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Merkel stimmt Westerwelle bei Hartz IV in der Sache zu

Rede von Ulrich Maurer,

Ulrich Maurer in der Aktuellen Stunde »Schweigen der Bundeskanzlerin zur Sozialpolitik der Bundesregierung«

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Ich bin an einem einzigen Punkt derselben Meinung wie der Kollege Kolb. Die Frau Bundeskanzlerin hat nicht geschwiegen, sondern sie hat den Duktus des Herrn Vizekanzlers gegeißelt. Das heißt im Klartext: Sie hat sich wie eine Richterin verhalten, die den Kollegen Westerwelle nicht wegen seiner Tat, sondern wegen mangelnder Eleganz bei der Tatausführung verurteilt.

(Zuruf von der LINKEN: So ist es!)

Das kann man schon so deuten, wie es der Kollege Kolb unter dem betretenen Schweigen der CDU/CSU-Fraktion gerade getan hat, nämlich als Zustimmung in der Sache.
Bei Ihnen geht es wirr durcheinander. Ich will Ihnen einmal sagen, was uns und mit uns Millionen von Menschen an dieser ganzen Debatte zutiefst empört: Was Sie und Herr Westerwelle hier versuchen, ist, mitten in der schwersten Nachkriegskrise Deutschlands den berechtigten Zorn der Menschen, die hart arbeiten und dafür zu wenig Geld bekommen, auf die Arbeitslosen zu lenken, um von denen abzulenken, die ihnen die Krise eingebrockt haben. Dieser Versuch wird hier unternommen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es passiert ja nicht zum ersten Mal in der deutschen Geschichte, dass man auf diese Art und Weise Krisen verarbeitet. Ich höre auch schon die Stimmen derjenigen, die sagen, es seien besonders viele Migrantinnen und Migranten unter den Leistungsverweigerern. Das ist dann der nächste Zug ins Rassistische.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer sagt denn so etwas?)

Das können Sie alles nachlesen.

(Zuruf von der FDP: Wo denn?)

Lesen Sie keine Zeitung? Das können Sie in den Zeitungen alles nachlesen.

(Zuruf von der CDU/CSU und der FDP: Neues Deutschland?)

Das sind dann die unabhängigen Institute und weiß der Teufel wer.
Wir kennen das alles. Ich sage Ihnen: Damit betreiben Sie ein gefährliches Spiel. Wer in einer schweren Wirtschaftskrise versucht, die Menschen, die am härtesten betroffen sind, gegeneinander aufzubringen und Hass gegen Minderheiten, gegen angebliche Faulenzer etc. um des gesunden Volksempfindens willen zu erzeugen, der hat aus der deutschen Geschichte nichts gelernt gar nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer das deswegen macht, weil er sich davon verspricht, dass seine Umfragewerte steigen, womit er offensichtlich keinen allzu großen Erfolg hat, dessen Handeln kann man nur noch als schäbig bezeichnen. Das ist schäbig, um es in aller Deutlichkeit zu sagen. Das war eine strategische Entscheidung, die wir Ihnen aber nicht durchgehen lassen.
Wir sind Ihnen an einem Punkt sogar dankbar für diese Leistungsdebatte. Erinnern Sie sich bitte an Folgendes: Das alte Rom ist an der Käuflichkeit und Korruption der Politik zugrunde gegangen. Pontius Pilatus ist wegen Steuerhinterziehung nach Judäa strafversetzt worden.

(Paul Lehrieder (CDU/CSU): Das ist die Geschichtsschreibung der SED!)

Wer sich für Politik bezahlen lässt, der bewegt sich in der Tat auf den Pfaden der spätrömischen Dekadenz.

(Beifall bei der LINKEN Karl Schiewerling (CDU/CSU): Das hat im Geschichtsbuch der DDR gestanden!)

Wo ist in der Krise der Beitrag derer, die diese Krise verursacht haben? Wo ist der Beitrag der Investmentbanker? Wo ist der Beitrag der Boni-Empfänger? Wo ist deren Beitrag? Anstatt darüber zu reden, reden Sie über Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger. Das ist schäbig, lieber Kollege Kolb.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Künast, es gab während Ihrer Rede einen Moment, in dem ich dachte: Jetzt kommt etwas wirklich Wichtiges. Sie wollten nämlich einen Fehler der Grünen eingestehen. Das kam dann aber nicht.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch!)

Das Problem in Deutschland ist, dass die Löhne gedrückt wurden, dass ein System von Niedriglöhnen und ein System von Sklavenarbeit, das sich Leiharbeit nennt, eingeführt wurden. Die davon betroffenen Menschen haben einen Anspruch, vertreten zu werden. Wer, wie die FDP, über Arbeitslose redet, aber Mindestlöhne verweigert, der steht in dieser politischen Debatte auf der falschen Seite. Wenn man allerdings, wie Sie, Frau Künast, diese Situation anprangert, ohne wenigstens auch zu erwähnen, dass Sie selbst einen guten Anteil daran hatten, dass dieses System der Niedriglöhne, der Ein-Euro-Jobs, der Aufstockerei und der Leiharbeit eingeführt wurde, ist das kein guter Einstieg in diese Debatte.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Genau, Frau Künast! So sieht die Sache nämlich aus! Sagen Sie dazu doch auch mal etwas! - Karl Schiewerling (CDU/CSU): Sie sagen doch immer: Es ist besser, nicht zu arbeiten und Arbeitslosengeld zu beziehen!)

Wir sagen: Wir werden uns für alleinerziehende Mütter einsetzen. Wir werden uns für die Kinder, die in diesem Hartz-System menschenunwürdig behandelt werden, einsetzen.

(Pascal Kober (FDP): Ja, ja! Das merkt man!)

Wir werden uns allerdings mit dem gleichen Nachdruck auch für die Menschen einsetzen, die hart arbeiten, aber nicht einmal das Existenzminimum verdienen

(Pascal Kober (FDP): Ja, ja! Schauen Sie sich nur mal die Situation in Berlin an!)

und die nicht etwa für 7 000 Euro plus immer denselben Vortrag halten. Denen sollten Sie sich zuwenden, nicht denen, die an Ihre Partei spenden.

(Beifall bei der LINKEN)