Zum Hauptinhalt springen

Mindestpersonalbemessung in der Pflege - jetzt!

Rede von Pia Zimmermann,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Würden Sie in ein Flugzeug steigen, das von nur einem Piloten geflogen wird? Oder würden Sie in ein Flugzeug steigen, das von zwei Piloten mit einjähriger Basisausbildung geflogen wird? Ich auf jeden Fall nicht, und ich vermute, Sie bei so einem desaströsen Personalstandard auch nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

In der Pflege ist Unterbesetzung an der Tagesordnung. Im Nachtdienst arbeitet eine Pflegekraft im Schnitt für 52 Menschen,

(Maria Michalk (CDU/CSU): Bei uns nicht?)

für die sie verantwortlich ist, für Menschen, die Unterstützung brauchen, wenn sie zur Toilette müssen oder wenn sie gelagert werden müssen, damit sie sich nicht wundliegen. Mehr Personal und vor allem gut ausgebildetes Personal, das tut not.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Studien zeigen nicht nur einen Zusammenhang zwischen der Anzahl an Pflegekräften und der Pflegequalität, sondern auch einen Zusammenhang zwischen Qualifikation und Qualität. Gute Pflege, meine Damen und Herren, wird gemacht, und zwar nicht von Gesetzen und Papier, sondern von Menschen, die Pflege gelernt haben, die wissen, was für eine gute Pflege notwendig ist. Mehr Personal stärkt die Pflege. Wir sind in der Verantwortung, endlich die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Auf den Einrichtungen lastet ein enormer Kostendruck, weil die Pflegesätze hinten und vorne nicht reichen, weil die Pflege einfach unterfinanziert ist. Um schwarze Zahlen zu schreiben, wird in den Einrichtungen beim Personal gespart. Für die Beschäftigten heißt das natürlich Stress pur, und das wollen wir so nicht hinnehmen. Sie hetzen das Personal von Bewohnerin zu Bewohner. An ein paar Minuten für ein Gespräch oder eine andere Zuwendung ist überhaupt nicht zu denken, und Zeit für aktivierende Pflege fehlt meist völlig. Die enge Taktung reicht gerade einmal für das Nötigste, und Schlimmes ist nicht immer zu verhindern.

Ich sage hier ganz klar und deutlich, meine Herren: Für Menschen mit Pflegebedarf entsteht durch Personalmangel eine Gefährdung ihrer Gesundheit. Wir müssen an den Ursachen dieser Situation von gefährlicher Pflege ansetzen, und Sie müssen aufhören, die Pflege mit Placebos heilen zu wollen.

(Beifall bei der LINKEN - Abg. Tino Sorge (CDU/CSU) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Wir brauchen dringend bundesweit verbindliche, am Personalbedarf orientierte Personalvorgaben und eine entsprechende Vergütung der Personalkosten durch die Pflegeversicherung. Ich einem reichen Land wie Deutschland, meine Damen und Herren, muss das doch wohl drin sein!

(Beifall bei der LINKEN)

Was machen Sie stattdessen?

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Entschuldigung, Frau Kollegin. Erlauben Sie eine Zwischenfrage von einem Kollegen der CDU/CSU-Fraktion?

Pia Zimmermann (DIE LINKE):

Ich bin gerade gut in Fahrt ‑ vielleicht machen Sie im Anschluss eine Kurzintervention.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Okay, dann nicht.

Pia Zimmermann (DIE LINKE):

Stattdessen, meine Damen und Herren, werden Vermögende mit hohem Einkommen geschont. Darum: Weg mit der Beitragsbemessungsgrenze! Weg mit der unsinnigen Trennung von privater und sozialer Pflegeversicherung! Das schafft für uns auch mehr Spielraum für mehr Personal.

(Beifall bei der LINKEN)

Viele gut ausgebildete Pflegekräfte wählen die Exit-Strategie, weil sie die Bedingungen nicht mehr ertragen. Sie verlassen ihren Beruf in der Pflege nach durchschnittlich sieben bis acht Jahren. Darüber sollten Sie mal nachdenken!

Mehr qualifiziertes Personal hält Personal und ist somit eine entscheidende Maßnahme gegen den Fachkräftemangel und für eine qualitativ hochwertige, menschenwürdige Pflege.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Kollegin Zimmermann.

Das Wort für eine Kurzintervention hat der Kollege Sorge.

Tino Sorge (CDU/CSU):

…..

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Jetzt, wenn Sie mögen, Frau Zimmermann, bitte.

Pia Zimmermann (DIE LINKE):

Vielen Dank für die Frage. Dann habe ich trotz meiner kurzen Redezeit jetzt noch Gelegenheit, darauf zu antworten.

Eins ist doch ganz klar: Wir müssen Ihnen nicht sagen, was Sie getan haben. Wir sind dafür da, Ihnen zu sagen, was Sie nicht getan haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich empfehle Ihnen ganz dringend: Gehen Sie mal in die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, und gucken Sie sich das mal an! Übernehmen Sie mal Verantwortung für das, was die Pflegekräfte in den Krankenhäusern und Altenheimen leisten müssen! Die haben nämlich zu tun; sie rasen von Bett zu Bett und zeigen gefährliche Pflege kaum an, weil sie nämlich unter Druck stehen, vor allen Dingen in privaten Einrichtungen.

(Dr. Roy Kühne (CDU/CSU): Das stimmt nicht! Das ist falsch!)

Und dass wir, wie Sie es gesagt haben, die Pflegenden diffamieren würden, ist doch Quatsch! Wir nehmen sie in Schutz und wollen für sie Arbeitsbedingungen schaffen, unter denen sie ihren Beruf ausüben können, unter denen sie das tun können, was sie gelernt haben. Sie sollen nicht von Bett zu Bett jachtern müssen, um irgendwie noch das Nötigste hinzubekommen.

(Dr. Roy Kühne (CDU/CSU): Das ist falsch!)

Sie tun nichts dafür, dass die gefährliche Pflege einmal ein Ende hat.

(Erich Irlstorfer (CDU/CSU): Unsäglich! Schämen Sie sich!)

Dass immer mal etwas passieren kann, darum geht es gar nicht, sondern es geht um die Häufung der Fälle und darum, dass die Pflegekräfte ihre Arbeit einfach nicht mehr leisten können.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Machen Sie was! Gehen Sie zu den Leuten und reden Sie mit ihnen! Kümmern Sie sich! Machen Sie dann neue Gesetze und sorgen Sie dafür, dass die Pflege ausfinanziert ist, damit alles bezahlt werden kann.

(Dr. Roy Kühne (CDU/CSU): Das sind falsche Adjektive! Ganz klar! Stimmt so nicht!)

Und kommen Sie nicht mit Pflegesatzverhandlungen; das ist völliger Quatsch, weil die Pflegesätze von Bundesland zu Bundesland anders sind. Sie müssen schon eine bundeseinheitliche Regelung finden, damit wir an der Stelle wirklich einmal auf einen grünen Zweig kommen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)