche Frauenrat, dessen Mitgliedsorganisationen ein sehr breites Spektrum umfassen, hat dazu im letzten Jahr eine einstimmigen Beschluss gefasst.
Gleiches gilt für den Deutsche Juristentag, der fordert, die geringfügige in reguläre Beschäftigung zu überführen.
Selbst die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) hat im Sommer diesen Jahres einen Beschluss gefasst, die „Prekarisierung der Arbeitswelt“ einzudämmen, und beklagt das u.a. durch Minijobs „die Beteiligungs-, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der arbeitenden Menschen“ unterhöhlt werden.

Diese verschiedenen Kräfte zusammen können ein breites Bündnis ergeben, um auf die bestehende schwarz-gelbe Regierung Druck auszuüben.

Mut macht dabei die Bewegung bei unserem europäischen Nachbar Slowenien. Dort haben sich im April 2011 in einer Volksabstimmung 80 Prozent der Beteiligten gegen eine Einführung von Minijobs ausgesprochen.

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir auch in Deutschland vorwärts kommen. Es ist dringend notwendig.