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Menschenrechte in der ASEAN-Staatengemeinschaft stärken

Rede von Michael Leutert,

(zu Protokoll)

Der zu behandelnde Antrag der Koalitionsfraktionen „Menschenrechte in der ASEAN-Staatengemeinschaft stärken“ findet in meiner Fraktion keine Zustimmung. Dies mag zunächst verwundern, wenn man sich den Katalog von Forderungen an die Bundesregierung anschaut, der viele richtige und wichtige Punkte enthält. Aber aus zwei Gründen, die ich näher ausführen werde, halten wir den Antrag für verfehlt.

Zum einen halten wir den Zeitpunkt der Einbringung für verfrüht, und zum anderen sind wir davon überzeugt, dass die Bundesregierung nicht die Glaubwürdigkeit besitzt, die Forderungen des Antrages in Gesprächen mit Regierungsvertretern der ASEAN-Staaten vorzubringen.

Warum halten wir die Einbringung des Antrages für verfrüht? Die ASEAN-Staatengemeinschaft hat sich mit ihrer Gründung vor 40 Jahren folgende Ziele gesetzt: wirtschaftliche Integration, Zusammenarbeit und Sicherheit. Auf dem ASEAN-Gipfel 2004 in Laos haben sich die Staaten ein weiteres Ziel ihrer politischen Bemühungen gesetzt, nämlich die Förderung der Menschenrechte. Schon vier Jahre später haben die Staaten dieses politische Ziel schriftlich fixiert und als „ASEAN-Charta“ auf dem Gipfel in Singapur verabschiedet. Bereits bis Ende 2008 soll die Charta in den einzelnen Ländern ratifiziert sein und in Kraft treten. Wenn man bedenkt, dass die ASEAN-Staaten mehr als 500 Millionen Menschen höchst unterschiedlicher religiöser Prägung repräsentieren, dann erstaunt die Schnelligkeit der Umsetzung eines politischen Zieles in eine Vereinbarung, die zukünftig als Maßstab für das menschenrechtspolitische Handeln herangezogen werden kann. An deren Inhalt und Umsetzung müssen sich die Staaten dann messen lassen.

Wie die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag dazu richtig bemerken, markiert diese Vereinbarung ein neues politisches Verständnis der Staatengemeinschaft, welches Signalwirkung für den ganzen asiatischen Kontinent haben könnte. Dass insgesamt akuter Handlungsbedarf bestand und auch noch besteht, zeigen die Jahresberichte von Amnesty International und Human Rights Watch. Aber die ASEAN-Staaten haben sich mit der Verabschiedung der ASEAN-Charta angreifbar gemacht; ihr Handeln kann nunmehr an den selbst festgeschriebenen Maßstäben kritisiert werden. Dieser Fortschritt sollte nicht gering bewertet werden.

Wir als westliche Wertegemeinschaft hinsichtlich unseres Menschenrechtsverständnisses und unserer europäischen Geschichte sollten diesen Staaten jetzt Gelegenheit und angemessene Zeit geben, diese Charta in ihren Ländern zu implementieren und als erstrebenswerte Lebenswirklichkeit zu vermitteln. Ein solcher Prozess dauert seine Zeit und kann auch nicht als reiner Top-down-Prozess funktionieren und erfolgreich sein.

Gerade vor dem Hintergrund unserer europäischen Geschichte, welche auch eine Geschichte des Kolonialismus ist, welche auch eine Geschichte des Kolonialismus in dieser Region ist, sollten wir uns mit entsprechenden Ratschlägen einige Zeit zurückhalten.

Der zweite Punkt unserer Kritik betrifft die Frage der Glaubwürdigkeit. Wenn die Bundesregierung auf dem Gebiet der Menschenrechte anderen Staaten Ratschläge erteilen soll, insbesondere wenn diese Staaten sich gerade auf den Weg machen, Menschenrechtsstandards festzusetzen, aber selbst nur eine inkohärente Menschenrechtspolitik betreibt, halten wir dies für nicht angemessen.

Ich möchte dies an zwei Beispielen verdeutlichen. In der Anhörung zum 8. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung kritisierten sieben NGOs, dass die Bundesrepublik hinsichtlich der Beachtung der sogenannten WSK-Rechte deutliche Defizite hat. Natürlich ist der Grundrechtsschutz in Deutschland hinsichtlich der sogenannten bürgerlichen Freiheitsrechte ausgesprochen gut und hat sich über einen langen Zeitraum entwickelt. Wenn nun aber die Bundesregierung ausgehend von diesem Zustand die ASEAN-Staaten kritisieren soll, dann muss sie sich, ausgehend von diesem Zustand, hinsichtlich der Nichtbeachtung der WSK-Rechte entsprechende Kritik gefallen lassen. Diese Kritik wird jedoch mit fadenscheinigen Argumenten abgewiegelt. Hier sehen wir als Fraktion ein Glaubwürdigkeitsproblem bei der internationalen Vermittlung von Menschenrechtsstandards.

Schließlich ist auf die skandalöse Asylpraxis gegenüber Asylsuchenden aus Birma hinzuweisen. Im Antrag wird die verheerende Lage in Birma benannt, aber eine entsprechende Veränderung der Asylpraxis unterblieb bis heute.